hopkirk schrieb:Die gesellschaftliche Funktion von Steuerhinterziehern, die unter falschem Namen wohnen, erschließt sich mir nicht so ganz. Ob er Kunden glücklich oder unglücklich gemacht hat und wie zuverlässig er war, weißt du doch gar nicht. Er hat Gebrauchtwagen aufgekauft und teurer wieder verkauft und der Solidargemeinschaft seinen Beitrag vorenthalten. Das macht ihn jetzt nicht gerade zu einem Heiligen
Ja, wobei gerade diese Leute wie Szieleit auf eine andere Art und Weise ihren Beitrag gegenüber der Solidargemeinschaft leisten. Er hatte durch sein Leben im Verborgenen und vermutlich sein Netzwerk, seine Beziehungen, eben Möglichkeiten, auf den Kunden einzugehen, wie es lizenzierte, offizielle Anbieter es nicht unbedingt haben. Er konnte und war willens, Kunden individuell mit Kfz und/oder Krediten zu versorgen, die anderswo nicht oder weniger passend bedient worden wären. Daraus kann Gutes entstehen.
Die Behörden wissen um Geschäftsleute dieser Art, beobachten diese, und tolerieren sie bis zu einem gewissen Grad. Man könnte es eine Art „Schattenwirtschaft“ nennen. Die Mechanismen sind die gleichen wie in der regulären Wirtschaft.
Szieleit war vermutlich bereit, niederschwellig auf Geschäftspartner zuzugehen. Ich vermute, er hätte im Rahmen künftiger Geschäftstätigkeit sowohl Bereitschaft gezeigt, auch mit „zwielichtigen“ Kreisen Geschäfte abzuschließen, als auch, dass er später immer mehr den Weg ins „Offizielle“ gesucht hätte.
Faszinierend an der Person Szieleit ist und war natürlich auch, dass er eine charismatische Person war, oder ist. Dieses 1990er-Jahre-Flair, Gebrauchtwagenhandel im Umfeld „halblegaler“ Kreise, hat schon etwas Faszinierendes. Business a la Szieleit, das schien eben etwas recht Spezielles gewesen zu sein: stets viel Bargeld, auch mal dubiose Gestalten, Business via Plastiktüte und Notizbuch, alles abgewickelt in Jogging- oder Armeehose. Schnelle, unkomplizierte Geschäfte, gute Geschäfte für alle Beteiligten, hohe Erlöse, hohe Gewinnspannen. Rege Markttätigkeit, viele Anbieter und Abnehmer.
Ich glaube, auch aufgrund seines Charismas diskutieren wir hier noch über Szieleit, und war er dann auch 2015 Thema in XY.
Er war oder ist vermutlich einer der „Guten“ in seinen Kreisen. Leider ist eben über sein Schicksal ab Mai 1993 nichts mehr offiziell bekannt. Der Fall interessiert die Menschen aber nach wie vor, und es ist mit Sicherheit gut, dass JS nirgends vergessen worden ist. Hoffentlich spürt er das auch - wo immer er gerade ist…
Die exakten Umstände seines Verschwindes sind zudem unklar. Auch das trägt natürlich etwas zum „Personenkult“ bei, der im Laufe der Zeit entstanden ist. Sollte er tatsächlich, wie befürchtet, einem Raubmord zum Opfer gefallen sein, dann bin ich felsenfest davon überzeugt, dass die Leute, die ihm Geld und Leben genommen haben, irgendwann dafür bezahlen mussten, oder irgendwann dafür bezahlen werden müssen. Sehr wahrscheinlich zwar nicht mehr vor einem deutschen Strafgericht - ganz sicher aber in irgend einer anderen Weise…