"Kannibale von Duisburg" Joachim Kroll - gab es falsche Geständnisse?
30.09.2014 um 14:29Der Fall Joachim Kroll ist ja sicher vielen hier ein Begriff. Der 1976 als “Kannibale von Duisburg” in die Annalen der Kriminalgeschichte eingegangene Serienmörder soll in 21 Jahren 9 Menschen getötet haben, wobei man von einer noch höheren Dunkelziffer ausging.
Hier Lesestoff zum Fall für die, die ihn noch nicht kennen:
Wikipedia Deutsch:
Wikipedia: Joachim Kroll
Wikipedia Englisch (ausführlicher mit aufgelisteten Opfern):
Wikipedia: Joachim Kroll
Detailreiche Zusammenfassung vor allem der letzten Tat (Vorsicht, kann triggern) und des Prozesses:
http://www.thomas-meiser.de/tcrime/kroll.htm (Archiv-Version vom 18.09.2014)
Zeit-Artikel von 1982 (nach der Verurteilung):
http://www.zeit.de/1982/05/kittel-oder-uniform
WAZ-Artikel von 2013:
http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/auf-du-und-du-mit-dem-menschenfresser-von-duisburg-id8123027.html (Archiv-Version vom 02.07.2013)
Ich habe mir nun das Buch “Ich musste sie kaputtmachen” von Stephan Harbort durchgelesen, das man als Biografie über Joachim Kroll bezeichnen kann. Dabei fällt auf, dass Kroll, der sein Leben lang ein unbeachteter im wahrsten Sinne des Wortes kleiner Mann gewesen ist, sozial isoliert und von Kollegen, Nachbarn etc. als merkwürdig und verschroben angesehen, unter der plötzlichen ständigen Aufmerksamkeit, die die Ermittler ihm zwangsläufig schenkten, regelrecht aufblühte. Die Ermittler gingen davon aus, dass die letzte Tat von Kroll nicht seine ERSTE gewesen sein kann, weil sie so grausam war. Befragungsprotokolle im Buch Harborts lassen einen m.E. sehr suggestiven Befragungsstil erkennen, in dem Kroll, der einen IQ von nur 76 hatte, zum Gestehen weiterer Taten bewegt werden sollte. Dies gelang auch, Kroll gestand immer neue Morde und Sexualdelikte, die in den letzten 20 Jahren in und um Duisburg geschehen sind. Für 9 dieser Morde wurde er am Ende zu 9x lebenslänglich verurteilt, obwohl er seine Geständnisse im Prozess widerrief (bis auf den letzten Mord, dessen er überführt war). Er starb 1991 in Haft an einem Herzinfarkt.
Die Befragung von Kroll war m.E. laut Harborts Buch sehr suggestiv. So wurde Kroll z.B. zum Mord eines 5-jährigen Mädchens befragt, wo er erst erzählte, er habe das Kind im Wald getroffen, wo es auch getötet wurde. Die Ermittler wussten, dass das nicht sein konnte, da das Mädchen nie allein so weit von Zuhause im Wald spielen gewesen wäre. So sagte der Kroll befragende Ermittler dann zu Kroll: “Na, kann das denn sein? Überleg noch mal!” Worauf Kroll ihn fragte (!!): “Ja, wie war es denn dann? Habe ich das Mädchen etwa dorthin mitgebracht?” Nachdem er merkte, dass dies in die Richtung ging, die der freundliche Beamte, der sich mit ihm freundschaftlich duzte und ihn zwischendurch mit seinen Lieblingspeisen und Zigaretten versorgte, hören wollte, erzählte er dann eine ganz andere Geschichte. So verhielt es sich auch in mehreren anderen seiner Geständnisse. 3 dieser Geständnisse wurden ihm dann im Prozess auch nicht zur Last gelegt, da Indizien gegen Kroll als Mörder sprachen.
Mir stellt sich nach Lektüre des vorgenannten Buches nun die Frage, ob Kroll noch mehr Morde nicht begangen hat, für die er verurteilt wurde, und der eine oder andere Mord evtl. auf das Konto eines oder mehrerer anderer Täter ging, der/die immer noch frei herumlaufen könnte. Insbesondere der Fall Jutta Rahn aus Ratingen-Breitscheid, die im Sommer 1970 auf dem Heimweg von der Schule getötet und missbraucht wurde, will mir nicht aus dem Kopf. An der Leiche der 13jährigen fanden sich Spermaspuren eines Mannes mit Blutgruppe A/B – Kroll hatte jedoch Blutgruppe 0 und war auch ein Blutgruppe-0-“Ausscheider” (d.h. die Blutgruppe war bei ihm auch über das Sperma ermittelbar). m.E. scheidet er somit als Mörder von Jutta Rahn aus! Trotzdem wurde er für diesen Mord nach seinem Geständnis verurteilt, diese Diskrepanz bei den Blutgruppen kam dort scheinbar nicht mehr zur Sprache, obwohl er in einem ANDEREN Fall, den er gestanden hatte, genau aus dem Grund (Blutgruppe des Spermas passte nicht) ausgeschlossen wurde als Täter.
Im Fall Jutta Rahn war 1970 ihr Nachbar verdächtigt worden als Täter. Er war A/B-Ausscheider, hatte kein Alibi zur Tatzeit, hat sogar seine Mutter für sich lügen lassen, was jedoch aufflog, und Fasern seiner Kleidung waren auf der Leiche gefunden worden sowie Fasern der Kleidung des Mädchens auf seiner. Laut den Eltern war Jutta Rahn noch sehr kindlich vom Wesen mit ihren 13 Jahren und interessierte sich noch nicht für Jungs, eine freiwillige Liaison schied also aus.
Hier noch zwei Artikel von damals zu diesem Fall:
http://buergerschaft-breitscheid.de/wp-content/uploads/2013/04/260.jpg
http://buergerschaft-breitscheid.de/wp-content/uploads/2013/04/375.jpg
Was haltet Ihr davon? Ist es denkbar, dass man damals einfach nur so viele ungeklärte Fälle wie möglich klären wollte und froh war über den geständnisfreudigen geistig unterbelichteten Kroll? Ich will nicht behaupten, dass er nicht doch die meisten der Morde, die er gestanden hat, auch begangen hat. Aber müsste man nicht doch heute noch mal gerade die Fälle, wo es so fragwürdig ist wie im Fall Rahn, noch mal überprüfen? Es müsste doch in der heutigen Zeit mit der DNA-Analyse möglich sein, dies nun alles auch ZWEIFELSFREI zu klären.
Hier Lesestoff zum Fall für die, die ihn noch nicht kennen:
Wikipedia Deutsch:
Wikipedia: Joachim Kroll
Wikipedia Englisch (ausführlicher mit aufgelisteten Opfern):
Wikipedia: Joachim Kroll
Detailreiche Zusammenfassung vor allem der letzten Tat (Vorsicht, kann triggern) und des Prozesses:
http://www.thomas-meiser.de/tcrime/kroll.htm (Archiv-Version vom 18.09.2014)
Zeit-Artikel von 1982 (nach der Verurteilung):
http://www.zeit.de/1982/05/kittel-oder-uniform
WAZ-Artikel von 2013:
http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/auf-du-und-du-mit-dem-menschenfresser-von-duisburg-id8123027.html (Archiv-Version vom 02.07.2013)
Ich habe mir nun das Buch “Ich musste sie kaputtmachen” von Stephan Harbort durchgelesen, das man als Biografie über Joachim Kroll bezeichnen kann. Dabei fällt auf, dass Kroll, der sein Leben lang ein unbeachteter im wahrsten Sinne des Wortes kleiner Mann gewesen ist, sozial isoliert und von Kollegen, Nachbarn etc. als merkwürdig und verschroben angesehen, unter der plötzlichen ständigen Aufmerksamkeit, die die Ermittler ihm zwangsläufig schenkten, regelrecht aufblühte. Die Ermittler gingen davon aus, dass die letzte Tat von Kroll nicht seine ERSTE gewesen sein kann, weil sie so grausam war. Befragungsprotokolle im Buch Harborts lassen einen m.E. sehr suggestiven Befragungsstil erkennen, in dem Kroll, der einen IQ von nur 76 hatte, zum Gestehen weiterer Taten bewegt werden sollte. Dies gelang auch, Kroll gestand immer neue Morde und Sexualdelikte, die in den letzten 20 Jahren in und um Duisburg geschehen sind. Für 9 dieser Morde wurde er am Ende zu 9x lebenslänglich verurteilt, obwohl er seine Geständnisse im Prozess widerrief (bis auf den letzten Mord, dessen er überführt war). Er starb 1991 in Haft an einem Herzinfarkt.
Die Befragung von Kroll war m.E. laut Harborts Buch sehr suggestiv. So wurde Kroll z.B. zum Mord eines 5-jährigen Mädchens befragt, wo er erst erzählte, er habe das Kind im Wald getroffen, wo es auch getötet wurde. Die Ermittler wussten, dass das nicht sein konnte, da das Mädchen nie allein so weit von Zuhause im Wald spielen gewesen wäre. So sagte der Kroll befragende Ermittler dann zu Kroll: “Na, kann das denn sein? Überleg noch mal!” Worauf Kroll ihn fragte (!!): “Ja, wie war es denn dann? Habe ich das Mädchen etwa dorthin mitgebracht?” Nachdem er merkte, dass dies in die Richtung ging, die der freundliche Beamte, der sich mit ihm freundschaftlich duzte und ihn zwischendurch mit seinen Lieblingspeisen und Zigaretten versorgte, hören wollte, erzählte er dann eine ganz andere Geschichte. So verhielt es sich auch in mehreren anderen seiner Geständnisse. 3 dieser Geständnisse wurden ihm dann im Prozess auch nicht zur Last gelegt, da Indizien gegen Kroll als Mörder sprachen.
Mir stellt sich nach Lektüre des vorgenannten Buches nun die Frage, ob Kroll noch mehr Morde nicht begangen hat, für die er verurteilt wurde, und der eine oder andere Mord evtl. auf das Konto eines oder mehrerer anderer Täter ging, der/die immer noch frei herumlaufen könnte. Insbesondere der Fall Jutta Rahn aus Ratingen-Breitscheid, die im Sommer 1970 auf dem Heimweg von der Schule getötet und missbraucht wurde, will mir nicht aus dem Kopf. An der Leiche der 13jährigen fanden sich Spermaspuren eines Mannes mit Blutgruppe A/B – Kroll hatte jedoch Blutgruppe 0 und war auch ein Blutgruppe-0-“Ausscheider” (d.h. die Blutgruppe war bei ihm auch über das Sperma ermittelbar). m.E. scheidet er somit als Mörder von Jutta Rahn aus! Trotzdem wurde er für diesen Mord nach seinem Geständnis verurteilt, diese Diskrepanz bei den Blutgruppen kam dort scheinbar nicht mehr zur Sprache, obwohl er in einem ANDEREN Fall, den er gestanden hatte, genau aus dem Grund (Blutgruppe des Spermas passte nicht) ausgeschlossen wurde als Täter.
Im Fall Jutta Rahn war 1970 ihr Nachbar verdächtigt worden als Täter. Er war A/B-Ausscheider, hatte kein Alibi zur Tatzeit, hat sogar seine Mutter für sich lügen lassen, was jedoch aufflog, und Fasern seiner Kleidung waren auf der Leiche gefunden worden sowie Fasern der Kleidung des Mädchens auf seiner. Laut den Eltern war Jutta Rahn noch sehr kindlich vom Wesen mit ihren 13 Jahren und interessierte sich noch nicht für Jungs, eine freiwillige Liaison schied also aus.
Hier noch zwei Artikel von damals zu diesem Fall:
http://buergerschaft-breitscheid.de/wp-content/uploads/2013/04/260.jpg
http://buergerschaft-breitscheid.de/wp-content/uploads/2013/04/375.jpg
Was haltet Ihr davon? Ist es denkbar, dass man damals einfach nur so viele ungeklärte Fälle wie möglich klären wollte und froh war über den geständnisfreudigen geistig unterbelichteten Kroll? Ich will nicht behaupten, dass er nicht doch die meisten der Morde, die er gestanden hat, auch begangen hat. Aber müsste man nicht doch heute noch mal gerade die Fälle, wo es so fragwürdig ist wie im Fall Rahn, noch mal überprüfen? Es müsste doch in der heutigen Zeit mit der DNA-Analyse möglich sein, dies nun alles auch ZWEIFELSFREI zu klären.