Ich finde die Erscheinung des mutmaßlichen Freiers bemerkenswert:
Letzter bekannter Zeuge (Mann, der zuletzt mit dem Jungen am Bahnhof gesehen wurde): Mitte 40, etwa 1,65 m groß, untersetzt mit Bauchansatz, graues, nackenlanges Haar, vorne Halbglatze. Er trug eine Brille mit Metallrahmen, einen blauen Blouson, blaue Jeans mit weißen Steppnähten sowie weiße Turnschuhe mit rot-blauen Streifen.
https://web.archive.org/web/20131214165343/http://www3.e110.de/index.cfm?event=page.detail&cid=6&fkcid=6&id=62191Die Beschreibung und das Phantombild - offenbar auf Angaben von Gregor beruhend - finde ich auffallend präzise, dafür dass nicht er sondern Hans-Jürgen von diesem Mann angesprochen wurde und es schon dunkel war. Aber vielleicht konnte er sich den Mann auch deshalb so gut merken, weil sein Erscheinungsbild ungewöhnlich war. Ich zumindest finde die Beschreibung auffällig.
Gut, hab jetzt nicht Mitte der 80ger in Hannover gelebt, aber ich finde die Kleidung für einen mittel-alten Mann doch eher ungewöhnlich, zumindest klingt das für mich nicht nach einem konservativen Familienvater (um mal ein Klischee des typischen Freiers zu bemühen).
Ich frag mich deshalb, wie auffällig Jeans mit weißen Nähten und weiße Turnschuhe bei einem Mann über 40 mit grauen nackenlangen Haaren und Stirnglatze in einer größeren Stadt Mitte der 80ger an einem Freitag Abend waren. Kann man anhand der Beschreibung diesen Mann einem bestimmten Umfeld zuordnen? War das ein typischer Freizeit-Look? Angenommen der Freier kam direkt von der Arbeit (Hans-Jürgen ging gegen 17:30 mit dem Unbekannten mit): welchen Beruf - außer vielleicht einer freiberuflichen Tätigkeit - konnte man damals in etwas lockerer Kleidung ausüben?
Den beiden Jugendlichen kam dieser Mann seltsam vor. Vielleicht auch deshalb, weil er für einen Freier untypisch gekleidet war, untypisch wirkte, zu jugendlich für sein Alter?
Dann ist mir noch aufgefallen, dass ein Blouson für einen 31. Januar recht dünn ist. Möglicherweise hatte der unbekannte Mann ein Auto, und hat einen Abstecher zum Bahnhof gemacht. Vielleicht kam er von der Arbeit und der Bahnhof lag auf dem Weg nach Hause (vermutlich "Alte Heide").
Laut mehrer Zeugen wurde Hans-Jürgen wohl noch nach dem Tag seines Verschwindens gesehen. Wo er sich aufgehalten hat ist anscheinend nicht bekannt. Aber wenn die Annahme stimmt, dass Hans-Jürgen eine Weile mehr oder weniger freiwillig bei diesem Mann gewohnt hat, dann müsste dieser Mann ihm vermutlich auch was geboten haben - Hans-Jürgen wurde ja nicht Popper um dann in einer ärmlichen 2 Zimmer Wohnung zu hausen. Auch dürfte dieser Mann dann alleine gewohnt haben. Und dann könnte ich mir auch vorstellen, dass dieser Mann hin und wieder ähnliche Arrangements mit jungen Männern pflegte (ohne dass diese dann zu Tode kamen). Deshalb vielleicht der jugendlichere Look.
Grob stelle ich mir grade eine Situation vor, in der Hans-Jürgen glaubte einen Weg gefunden zu haben, aus einer von ihm empfundenen Enge auszubrechen, ohne damit gerechnet zu haben, dass dies auch einen Preis haben kann, dass kaum ein Mensch einem etwas bietet ohne entsprechende Gegenleistung zu erwarten. Oder der unbekannte Mann blieb ihm etwas schuldig, löste ein Versprechen nicht ein. Und dann entstand eine Konfliktsituation, die für Hans-Jürgen tödlich endete. Ein Streit, der in Totschlag oder einem Unfall mündete. (Dann wäre aber die Überschrift bei XY: "Der grausame Tod eines Schülers" etwas weit hergeholt.) Aber das ist natürlich Spekulation.
Leider wurde - soweit ich das überblicken kann - nach dem XY-Bericht, und der Meldung, dass es ernstzunehmende Hinweise gäbe, einen konkreten Namen gar, kaum mehr über den Fall berichtet. Auch das Phantombild wurde - so scheint es - nur bei XY und auf e110.de publiziert. Ob das für einen Fahndungserfolg oder gegen einen spricht - unklar.
Interessant finde ich in dem Zusammenhang, dass schon damals mit vermutlich demselben Phantombild ergebnislos gefahndet wurde, und dass der Fall bei Aktenzeichen XY nicht wegen neuer Erkenntnissen oder Ermittlungsansätzen behandelt wurde:
Am Tag seines Verschwindens soll Ruhnow gegen 17.30 Uhr in Begleitung eines etwa 45 Jahre alten Mannes mit Stirnglatze den Hauptbahnhof verlassen haben. Die Polizei fahndete damals mit einer Phantomzeichnung erfolglos nach dem Unbekannten.
http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Fall-Ruhnow-nach-26-Jahren-neu-aufgerolltDass der Fall jetzt überhaupt noch einmal öffentlichkeitswirksam aufbereitet wird, liegt laut eines Polizeisprechers nicht daran, dass sich neue Erkenntnisse ergeben hätten. „Der Sachverhalt ist derselbe wie damals.“ Vielmehr habe die „XY“-Redaktion von sich aus vorgeschlagen, den Fall zu thematisieren.
http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Region/Isernhagen/Nachrichten/Zeuge-Jetzt-kocht-alles-wieder-hochDürfen sie ja, aber das könnte auch erklären, dass da nicht allzu viel herauskam.