Der Vermisstenfall Emanuela Orlandi
02.12.2018 um 23:00
Ich schaue mir gerade die Chi l'ha visto Sendung vom Mittwoch an.
Zu Gast im Studio war der "consulente" (Gutachter) des Vatikans, der als Rechtsmediziner die wissenschaftlichen Untersuchungen der gefundenen Knochen für den Vatikan mitverfolgt.
Es kam zur Sprache, dass die Knochen nach bisherigen Erkenntnissen keinem der beiden Mädchen (Orlandi und de Gregori) gehören könne, da sie nach ersten Erkenntnissen auf eine Zeit vor deren Verschwinden datiert worden sind. Fehler seien natürlich zu diesem Zeitpunkt nicht komplett auszuschließen, die Untersuchungen dauern noch an.
Der Gutachter sagt abschließend, man müsse in jedem Fall versuchen, die Knochen jemandem zuzordnen. Denn ganz egal, von wem sie stammten, auch diese Person habe Angehörige.
Zu Wort kommt dann Federica, eine der beiden Schwestern von Emanuela Orlandi, die das allerletzte Telefonat von Emanuela annahm. Emanuela rief damals Zuhause an, um die Mutter um Erlaubnis für einen Job zu fragen. Auf dem Weg zur Musikschule war sie auf der Straße von einem Avon-Vertreter angehalten und angesprochen worden, ob sie nicht Lust auf eine Art Avon-Promotions/Flyerjob hätte. Dafür würde sie ungefähr 300.000 Lire bekommen (also 300,- D-Mark).
Federica, die Schwester, antwortet daraufhin, dass so eine hohe Summe für einen Tag Arbeit doch eher unglaublich und unwahrscheinlich wäre. Selbst Laufstegmodelle würden an einem Tag nie so eine hohe Summe bekommen. Und so endete wohl das Telefonat.
Emanuela sagte noch, dass der Vertreter später auf sie warten würde vor der Musikschule, um zu erfahren, ob sie den Job machen wollte oder nicht.
Der Job selbst wäre laut Emanuela am darauffolgenden Samstag Nachmittag, also nicht direkt am selben Tag gewesen.
Die Frage ist natürlich, wer war die Person, die damals auf die 15 jährige Emanuela vor der Musikschule wartete?
Dann wird noch ein Fall eines jungen Studenten Alfredo angesprochen, der wohl auf der Straße von einem Agenten namens Felix angesprochen wurde, ob er eine Art Komparsen/Flyerjob machen wollte. Anstatt in einem normalen Komparsenjob landete er in einer Porno-Orgie (man gab ihm wohl Alkohol/Drogen). Aufgrund der kompromittierenden Aufnahmen, die dabei entstanden, brachte sich der junge Student um. Fünf Jahre später wurde der damalige Fotograf, nicht Felix (der war nur der Agent), der abstritt Alfredo irgendwelche Drogen verabreicht und zu sexuellen Handlungen gezwungen zu haben, wegen Menschen- und Drogenhandels verhaftet.
Federica, Emanuelas Schwester, wurde noch vor dem Verschwinden ihrer Schwester selbst einmal von einem Mann namens Felix angesprochen, während sie in Rom mit dem Bus fuhr. Der Mann fragte sie damals, ob sie Lust hätte Komparsin in einem Film zu sein - einem Film "pulito" (also keineswegs ein anrüchiger Film, versicherte ihr Felix). Dieser Film würde gerade in Civitavecchia gedreht (Titel: "Die letzten Tage von Pompeij). Dafür sollte sie laut dem Mann 100.000 Lire am Tag als Lohn bekommen. Er hätte wohl nicht locker gelassen, wollte sie überzeugen. Federica lehnte kategorisch ab. Er gab ihr daraufhin seine Visitenkarte, wo sein Name (Felix), seine Telefonnummer draufstand und eben, dass er Filmagent wäre. Sie gab ihm wiederum auch ihre Telefonnummer. Angerufen hat er aber dann nie bei ihr Zuhause.
Die Schwester beschreibt ihn dann: dicke Brille, schwarze längere Haare, um die 30 Jahre alt etc. Viele junge Frauen wurden damals in Rom von diesem Agenten Felix angesprochen. In Chi l'ha visto kommt der Fall einer Maura zu Wort, eine Frau, die damals auch von Felix angesprochen wurde, um als Komparsin zu arbeiten. Als sie realisierte um welche Art Film es sich handelte, sei es ihr gelungen, zu fliehen.
Federica, die Schwester von Emanuela, wurde unweit der Termini-Station von Felix angesprochen. Dort in der Nähe hatte die Familie de Gregori ihre Bar. Chi l'ha visto fragt daher, ob es nicht möglich wäre, das auch de Gregori in die Fänge von Felix geriet.
Felix habe sich manchmal als Kanadier, manchmal als Pole vorgestellt. Er sprach damals mindestens drei Sprachen fließend (Italienisch, Polnisch und Englisch), kannte sich in Rom gut aus und mit seiner charmanten Art versuchte er vorwiegend junge Frauen mit der Aussicht auf Ruhm und Reichtum, sprich ein Filmsternchen zu werden, für seine Filmprojekte zu gewinnen. Damals wäre das durchaus verbreitet in Rom gewesen, dass zwielichtige Personen in der Stadt die Hoffnungen junger Menschen in dieser Form ausnutzten (sagt eine Staatsanwältin).
Felix sei dann schon nach kurzer Zeit aus dem Fokus der Ermittler verschwunden, was das Verschwinden von Orlandi und de Gregoris anging. Die Staatsanwältin verweist auf mangelhafte Ermittlungsarbeit zur damaligen Zeit. Erst 1996 sei die Person Felix erneut kurz ins Blickfeld der Ermittlungen gerückt, als er in Rom verhaftet wurde, weil er polnische Frauen illegal nach Italien holte und sie ins Rotlichtmilieu vermittelte.
Dann wurde noch kurz über Monsignore Paul Marcinkus gesprochen. Francesco Pazienza erzählt eine Episode, die einige Jahre vor dem Verschwinden Orlandis passierte, welche den Vatikan bzw. die dortigen Machtmachenschaften ein wenig verdeutlichen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Dieser ganze Fall bietet Stoff für mindestens zehn fette Krimis! Die ganze Geschichte ist derart kompliziert und vielschichtig, man wird ganz kirre, den ganzen möglichen Handlungssträngen zu folgen! Derart viele zwielichtige Personen...