Hier scheint ein neuer Artikel zu sein vom 6. Mai
http://www.welt.de/vermischtes/article115925341/Zwei-Morde-viele-Fragen-und-eine-Stadt-in-Angst.htmlDie Leiche von Gabriele Obst lag in einer Senke auf dem Boden des Teutoburger Waldes, nur ein paar Meter von einem Wanderweg entfernt. Die Frau war durch einen Kopfschuss gestorben, ein doppelläufiges Schrotgewehr des Typs Puszta aus den 30er-Jahren lag auf ihrem leblosen Körper.
Der Täter, da sind sich die Ermittler sicher, wollte es nach einem Selbstmord aussehen lassen.
Dabei ist seit dem 26. April, dem Tag, an dem eine Spaziergängerin den leblosen Körper entdeckte, klar: Im nordrhein-westfälischen Halle ist erneut eine Frau einem Kapitalverbrechen zum Opfer gefallen.
Gabriele Obst, 49, eine Zeitungsbotin und Mutter von zwei Kindern, war in den frühen Morgenstunden des 16. April verschwunden und zehn Tage später ermordet aufgefunden worden. Warum sie sterben musste und wer der Täter ist, ist bislang völlig unklar.
Nur dass ihre Familie nicht verdächtigt wird und die Selbstmord-Theorie nicht haltbar ist, steht fest. Und dass es nicht der erste Fall dieser Art ist.
"Aktenzeichen XY" ohne Ergebnis
Vor eineinhalb Jahren war die 46-jährige Nelli Graf, Mutter dreier Kinder, nicht zur Arbeit in einem Supermarkt in Halle erschienen, ihre Familie meldete sie wenig später als vermisst. Mit einem Großaufgebot suchte die Polizei nach der Frau – ohne Erfolg, nur ihr Fahrrad wurde entdeckt.
Erst vier Monate später wurde Grafs Leiche in einem Waldstück gefunden – aufwendig verscharrt, gefesselt mit Kabelbinder und Pack-Klebeband, das Gesicht verklebt.
Polizei und Staatsanwaltschaft brachten damals ein Großaufgebot in Stellung, um den Frauenmörder zu finden. Die Ermittler gingen 7500 Hinweisen aus der Bevölkerung nach, 6000 Männer zwischen 18 und 60 Jahren mussten eine Speichelprobe abgeben.
Die Fernsehsendung "Aktenzeichen XY" berichtete über den Fall. Aber die Beamten kamen bei ihrer Arbeit nicht weiter, heute sind sie genauso schlau wie kurz nach der Tat: Der Mörder ist wahrscheinlich ein Mann.
Die Idylle ist empfindlich gestört
Gabriele Obst hatte an jenem verhängnisvollen Morgen, an dem sie um 6.40 Uhr zum letzten Mal gesehen wurde, vor ihrem Verschwinden schon fast alle Zeitungen ausgetragen, nur acht Exemplare vom "Haller Kreisblatt" fand die Polizei später in einem Korb an ihrem Fahrrad.
"Auch die Entfernung zwischen dem Fundort der Leiche und dem Ort, an dem das Fahrrad und die Zeitungen des Opfers gefunden wurden, spricht eindeutig gegen einen Suizid", erklärte Christoph Mackel von der Staatsanwaltschaft Bielefeld der "Welt".
Zwischen beiden Orten liegen nur zweieinhalb Kilometer Luftlinie, "aber es ist unvorstellbar, dass die Frau diese Strecke durch dichtes Gehölz und über einen kleinen Berg alleine zurückgelegt hat. Es würde auch keinen Sinn ergeben. Wahrscheinlicher ist, dass eine Person mit einem Auto außen herum gefahren ist und die Leiche dort abgelegt hat."
Halle ist eine idyllische Kleinstadt mit 20.000 Einwohnern, nur 20 Minuten Autofahrt von Bielefeld entfernt. Es gibt Backsteinhäuser und weite Felder, der Teutoburger Wald, ein beliebtes Ausflugsziel, beginnt am Stadtrand. Man behauptet nicht zu viel, wenn man sagt, dass die Menschen hier beruhigter wären, wenn Gabriele Obst freiwillig aus dem Leben geschieden wäre.
So aber geht jetzt in Halle, wo normalerweise nur Schlagzeilen wegen des bekannten Tennisturniers im Gerry-Weber-Stadion geschrieben werden, die Angst vor einem Serienmörder um.
Nach dem zweiten Mordfall haben die Ermittler die Mordkommission "Stein" personell noch einmal verstärkt, mehr als 30 Beamte arbeiten nun an der Aufklärung, von einer "besonderen Lage" ist die Rede. Dass sie es mit einem Serienmörder zu tun haben, schließt Staatsanwalt Mackel nicht aus.
Beide Frauen waren mit dem Fahrrad unterwegs
"Es ist zu befürchten, dass die beiden Taten von ein und derselben Person verübt worden sind. Die Tötungsarten sind zwar unterschiedlich, aber ausschließen kann man deswegen nichts", sagte er.
Der Fall, so Mackel, habe "höchste Priorität". Die Opfer kannten sich zwar nicht, ähneln sich aber. Beide waren zur Tatzeit Mitte/Ende 40, verheiratet und Mütter. Und sie waren mit einem Fahrrad unterwegs.
In Halle erzählen viele Bürger, dass sie sich vor einem weiteren Verbrechen fürchten. Nur wenige trauen sich nach Einbruch der Dunkelheit überhaupt noch alleine aus dem Haus.
Eltern begleiten ihre Kinder morgens auf dem Schulweg und sprechen von "einem komischen Gefühl, das wir alle haben, solange die Polizei den Täter nicht gefunden hat."
Kommt ein Massengentest?
Die Ermittler befragen in der Umgebung des Fundortes der Leiche und des Fahrrads mögliche Zeugen, die Leiche wird auf mögliche DNA-Spuren untersucht. Damit könnte festgestellt werden, ob der Mörder von Nelli Graf auch Gabriele Obst umgebracht hat. Und es könnte erneut ein Massengentest organisiert werden.
Auf der Suche sind die Ermittler auch nach einem Pärchen, das sich um vier Uhr morgens in der Nähe des Ortes, an dem später das Fahrrad von Gabriele Obst gefunden wurde, nach Zeugenaussagen heftig stritt.
"Wir sind bei diesen Fällen auf die Hilfe aus der Bevölkerung besonders angewiesen", sagt Staatsanwalt Mackel: "Wir wollen die Verbrechen schnellstmöglich aufklären. Jeder kann sich vorstellen, dass die Verunsicherung in Halle groß ist, solange der oder die Täter nicht gefunden sind. Das Leben ist momentan nicht wirklich lebenswert."