Da Kurvenkrieger ja seit ein paar Tagen nicht mehr anwesend war, stelle ich mal mein Fazit der Studien nochmal direkt hier ans Ende des Threads, damit er es auch gleich findet; war ja auch ziemlich das letzte konkrete, was hier besprochen wurde, bevor die Schredderei losging. Wer mag, kann ja gerne auf der Grundlage weiterdiskutieren. Vielleicht finden wir ja sogar wieder auf das Ausgangsthema zurück.
@kurvenkriegerOkay, hier mal meine Meinung bzgl. der Studien. Auf den Focus-Artikel möchte ich nicht näher eingehen, da ich dazu keine wertvollen Erkenntnisse beitragen kann; mein Post dürfte auch so schon lange genug werden.
Studie 1:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21076131Titel: "Homeopathy has clinical benefits in rheumatoid arthritis patients that are attributable to the consultation process but not the homeopathic remedy: a randomized controlled clinical trial"
Zugang hatte ich dank Universitätslizenz.
Methodik: sauber randomisiert, sauber ausgewertet, genügt den anerkannten Standards
Ergebnis: Man kommt zu dem Schluss, dass es signifikante Effekte eines honöopathischen Behandlungsgespräches gegenüber dem Unterlassen eines solchen Gespräches gibt
Mein Fazit: Diese Studie kann man in methodischer Hinsicht nicht beanstanden; allerdings beweist sie nicht, dass die Homöopathie (im Sinne homöopathischer Medikation) wirkt, sondern dass eine ausführliches Gespräch mit einem Mediziner/Homöopathen/Behandler sich positiv auf den Patienten auswirkt.
Um eine besondere Wirkung des hom. Behandlungsgesprächs im Vergleich zu einem normalen Behandlungsgespräch zu beweisen, müsste man gezielt einen Versuch in dieser Kombination durchführen. Dies ist in der vorliegenden Studie nicht erfolgt, insofern ist keine Aussage über eine über den Placebo-Effekt eines Behandlungsgesprächs hinausgehende Wirkung des hom. Behandlungsgesprächs möglich.
Studie 2:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15532696Titel: "The placebo-controlled trial as a test of complementary and alternative medicine: observations from research experience of individualised homeopathic treatment"
Zu diese Studie hatte ich leider keinen Zugang, da die Zeitschriftenlizenz meines Fachbereichs die betreffende Veröffentlichung leider nicht abdeckt. Falls du Zugang zu dieser Studie hast, würde ich dich darum bitten, sie mir zu mailen, ansonsten würde ich darum bitten, sie aus der Diskussion zu nehmen, da wir dann über den genauen Inhalt nur spekulieren können.
Grundsätzlich möchte ich zu dem Problem, dass der Autor im Abstract schildert, anmerken, dass es kein reales Problem ist, da es sehr wohl möglich ist, einen Wechselwirkungseffekt zwischen hom. Behandlungsgespräch und hom. Medikation zu erfassen.
Man betrachte folgendes Design:
Behandlungsgespräch: 3 Möglichkeiten: H= Homöopath M= Mediziner(=Placebo) K=keines
Medikation : 3 Möglichkeiten: H= Homöopathie M=evidenzbasierte Medizin P=Placebo
Es gibt insgesamt 9 Gruppen, mit folgender Zusammenstellung bzgl. Gespräch und Medikation
G1(H,H) G2(H,M) G3 (H,P)
G4(M,H) G5(M,M) G6 (M,P)
G7(K,H) G8(K,M) G9(K,P)
Nun kann man durch Vergleich zwischen G1, G3 und G4 feststellen, ob die besagte Wechselwirkung besteht. Bestünde sie nicht, wäre anzunehmen, dass sich die Gruppen hinsichtlich des Behandlungserfolges nicht unterscheiden. Zusätzlich vergleicht man G3 mit G9 und G6 mit G9, um den Effekt des jeweiligen Gesprächs alleine zu bestimmen, usw... Kann ich bei Bedarf gerne weiter ausführen, wird dann etwas komplizierter.
Studie 3:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12676041Titel: "Controlled clinical trials evaluating the homeopathic treatment of people with human immunodeficiency virus or acquired immune deficiency syndrome"
Zugang hatte ich dank Universitätslizenz
Methodik: Okay, hier begeben wir uns auf komplexeres Gebiet. Bitte aufmerksam lesen, auch wenn es jetzt ein wenig kompliziert wird.
Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um ein Literaturreview bzw. den Ansatz einer Metastudie, d.h. es werden verschiedene, bereits existierende Studien herangezogen und verglichen.
Es werden zwei Studienkörper verglichen: Eine Studie aus Indien von (angeblich, dazu gleich mehr) 1999 , im Folgenden Studie A genannt, und ein zusammengehöriger Verbund von 6 Studien aus Kalifornien in den späten 80er bis mittleren 90er Jahren, im folgenden Studie B genannt. Um über die Qualität der Metastudie etwas aussagen zu könnnen, müssen wir uns hier also auch die Hauptstudien ansehen, da eine fehlerhafte Hauptstudie die ganze Metastudie zerschießt.
Hier setzt auch direkt meine Kritik an; zu Studie A wird zwar das Erscheinungsjahr 1999 genannnt, jedoch ist diese Arbeit im Literaturverzeichnis des Papers gar nicht genannt! Ein grober Fehler, der es auf den ersten Blick unmöglich macht, an die eigentlichen Daten zu kommen. Glücklicherweise hat der Autor von Studie A einen seltenen Namen, so dass ich in der Lage war in Verbindung mit geeigneten Schlagworten die Studie ausfindig zu machen und darauf zuzugreifen.
Studie A ist leider auch nur als minderwertig zu bezeichnen; der Autor begeht quasi alle Fehler, die man machen kann; nicht alle können ihm zur Last gelegt werden. Das Institut, dass die besagte Studie durchführt, ist eine winzige Einrichtung in Mumbai, die, laut offen verfügbaren Informationen (bei Bedarf stelle ich sie gerne zur Verfügung) nur über eine Bibliothek mit 105 Büchern verfügt und nicht einmal über eigene Email-Adressen verfügt; man kann davon ausgehen, dass es die korrekte Durchührung einer Studie finanziell gar nicht bewerkstelligen kann.
Studie A befasst sich mit der Behandlung von HIV ausschleißlich mit Hom.; dabei wird direkt der Fehler begangen, die Gruppenselektion nicht ausreichend zu kontrollieren; so wird nicht kontrolliert, ob die Probanden z.b. intravenöse Drogen konsumieren oder parasitär/infektiös vorbelastet sind.
Schwerster Fehler hierbei: die Bestätigung der HIV-Infektion erfolgt über eine Kombination von Western-Blot und ELISA-Test; wesentlich genauere Serologische Tests werden nicht verwendet (da kostspielig); beide Tests zusammen erkennen in ca. 2% der Fälle falsch positiv, d.h. diagnostizieren HIV bei gesunden Patienten; ist der Patient alkoholabhängig oder hat durch Mangelernährung, Parasiten oder sonstige Belastungen, z.b. Schwermetallvergiftungen oder Infektionen (Malaria!) schlechte Leberwerte, kann die False-Positive-Rate auf bis zu 15% ansteigen.
So kommt die Studie dann auch zu dem Ergebnis, dass 5 Probanden der Kontrollgruppe und der Treatment-Gruppe innerhalb von 6 Wochen spontan von HIV genesen wären; wäre dies belegbar, so wäre dies eine Sensation; tatsächlich spricht es leider nur dafür, dass im Entwickungsland Indien leider sehr viele Personen mit Vorerkrankungen exisiteren, die den eingangs verwendeten Test stark verfälscht haben; die ganze Studie ist also völlig unbrauchbar.
Übrigens weisen auch andere Studien der gleichen Autoren ähnlich eklatante Mängel auf; auffallend ist auch, dass die Autoren bei späteren Studien mit ihren Schlussfolgerungen deutlich zurückhaltender werden.
Studie B befassst sich mit Hom. als Begleitbehandlung zu konventioneller Therapie. Hier wird leider nicht explizit zwischen dem Behandlungsgespräch und der Medikation unterschieden; allein hierdurch wird die Studie schon hinfällig. Außerdem wird als hauptsächlicher positiver Effekt dargestellt dass es den hom. behandelten leichter fällt, ihr Idealgewicht zu halten, als den nicht behandelten, sowie damit verbundene Sekundäreffekte. Hier muss ich mal ganz direkt ansagen, dass es mir auch leicht viele, gegen Untergewicht (es geht um HIV-Patienten) anzukämpfen, wenn man mich über Monate bis zu 120 g Zucker pro Tag einnehmen ließe. Es werden außerdem einzelne Effekte in unzulässiger Weise bei der Betrachtung vermischt; alsi hat auch diese Studie leider wenig Aussagekraft.
Ergebnis: Der Homöopathie wird eine Wunderwirkung (Studie A) bzw. eine stark positive Wikrung (Studie B) zugesprochen.
Mein Fazit: Eine miserable Metastudie, die quasi alle Fehler macht, die man machen kann, ohne dass man sich Absicht unterstellen lassen muss.
-Studien mit massiven Qualitäts- und Inhaltsunterschieden zusammengeworfen (Indien vs. Amerika mit fast 10 Jahren Zeitunterschied, ausschließlich hom. behandelte Inder vs. intensivmedizinisch betreute Amerikaner)
-die Qualität der Ausgangsstudien nicht betrachtet (Studie A hat m.M.n. keinen Gehalt)
-völlig unterschiedliche Effekte wirr zun einer allgemeinen Positivwirkung zusammengewürfelt.
Insgesamt: Sehr schlechte Studie, die selbst als Literaturüberischt nur wenig taugt und noch dazu methodisch schlecht und mit mangelnder Sorgfalt erstellt wurde (wenn es nicht möglich ist, anhand des Quellenverzeichnisses eine der Kernstudien der Arbeit ausfindig zu machen, ist das kein wissenchaftliches Arbeiten mehr)
Studie 3:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10335412Titel: "Homeopathy in HIV infection: a trial report of double-blind placebo controlled study."
Zugriff durch Uni-Lizenz
Methodik: Hier handelt es sich auch um eine Studie aus dem Hause Rastogi, dem Autoren von Studie 2.A; es werden auch direkt die gleichen Fehler gemacht; aus Kostengründen wird hier nicht mal mehr der Western-Blot durchgeführt, sondern nur zwei Schnelltests auf HIV; es ist zu erwarten, dass sich etwa 7 Fehldiagnosen i.d. Stichprobe befinden, falls man von belasteten Probandengruppen ausgeht, wären mit 50%-Wahrscheinlichkeit über 20 Fehldiagnosen vorhanden(bei 100 Probanden).
Ergebnis: Es wird ein leicht positiver Einfluss der Hom. auf einige Blutbildwerte gemessen, mit mäißer Signifikanz (p=0.04)
Mein Fazit: Vollkommen untaugliche Studie. Selbst im günstigsten Fall wird aufgrund der geringen Fallzahl und der Ungenauigkeit der verwendeten Test niemals die statistische Genauigkeit möglich sein, mit der hier angeblich Effekte gemessen werden wollen...
Gesamtfazit: Alle Studien (ausgeklammert die, auf die ich nicht zugreifen konnte), die hier verlinkt wurden, haben offensichtliche methodische Mängel und sind darüber hinaus auch von medizinischer Seite her nicht einwandfrei, soweit mir das als Laie erkenntlich ist.
Die einzige logische, wertvolle Erkenntnis, die aus den Studien gezogen werden kann, ist m.M.n, dass eine ausführliche Beratung und Betreuung des Patienten einen großen positiven Beitrag sowohl zur Genesung als auch zu seiner Lebensqualität leisten kann; diese Erkenntnis kann man meines Erachtens nach wunderbar mit den Theorien und Erfahrungswerten der evidenzbasierten Medizin vereinen. Es ist wünschenswert, dass sich Ärzte und Pfleger mehr Zeit für die Patienten nehmen und diese mit ihren Sorgen und Beschwerden ernstnehmen; dass ganze Weltbild der Medizin muss deshalb aber noch lange nicht umgestoßen werden.