Deutscher Laserforscher stellt die Physik auf den Kopf
16.01.2012 um 18:18
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Was ist es, das wie Welt im Innersten zusammenhält? In Douglas Adams vergnüglichem Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ sucht ein Supercomputer nach einer Antwort. Er berechnet die Frage „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“. Heraus kommt die Zahl 42. Nun aber nennt ein Physikprofessor aus Jena eine andere „magische Zahl“ als Grundgröße des Universums, nämlich 137. Doch anders als Adams surrealer Wert ist sie eine reale Größe, die in der Physik in vielerlei Zusammenhängen auftaucht.
Der Professor heißt Karl-Otto Greulich und forscht schon länger am Fritz-Lipmann-Institut der Universität Jena, wo er mit seiner Arbeitsgruppe Alterungsprozesse beim Menschen untersucht. Dies mag verwundern, ist die Alternsforschung doch eine Domäne der Biologen und Mediziner. Greulich ist aber Laserphysiker. In seiner Heimatstadt Heidelberg gründete er 1992 mit seinem Kollegen Jürgen Wolfrum das Labor für Laserbiologie. Nach seinem Wechsel nach Jena arbeitete er als erster Forscher in Deutschland mit der „optischen Pinzette“. Sie basiert auf einem Laserstrahl, mit dem sich mikroskopische Objekte, beispielsweise einzelne Zellen, handhaben und fixieren lassen.
Dies gelingt, weil die Lichtteilchen (Photonen) auch mechanische Eigenschaften aufweisen; unter anderem können sie Druck ausüben. Greulich begann, sich für diese Partikel, die keine Ruhemasse besitzen, zu interessieren. Deshalb sitzt er heute im Beirat der Konferenzreihen „Laser in den Lebenswissenschaften“ und „Die Natur des Lichts: Was sind Photonen?“. In einem nächsten Schritt befasste er sich dann mit den massebehafteten Teilchen. Aus dieser Beschäftigung erwuchs schließlich sein neues Modell der materiellen Welt, in dem die Zahl 137 eine so zentrale Rolle spielt (streng genommen lautet sie 137,036).
Die Feinstrukturkonstante alpha
Um die Magie dieser Zahl zu verstehen, muss man sich ein wenig auf die Gleichungen in Greulichs Theorie sowie einige Grundaussagen der Teilchenphysik einlassen. Doch dafür genügen die Grundrechenarten. Ausgangspunkt ist die so genannte Feinstrukturkonstante, die den Wert 1 geteilt durch 137 aufweist. Sie wird mit dem griechischen Buchstaben alpha bezeichnet und gibt die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung an, die eine der vier Naturkräfte ist. Genauer gesagt, bestimmt alpha die Rate einiger physikalischer Prozesse wie die Aussendung von Licht sowie die Kraft, mit der sich elektrisch geladene Teilchen anziehen oder abstoßen.
Auch die Masse eines Elektrons hängt mit der ominösen Zahl zusammen. Sie beträgt 511 Kiloelektronenvolt (keV; die Massen von Teilchen lassen sich aufgrund des Zusammenhangs von Masse und Energie, den Einsteins berühmte Gleichung E=mc2 beschreibt, auch als Energie ausdrücken).
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Dieser Wert ist gemessen, er lässt sich aber auch sehr präzise errechnen: Er ergibt sich aus dem Quadrat des Kehrwerts von alpha, also 137 mal 137, multipliziert mit dem doppelten Wert einer anderen Grundgröße der Physik, nämlich der so genannten Rydberg-Energie (benannt nach dem schwedischen Physiker Johannes Rydberg). Diese beträgt 13,6 eV und bezeichnet eine der wichtigsten Energien im Universum, nämlich die Ionisierungsenergie von Wasserstoff. Das heißt, diese Energie muss man einem Wasserstoffatom zuführen, um sein in der Atomhülle kreisendes Elektron vom Atomkern – dem Proton – zu trennen.
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Multipliziert man nun diesen so errechneten Wert von 511 keV erneut mit 137 oder einem Vielfachen davon, ergibt sich die Masse für alle anderen Elementarteilchen. Das ist der entscheidende Schritt in Greulichs Theorie. Denn nun liegen alle Teilchen auf zwei Geraden. Die meisten davon sind ganzzahlige Vielfache der Grundgröße, etwa die so genannten Pionen, Mesonen und Baryonen. Einige aber, wie das Myon und das Tauon, sind halbzahlige Vielfache. Beide zählen zur Gruppe der Leptonen („leichten Teilchen“), der auch das Elektron angehört. Halbzahlig sind überraschenderweise auch das Proton und das Neutron, die zusammen die Atomkerne bilden und so die Bausteine der Materie sind. Sie liegen auf einer eigenen Geraden, die ein wenig von der ersten abweicht.
Nun könnte man hinter solchen Berechnungen nichts als kabbalistische Zahlenmystik vermuten. Doch für die daraus ermittelten Teilchenmassen liefert Greulich auch eine physikalische Erklärung: Seiner Theorie zufolge gibt nur ein einziges Elementarteilchen, das im Urknall entstand, nämlich das Elektron. Darauf bauen alle weiteren Partikel auf.
Ein namenloses Teilchen
Zunächst lagern sich 137 Elektronen zusammen. Dabei entsteht der eigentliche Grundbaustein der Materie, aus dem die übrigen Teilchen bestehen. „Dieser Grundbaustein ist ein Teilchen mit der 137-fachen Masse des Elektrons“, erläutert Greulich. „Er wurde aber noch nie als isoliertes Teilchen gefunden. Möglicherweise lässt er sich nicht experimentell nachweisen.“
Das noch namenlose Partikel hat 70,1 Megalektronenvolt (MeV) Masse. Das Myon als leichtestes Teilchen nach dem Elektron ist 1,5mal, das Pion zweimal so schwer. Bis zum zwölffachen der Grundmasse sind auf der Geraden alle ganzzahligen Plätze besetzt, danach gibt es eine Lücke. Erst ab Platz 24 tauchen wieder Teilchen auf. „Das ist zunächst ein empirisches Ergebnis, aber es hat den Charakter einer Quantenzahl, wie die Hauptquantenzahl in der Atomphysik“, meint Greulich.
Ein Vorzug der Berechnungsmethode ist, dass sie die Massen der meisten Teilchen, die zuvor auf andere Art bestimmt wurden, auf ein Prozent genau angibt. Darauf ist Greulich stolz. „Etwas weniger als ein Drittel der Partikel hat einen Fehler zwischen ein und zwei Prozent, und ein einziges von 2,7 Prozent“, sagt er. „Das ist zwar schlecht, doch es ist weitaus besser als alles, was wir bisher an Voraussagen über die Teilchenmassen zur Verfügung hatten.“ Diese müssen meist sehr aufwändig berechnet werden, dabei ergaben sich teilweise Fehler von über fünf Prozent. Die mit Greulichs Methode ermittelten Massen von Neutron und Proton erweisen sich als fast identisch, der Unterschied liegt weit unter einem Prozent.
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Keine Frage, das Modell erklärt die Teilchenmassen einfach, elegant und einleuchtend. Zugleich wirft es aber eine ganze Reihe von Fragen auf. Zum Beispiel, wieso sich die Elektronenmasse nur ergibt, wenn die Rydberg-Energie mit zwei multipliziert wird. Würde sie nur einfach gezählt, hätte der Grundbaustein eine Masse von 35 MeV. Dann lägen alle Teilchenmassen samt der von Proton und Neutron auf einer einzigen Geraden. „Irgendwo steckt ein Faktor zwei drin, warum ist noch unklar“, gesteht Greulich. „Es könnte aber ein Hinweis darauf sein, dass sich etwas paart.“
Unklar ist außerdem, warum ein Paket aus 137 Elektronenmassen stabil ist, und nicht eines aus 135, 139 oder einer anderen Menge der Teilchen. Weiter sind Elektronen negativ geladen und stoßen sich gegenseitig ab. „Wie sie zusammenhalten, also koppeln, steht noch in den Sternen“, so Greulich. „In den Atomkernen halten die Protonen zusammen, obwohl sie positiv geladen sind und sich deshalb abstoßen, weil die anziehenden Kernkräfte stärker sind als die abstoßende Coulombkraft. Eine ähnliche Wechselwirkung könnte auch in den Grundbausteinen wirksam sein. Möglicherweise wird auch etwas gepackt, das gar keine Ladung hat. Diese würde dann erst nach dem Koppeln auftauchen.“
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Hierzu müsste man aber erst einmal wissen, was eigentlich die elektrische Ladung ist. Dazu Greulich: „Genau weiß dies niemand. Wenn wir das einmal verstanden haben, dann wissen wir extrem viel. Es muss sich aber um eine feldartige Größe handeln, die nicht einmal an eine Masse gekoppelt sein muss.“ Neben der Ladung des Elektrons (der so genannten Elementarladung) gibt es indes eine weitere Ladung mit einer sehr grundsätzlichen Bedeutung, nämlich die „Planck-Ladung“. Sie besteht aus 11,7 Elementarladungen, und diese Zahl – man ahnt es – ist die Wurzel aus 137.
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Mit Hilfe der Planck-Ladung könnte den Physikern eine regelrechte Revolution gelingen, nämlich die Entwicklung eines radikal neuen Konzepts der Gravitation. Mit einigen Umformungen lässt sie sich in wenigen Rechenschritten mit dem Gravitationsgesetz verbinden. „Dies bedeutet, dass man jede Gravitationskraft auch in Form einer elektrischen Kraft ausdrücken kann“, erläutert Greulich. Die Schwerkraft wäre also nichts als eine Spielart der elektromagnetischen Kraft, oder anders gesagt: Eine Anziehungskraft zwischen Teilchen unterschiedlicher Ladung, die sich für jedes Teilchen genau ausrechnen lässt. Dazu Greulich: „ Die Gravitation gilt ja immer noch als unverstanden, plötzlich aber lässt sie sich ganz einfach erklären.“
Das ist ein gänzlich anderer Ansatz als der von Albert Einstein, der die Gravitation in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie geometrisch als Krümmung des Raums durch Massen beschreibt. Möglicherweise haben die Messungen der Raumkrümmung aber einen anderen physikalischen Ursprung. Tatsächlich glauben manche Forscher, dass alle kosmischen Objekte – vornehmlich Galaxien und Galaxienhaufen – von Wolken aus Dunkler Materie umgeben sind, die eine Art Lichtbrechung bewirken.
Massenanziehung und Antigravitation
Wenn die Gravitation in Wahrheit eine elektrostatische Anziehung ungleichnamiger Ladungen ist, müsste es aber auch gleichnamige Ladungen geben, die sich abstoßen. Dann sollte im Universum nicht nur die Massenanziehung, sondern auch eine repulsive Kraft geben, also eine Art Antigravitation. Offenbar existiert eine solche Kraft tatsächlich, in Form der Dunklen Energie, die erst in den 1990er-Jahren entdeckt wurde. Sie bewirkt, dass sich die seit dem Urknall anhaltende Expansion des Universums beschleunigt.
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Wäre die Schwerkraft wirklich ein elektromagnetisches Phänomen, könnte dies ungeheure Konsequenzen haben. Denn der Elektromagnetismus lässt sich technisch nutzen, wie jeder Druck auf den Lichtschalter beweist. Ließe sich dies auf die Gravitation übertragen, würde eines fernen Tages womöglich auch sie beherrschbar. Dann gäbe es beispielsweise die Möglichkeit, Antigravitations-Aggregate zu bauen, die unter anderem Raumschiffe antreiben könnten.
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Greulichs Theorie hat überdies das Potenzial, noch ein anderes grundlegendes physikalisches Problem zu lösen: Woher haben die Teilchen ihre Masse? In der konventionellen Kernphysik sehen die Forscher den so genannten Higgs-Mechanismus am Werk, benannt nach dem schottischen Physiker Peter Higgs. Er glaubt, dass ein geheimnisvolles Energiefeld den Kosmos durchdringt. Mit diesem treten die Teilchen in Wechselwirkung. Bewegen sie sich hindurch, wird das Feld um sie herum verzerrt. Es ist, als ob sie durch eine Art Sirup fliegen. Die dabei auftretenden Trägheitskräfte verleihen den Partikeln ihre Masse.
Wird das Feld energetisch angeregt, entsteht ein Teilchen, das so genannte Higgs-Boson. An Teilchenbeschleunigern wie dem LHC, der am europäischen Kernforschungszentrum Cern bei Genf installiert ist, suchen die Forscher fieberhaft nach diesem Partikel. Vor kurzem legten die Cern-Physiker eine Zwischenbilanz ihrer Jagd vor. Dingfest machen konnten sie das Higgs-Boson noch nicht, doch die Messungen bei einem ihrer beiden riesigen Detektoren ergaben, dass seine Masse im Bereich zwischen 116 und 130 GeV liegen sollte. Der zweite Detektor fand ein Intervall zwischen 115 und 127 GeV.
Wetten auf das Higgs-Boson
Die von dem Jenaer Forscher entwickelten Gleichungen ergeben dagegen eine Masse von 128,7 GeV. „Sie wird durch den Faktor alpha bestimmt, der immer wieder auftaucht. Wir müssen nur die Masse des Protons von 0,94 GeV mit 137 multiplizieren“, sagt ihr Erfinder. Es darf gewettet werden, welche Masse das Higgs-Boson letztendlich wirklich hat. Im Lauf dieses Jahres sollte der LHC die nötigen Daten liefern.
Auch das Higgs-Boson lässt sich auf der Geraden mit den Teilchenmassen auftragen. „Zur Erklärung, wie die Partikel ihre Masse erhalten, benötigen wir es aber nicht mehr“, urteilt Greulich. „Sie ergibt sich vielmehr aus der den Teilchen innewohnenden Energie, wiederum darstellbar mit der Formel E=mc2. Die Masse erscheint also als intrinsische Eigenschaft der Materie und wird ihr nicht von außen zugeführt, etwa durch das Higgs-Feld.“
Um seine Gedanken anschaulich zu machen, ersann Greulich eine Art magisches Quadrat. An den Eckpunkten liegen die Massen von Proton, Elektron, Higgs-Boson und dem neuen Grundbaustein der Materie. Sie sind verknüpft durch alpha, also 137, eine weitere Konstante namens beta, die das Massenverhältnis von Proton und Elektron beziffert (das Proton ist 1836 mal so schwer wie das leichte Elektron), sowie die Rydberg-Energie. „Diese Größen genügen, um alle Partikelmassen zu verstehen“, betont Greulich. Tatsächlich gleicht das Verhältnis von Higgs-Masse und Grundbaustein dem von Proton und Elektron.
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Kann das Modell des Professors aus Jena nun endlich erklären, was die Welt im Innersten zusammenhält? Greulich winkt ab. „Unser physikalisches Weltbild wird dadurch keinen neuen Unterbau erhalten, aber es wird stark vereinfacht“, resümiert er. Das ist eher untertrieben. Tatsächlich wurden die Theorien der Kosmologen und Teilchenphysiker immer komplizierter. Die String-Theorie etwa beschreibt die Partikel als winzige eindimensionale Fäden, die je nach ihrem Schwingungszustand die vielen verschiedenen Elementarteilchen ergeben. Sie sollen aber nicht in drei, sondern in zehn Raumdimensionen schwingen. Die Mathematik der Theorie ist so komplex, dass nur wenige Experten sie beherrschen, auch ist sie bar jeder Anschaulichkeit.
Der Grundbaustein der Materie, den Greulich ersann, verweilt dagegen getreu in unserer vertrauten Raumzeit. Zudem lassen sich in seiner Theorie die Teilchenmassen mit einfachen Gleichungen berechnen, die so wenige Zeilen umfassen, dass sie fast auf einen Bierdeckel passen. Sie sind auf Greulichs Internetseite nachzulesen, die über die Homepage des Fritz-Lipmann-Instituts erreichbar ist (http://www.fli-leibniz.de/www_kog/index.html). Dass noch kein anderer Physiker auf diese Zusammenhänge stieß, erscheint wahrhaft erstaunlich.
Das Modell ist also, wie von den Physikern gefordert, einfach und „schön“, und es erklärt zwanglos viele physikalische Zusammenhänge. Albert Einstein sagte einmal: „Die meisten Grundideen der Wissenschaft sind an sich einfach und lassen sich in der Regel in einer für Jedermann verständlichen Sprache wiedergeben.“ Auf das Zahlenspiel mit der Feinstruktur-Konstante alpha und dem Elektron trifft dies jedenfalls zu.
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