Diese Haltung hat sich in den letzten Jahren geändert. Die Grenzen unseres Wissens verschoben sich durch neue Modelle der Entstehung, Struktur und Entwicklung des Universums. Anhand der neuen Erkenntnisse riskieren einige Forscher einen – zumindest theoretischen – Blick über unser Universum hinaus und damit auch zurück in mögliche Welten vor den Urknall. Nach konventioneller Lehrmeinung entstanden darin Raum, Zeit und die Materie gleichzeitig. Davor könne nichts Materielles existiert haben. „Zu fragen, was war vor dem Beginn des Universums“, sagte einmal der britische Physiker Stephen Hawking, „ist so sinnlos wie die Frage: Was ist nördlich vom Nordpol?“
Diese Haltung hat sich in den letzten Jahren geändert. Die Grenzen unseres Wissens verschoben sich durch neue Modelle der Entstehung, Struktur und Entwicklung des Universums. Anhand der neuen Erkenntnisse riskieren einige Forscher einen – zumindest theoretischen – Blick über unser Universum hinaus und damit auch zurück in mögliche Welten vor den Urknall. Nach konventioneller Lehrmeinung entstanden darin Raum, Zeit und die Materie gleichzeitig. Davor könne nichts Materielles existiert haben. „Zu fragen, was war vor dem Beginn des Universums“, sagte einmal der britische Physiker Stephen Hawking, „ist so sinnlos wie die Frage: Was ist nördlich vom Nordpol?“
Die Urknall-Singularität
In diesem Punkt null der Schöpfung rennen die Forscher gleichsam an eine Wand. Sie bekommen es nämlich mit der so genannten Urknall-Singularität zu tun. Diese ergibt sich aus der Relativitätstheorie, die beschreibt, wie sich das seit dem Urknall auseinander fliegende All durch das Wirken der Schwerkraft entwickelt. Lässt man den Film der Expansion rückwärts laufen, stürzt alle Materie (Sterne, Galaxien, Gaswolken) am Ende in einem winzigen Raumgebiet zusammen. Der Druck und damit die Temperatur werden darin extrem hoch und gehen schließlich gegen unendlich. Diesen Zustand – er herrscht auch in Schwarzen Löchern – nennen die Physiker „Singularität“. Hätte es eine Vor-Urknall-Welt gegeben, wäre jede Information darüber in dieser Gluthölle verloren gegangen.
Unendliche Größen sind unsinnig
Doch unendliche Größen im Universum sind unphysikalisch und somit unsinnig. Deshalb wollen die Astrophysiker die Singularität nach Kräften umgehen. Einer der ersten Versuche war die Theorie vom Urschwung. Sie stammt von den Bonner Astronomen Wolfgang Priester (er starb im Juli 2005) und Hans-Joachim Blome, der heute an der Fachhochschule Aachen lehrt. Priester hat mir seine Überlegungen bei einem Interview Anfang der 1990er-Jahre an einem wunderschönen See in Österreich erklärt, wo ich ihn in seinem Urlaub besuchte.
Vor dem Urknall, glaubte er, gab es ein anderes Universum. Es bestand ewig, enthielt aber keine Materie, sondern war von Quantenfeldern erfüllt, die aus reiner Energie bestanden. Dieser Kosmos kontrahierte langsam, bis er auf ein winziges Volumen mit hoher (aber nicht unendlicher) Energiedichte geschrumpft war. Die geballte Energie detonierte, die Explosion brachte nun die Materie hervor. Das war der „Urschwung“ – ein etwas sanfterer Urknall, in dem das ursprüngliche Universum in unseres überging. Andere Forscher meinten, dass der Kosmos zyklisch schrumpft, diese Durchgangsphase durchläuft und wieder expandiert, bevor ihn die Schwerkraft seiner Massen abermals bremst und sie in einem Endknall zusammenstürzen. Diese Zyklen könnten schon seit ewiger Zeit ablaufen.
Ein Blick in die Zeit vor der Zeit
Neuerdings versuchen einige Kosmologen, mithilfe der „Schleifen-Quantengravitation“ einen Blick in die Zeit vor der Zeit zu erhaschen. Sie umschifft die Urknall-Singularität besonders elegant. Die Theorie entstand bei dem Versuch, die Relativitätstheorie mit der Quantentheorie zur „Quantengravitation“ zu vereinigen. Dieses Formelwerk wäre die lange gesuchte Weltformel, die alle physikalischen Vorgänge im Kosmos beschreibt.
Der Schleifen-Quantengravitation zufolge setzt sich der Raum aus winzigen Quanten zusammen. Er ist nicht mehr glatt und kontinuierlich, sondern gekörnt wie ein fotografischer Film, denn er besteht aus winzigen, zusammenhängenden Elementen. Diese Struktur sitzt nicht im Raum, sie ist der Raum. Solche Raumquanten messen gerade eine Planck-Länge. Diese kleinste im Universum mögliche Ausdehnung beträgt 10 hoch -33 (ein billionstel trilliardstel) Zentimeter. Diese Abmessungen sind sehr klein, aber endlich, und sie können auch im Urknall nicht unterschritten werden.
„Das Universum hat keinen Anfang, es existierte ewig“
Umgekehrt werden Dichte und Temperatur in einem Planck-Volumen extrem hoch, aber nicht unendlich. Damit sind die Kosmologen die lästige Singularität los. Eine Konsequenz davon errechnete der junge Astrophysiker Martin Bojowald, der in den USA forscht. „Wir können die Zeit jetzt weiter zurückverfolgen, über den Urknall hinaus – sogar so lange, bis wir die negative Unendlichkeit erreichen“, erläutert er. „Das Universum hat somit keinen Anfang, es existiert ewig.“
Wiederum wäre der Urknall nur ein Durchgangsstadium gewesen, in dem sich ein früherer Kosmos in unser All umwandelte. In dem Spiegeluniversum könnte es Sterne und Galaxien gegeben haben – und vielleicht sogar Leben. Im Lauf der Äonen zog es sich durch die Schwerkraft seiner Massen zusammen, bis es die geringstmögliche Ausdehnung erreicht hatte. Seine Existenz endete in jenem Feuerball, der unseren Kosmos gebar.
Ein unendliches Netzwerk von Universen
Womöglich ist unser Kosmos jedoch nur eine Blase in einem unendlichen Netzwerk von Universen. Dieses Bild skizziert der kanadische Astrophysiker Lee Smolin. Sterbende Riesensterne, so seine Idee, könnten jeweils ein „Baby-Universum“ erzeugen. Am Ende seines Daseins kollabiert ein massereicher Stern unter dem Einfluss seiner Gravitation. Sein Zusammensturz endet in einem Schwarzen Loch. Laut der Schleifen-Quantengravitation – Smolin ist einer ihrer Miterfinder – schnurrt der kollabierende Raum auf ein Planck-Volumen zusammen. Dies entspricht dem Urknall, wobei sich ein neues Universum öffnet. Allein in unserer Milchstraße gibt es unzählige Schwarze Löcher. Träfe Smolins Idee zu, hätte jedes davon ein neues All geschaffen. Auch unser eigenes wäre durch einen Sternentod in einem Vorläuferkosmos geboren.
Das Universum schuf sich selbst
Phantastischer noch ist die Schöpfungsgeschichte, die der US-Physiker John Richard Gott und sein chinesischer Kollege Li-Xin Li ersannen. Darin erschuf sich das Universum quasi selbst. Es könnte aus einer geschlossenen Zeitschleife hervorgegangen sein, in der die Zeit keine Richtung hatte wie heute (von der Vergangenheit zur Zukunft), sondern endlos kreiste. Das All hätte dann einen Anfang, aber keinen ersten Moment.
In diesem Modell gleicht die Raumzeit einem Stamm, von dem ein Ast abzweigt und zur Wurzel des Stamms wird (solche selbstbezüglichen Abläufe hat der niederländische Künstler M. C. Escher in vielfältiger Weise gezeichnet). Die Zeitschleife maß gerade eine Planck-Länge und war mit Quantenfeldern angefüllt. Schließlich gab es eine zufällige „Quantenfluktuation“: Ein Quantenfeld änderte sprunghaft seinen Energiewert. Dies unterbrach das endlose Kreisen der Zeit. In einem ersten Urknall sprang ein Kosmos in eine raumzeitliche Existenz, von dem sich weitere Universen – darunter auch unseres – abspalteten.
Dass das All aus einem mit fluktuierenden Feldern angefüllten Raum hervorging, glaubt auch der deutsche Kosmologe Holger Börner. Einzelne Gebiete darin können nach einem „lokalen Urknall“ rasch expandieren. Ein Problem aber bleibt: „Der Raum müsste schon ewig bestehen. Doch was ewig existiert, muss man nicht erklären“, sagt Börner. „Die Antworten auf die Fragen nach dem Ursprung der Welt verlieren sich so in der Unendlichkeit.“
Begriffe wie Ewigkeit übersteigen unsere Vorstellungskraft
Werden wir je eine Chance haben, den Anfang der Welt wirklich zu verstehen, ob nun im Urknall oder darüber hinaus? Schließlich übersteigen Begriffe wie Ewigkeit und Unendlichkeit unsere Vorstellungskraft bei weitem. Eine Annäherung, glaube ich, ist dennoch möglich. Immerhin gelang uns mit den heutigen Möglichkeiten schon ein winziger Blick über den Tellerrand unseres Kosmos. Diese Perspektive könnte sich mit neuen Teleskopen und Supercomputern noch beträchtlich erweitern. Ist aber das „wie“ der Schöpfung verstanden, bleibt noch die Frage, warum das Universum entstand. Sieht man vom Glauben an einen Schöpfergott ab (woher kommt übrigens er?), dürften wir spätestens da an die endgültige Grenze der menschlichen Erkenntnisfähigkeit stoßen.
Quelle:
http://www.focus.de/Aber von nichts kommt nix es gibt einen Gott sag ich ^^