Nemon schrieb:Die Definition von "Hypercanivore" sortiert diesen als jemanden ein, der mindestens 70% Fleisch bzw. tierische Nahrung zu sich nimmt. Wo ist belegt, dass der Neanderthaler dies nicht erfüllt?
OK, ich hab das falsch in Erinnerung gehabt (und daß es im Vid so vorkam, hatte ich übersehen). Hypercarnivor hatte ich abgespeichert als hauptsächlich fleisch fressend und nur gelegentlich etwas Pflanzenkost (vergleiche Hunde, die, wenn sie rein fleischlich ernährt werden, immer wieder mal an Pflanzen knabbern). Aber 70+ % hypercarnivor? OK. Das unterscheidet den Neandertalensis freilich überhaupt nicht vom zeitgleichen Sapiens.
Nemon schrieb:und man begann wohl an den Küsten auch verstärkt damit, Fisch zu fangen.
Was heißt "begann". Wohl eher "beginnen" wir heute, endlich zu begreifen, daß HN nicht der 90-
plus-%-Fleischfresser ist ("wie Wölfe"), als der er noch 2005 z.B. von Michael Richards von der kanadischen Simon Fraser University und Ralf Schmitz von der Universität Tübingen dargestellt wurde.
Oft genug lebte der Neandertaler in Regionen bzw. in klimatischen Phasen, in denen er an tierischer Beute weitestgehend nur auf solche Zugriff hatte, welche wenig bis nahgezu gar keinen Fettanteil besaßen. Ohne Fettzufuhr treten aber bei mittelfristig mehr als 35% Anteil tierischer Proteine an der Nahrung bedrohliche Vergiftungserscheinungen durch Stickstoffverbindungen auf, die letztlich zum Tode führen. Da fragt man sich dann doch, wie da ein hypercarnivor lebender Homo überleben konnte. Zum einen kann Fett diesem Problem entgegenwirken - zum anderen Stärke. Zahnsteinuntersuchungen, aber ebenfalls Analysen von Neandertaler-Kot zeigten, daß der Neandertaler - und das sogar regions- wie epochenübergreifend, ca. 20% seines Nahrungsbedarfs damit deckte. Ja, er kochte das Zeugs sogar. Aß neben Stärke aber auch sonstige Pflanzenkost, Kräuter, Früchte, Wurzeln, Knollen, Hülsenfrüchte...
Na jedenfalls verzehrte der Neandertaler an der Mittelmeerküste ebenso Muscheln, ja sogar Robben und Delfine. Eben: er paßte sich stets der regionalen Speisekarte an, war alles andere als festgelegt auf "90% Mammutschnitzel, oder ich sterb aus!"
Im Gegenteil. In einer Region, wo beide Menschenarten in relativer Nähe zueinander lebten, war zu einer bestimmten Zeit die Großtierfauna stark zurückgegangen. Forscher stellten fest, daß bei menschlichen Siedlungen die weggeworfenen Knochen auf einen erheblichen Anteil an Kaninchennahrung hinwiesen; bei den Neandertalerlagern fand sich hingegen kein erhöhter Kaninchenknochenanteil. Die Forscher damals: Der Neandertaler war nicht intelligent, nicht sprachbegabt genug, um den Fleischmangel durch Kaninchenjagd zu kompensieren, daher starb er aus. Klassisches Fachidiotentum! Denn die oben angesprochenen Vergiftungserscheinungen bei fettarmer Fleischkost haben einen sehr beredten Namen:
Kaninchenhunger! Der Neandertaler war klüger als sein Vetter nebenan, er vermied es, den Fleischmangel schwerpunktmäßig durch Kaninchenfleisch zu kompensieren.
Nemon schrieb:Vielleicht wären im Kontext Temperaturen auch noch die Denisovas zu erwähnen:
Yepp, die scheinen besser mit Kälte klargekommen zu sein. Und mit höhenbedingtem Sauerstoffmangel, wie's scheint. Was dort hinten und noch weiter östlich beides oft Hand in Hand ging.