Link: www.spiegel.de (extern)Hab ich grad gefundsen:
UNTERKÜHLTES WASSER
Forscher haltenSchonfrosten von Menschen für möglich
Von Holger Dambeck
Organe oderganze Menschen einfrieren, um sie Jahre später wieder aufzutauen und zum Leben zuerwecken - finnische Forscher halten das für möglich. Ein spezielles Abkühlverfahren solldie gefährliche Kristallbildung in den Zellen verhindern.
Anatoli Bogdan glaubtan eine Science-Fiction-Vision. Die sogenannte Kryokonservierung, also das Einfrieren vonOrganen oder Menschen über Jahrzehnte und anschließendes Auftauen und Wiederbeleben, seiprinzipiell machbar, schreibt der Physiker in der Juli-Ausgabe des Fachblatts "ACSJournal of Chemistry B".
Alcor Life Extension Foundation: Eine Mitarbeiterinsteht vor Behältern, in denen gefrorene Körper gelagert werden
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Alcor Life Extension Foundation: Eine Mitarbeiterin steht vor Behältern, in denengefrorene Körper gelagert werden
Im Film klappt die Kryokonservierung natürlich schonlange. So ließ sich der Spezialagent Austin Powers in den sechziger Jahren einfrieren, umdie Wiederkehr seines Widersachers Dr. Evil abzuwarten, der sich für 30 Jahre ins Allgeflüchtet hatte.
In der Realität ist die Idee umstritten, Menschen mitunheilbaren Krankheiten so lange einzufrieren, bis eine Therapie verfügbar ist. Bislangist die Medizin von einem solchen Vorhaben aber noch weit entfernt. Das Einfrieren vonOrganen gestaltet sich schwierig. Denn dabei bilden sich Eiskristalle, welche die Zellenbeschädigen. Nur in wenigen Fällen, etwa bei Spermien oder Eizellen, gelingt dieKryokonservierung schon.
Die Probleme beim Einfrieren von Organen lassen sichjedoch womöglich lösen, schreibt Bogdan, der an der Universität Helsinki forscht. Er hatim Labor mit unterkühltem, glasartigen Wasser experimentiert. Es entsteht, wenn manflüssiges Wasser weit unter den Gefrierpunkt abkühlt, ohne dass sich Eis bildet. DasWasser gerät vielmehr in einen glasartigen Zustand.
"Zellen unbeschädigt"
Bogdan kühlte feine Tropfen einer wässrigen Schwefelsäure-Lösung sehr langsam ab undbrachte die Wassermoleküle so in den gewünschten unterkühlten Zustand. Der Vorgang seiumkehrbar, berichtet der Physiker.
Mit dem richtigen Wasserzusatz könnten Zellenin Pflanzen und lebende Organe das starke Abkühlen schadlos überstehen, erklärte Bogdan.Normalerweise bilden sich beim Abkühlen von Zellen darin kleine Eiskristalle. Dabei wirddas Wasser von den übrigen Zellbestandteilen separiert. "Wenn wir das durch langsamesAbkühlen und Aufwärmen die Kristallbildung verhindern können, dann bleiben die Zellenunbeschädigt", sagte Bogdan.
Der Wasserexperte Ralf Ludwig von der UniversitätRostock bezweifelt jedoch, ob die in Helsinki entwickelt Methode tatsächlichfunktionieren kann. Bislang könnten nur Enzymproteine und Blut für pharmazeutische undmedizinische Anwendungen eingefroren werden werden. Dies gelinge durch das Hinzufügen vonsogenannten Kryoprotektoren, das sind Frostschutzmittel wie Glycerin, Dimethylsulfoxidoder Zucker, die die Zellen frostbeständig machten.
Zweifel am Verfahren
"So behandelte Enzymproteine verlieren aber in kurzer Zeit ihre biologischeFunktion", sagte Richter im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Ein grundsätzliches Problembestehe darin, die Kryoprotektoren nach dem Auftauen wieder zu entfernen und diebiologische Funktionsfähigkeit der Zellen zu erhalten.
Den von Bogdanverwendeten Kryprotektor Schwefelsäure hält Ludwig für ungeeignet: "Von der Möglichkeitder Konservierung von Zellen, Gewebe oder sogar dem ganzen Körper ist dieser Vorschlagweit entfernt." Die Säure sei vor allem viel zu hoch konzentriert.
"In einersolch saueren Lake kann man gar nichts konservieren", sagte der Rostocker Physiker.Zellen, Organe und Körper würden sich darin zügig zersetzen. Es gebe jedoch anderewässrige Lösungen, die sich ausgezeichnet reversibel unterkühlen ließen, räumte er ein.
Bizarre Blüten treibt das Einfrieren von Menschen bereits heute in den USA.Obwohl bislang kein Verfahren zum Wiederbeleben existiert und eine Schädigung der Zellenwahrscheinlich ist, zahlen Amerikaner über Hunderttausend Dollar an Anbieter wie Alcoroder Cryonics Institute, um ihre Körper nach dem Tod in flüssigem Stickstoff lagern zulassen. Die Kryonik-Anhänger hoffen auf eine Wiedergeburt, und zwar dann, wenn Forscherirgendwann einmal Mittel und Wege gefunden haben, die tiefgekühlten Leiber wieder zumLeben zu erwecken. Ob das je gelingt, ist ungewiss. Die Leichen werden mit Zusatz vonFrostschutzmittel konserviert.
Leichen konserviert im Kühlbehälter
Wasser kann prinzipiell aber auch ohne Zusätze unterkühlt werden. Um glasartigesWasser auf diese Weise zu erzeugen, sind jedoch hohe Abkühlraten erforderlich. Das unterden Gefrierpunkt abgekühlte Wasser befindet sich dann nicht mehr in einemthermodynamischen Gleichgewicht, betonte Ludwig, sondern in einem metastabilen Zustand."Eine kleine Erschütterung kann zur Bildung eines Kristallisationskeims führen."
Man könne das auch zu Hause beobachten, wenn man eine Flasche Wasser bei Frost kurznach draußen gestellt habe. "Holt man die Flasche nach drinnen und öffnet sie, dannquillt einem plötzlich das Eis entgegen, das sich bei der Erschütterung bildet."
Die Physik von unterkühltem, glasartigen Wasser ist ein hochinteressantes Phänomeneiner Verbindung, die mit ihren Anomalien Physiker und Chemiker bis heute beschäftigt.Als mögliche Erklärung für die Anomalien, etwa jene, dass die Dichte des Wassersunterhalb vier Grad Celsius abnimmt, gelten sogenannte metastabile Phasen. Bei niedrigenTemperaturen sollen zwei flüssige Wasserphasen existieren, die sich in einem kritischenPunkt treffen - so zumindest die Hypothese der Wissenschaftler.
Korrektur: Imletzten Absatz hieß es fälschlicherweise, die Dichte von Wasser nehme unterhalb vier Gradzu. Sie nimmt jedoch ab. Es ist das Volumen, das bei konstanter Masse zunimmt.