Link: www.walentowski.de (extern) (Archiv-Version vom 10.04.2005)Hi Scottie....
Hier ist ein beitrag zur Weltformel.....
Auf der Suche nach der Weltformel
Alchimie
Jahrhundertelang suchten die Alchimisten ununterbrochen nach dem Stein der Weisen. Er war eine Substanz, von der sie überzeugt waren, sie könnten sie mit göttlicher Hilfe herstellen, indem sie bestimmte Rohmaterialien komplexen und ausgedehnten chemischen Prozessen unterzogen. Das Problem war, die richtigen Rohmaterialien und die korrekten chemischen Prozesse zu finden. Es gab die weitverbreitete Überzeugung, daß das Universum von einem Geist durchdrungen sei, der alles miteinander verband. Alchimisten glaubten, dieser Geist könne irgendwie nachproduziert und zu einer magischen Substanz komprimiert werden, die sie den Stein der Weisen nannten.
Eine der größten Schwierigkeiten, auf die man bei der Untersuchung der Entwicklung der Alchimie stößt, ist die Tatsache, daß die Bücher und Handschriften, welche die Substanzen, die benutzt werden müssen, und die chemischen Prozesse, die befolgt werden müssen, beschreiben, in einer derart dunklen, symbolischen Sprache abgefaßt sind. Sie ließen häufig viele verschiedene Interpretationen zu und waren selbst für erfahrene Alchimisten verwirrend.
Musik
Im Mittelalter suchte man die Sphärenharmonie in der Musik. Sie war eine der sieben freien Künste, die in den Klosterschulen gelehrt wurde. Die musica mundana beschäftigte sich mit dem Lauf der Gestirne, dem Gefüge der Elemente und dem Wechsel der Zeiten. Die Proportionen der verschiedenen Teile zueinander stellten die "Himmelsmusik" dar, in der die Größe und Harmonie Gott des Schöpfers sichtbar wurde. In der "machina mundi" sah man eine Art Weltformel.
Symphonie der Superstrings
In Potsdam traf sich in der Woche vom 19. - 24. 7. 99 die Elite der Physik. Ihr Ziel: all ihr Wissen um die Materie in eine Gleichung zu fassen. Die Umrisse der Weltformel glauben sie bereits erkennen zu können: In ihrem Innersten besteht das Universum demnach aus vibrierenden Superstrings.
Strings '99 in Potsdam war die elfte in der Reihe der "Strings" Konferenzen. Die Tradition der Stringtheoretiker, sich alljährlich auf einer internationalen "Strings" Konferenz zum Austausch neuer Ideen und Ergebnisse zu treffen, nahm ihren Anfang 1985 in Argonne, USA. Im Vorjahr hatten die Physiker John Schwarz und Michael Green die erste Revolution in der Stringtheorie eingeleitet, die hoffen ließ mit Hilfe der Stringtheorie, Quanten- und Gravitationstheorie miteinander zu verbinden. Die Konferenz Strings 1995 in Los Angelos war dann Schauplatz der zweiten Revolution: Edward Witten zeigte, daß sich alle Stringtheorien zu einem Gedankengebäude vereinen lassen. 1997 findet die Strings Konferenz in Amsterdam, und damit erstmals in Europa statt. 1999 ist Deutschland Gastgeber, und etabliert sich damit als bedeutender Teilnehmer an der Suche nach der Weltformel.
Edward Witten, das Physik-Genie aus Princeton, und seine Kollegen träumen von einer einzigen mathematischen Gleichung, deren Lösung die gesamte Welt beschreibt. Sie erlaubt es, unvorstellbar winzige fadenförmige Gebilde zu beschreiben, die in einem verschlungenen 10- oder 11dimensionalen Raum vibrieren. Aus den Klängen dieser "Superstrings" setzt sich eine Symphonie zusammen, die den Namen "Universum" trägt.
Das vermessen klingende Ziel haben die Amerikaner die "Theory of Everything" getauft. Die Deutschen nennen es schlicht die "Weltformel".
Diese Gleichung, so hoffen die String-Forscher, werde die schönste aller denkbaren sein so schön, daß allein ihre Schönheit der Beweis für ihre Wahrheit sei.
Es ist der Glaube an die Existenz dieser Weltformel, der die theoretische Physik beseelt.
Genährt wird er durch die spektakulären Erfolge der Vergangenheit. War es nicht dem Briten Isaac Newton schon vor gut 300 Jahren gelungen, alles Wissen über die Planetenbahnen in eine einzige Gleichung zu bannen, die zugleich auch noch den Flug einer Kanonenkugel korrekt vorhersagte? Hatte nicht sein Landsmann James Clerk Maxwell 200 Jahre später sämtliche elektrischen und magnetischen Phänomene in einem einfachen Regelwerk von Formeln vereint, das zudem noch das Wesen des Lichts enträtselte?
Jetzt regt sich die Hoffnung, die Physik könne bald am Ende ihres großen Abenteuers angekommen sein. Viele der in Potsdam Versammelten glauben, am Horizont bereits die Konturen jener Formel erkennen zu können, der ihre Zunft seit mehr als 300 Jahren hinterhergejagt ist. "Die Schrift", meint Witten, "steht an der Wand." Das zur Vollendung benötigte Werkzeug sei die mathematische Beherrschung der Superstrings.
Doch indem sich die Weltformel allmählich der Neugier der Physiker zu entbergen beginnt, offenbart sie sich als so sinnlos wie grandios. Vermutlich wird der Mensch niemals einen praktischen Nutzen aus ihr ziehen können. Manch einer bezweifelt sogar, daß sich ihre Wahrheit mit Experimenten überhaupt wird beweisen lassen. Sicher scheint zudem: Ihre Schönheit wird sich nur einer winzigen Zahl von Experten erschließen.
Der entscheidende Durchbruch kam mit der Idee, Naturgesetze in der Sprache der Mathematik zu formulieren. Galilei tat es als erster, Kepler hatte damit Erfolg, und Newton brachte die methode mit seiner Differentialrechnung zur Vollendung.
Doch eine Frage bleibt: Woher wissen wir, daß die mathematische Sprache die Wirklichkeit 1 : 1 widerspiegelt - wo doch selbst die klügsten Köpfe bei hochkomplexen Formeln an die Grenzen des Verstandes stoßen?
Im Jahre 1916 veröffentlichte Einstein die allgemeine Relativitätstheorie. Sie verschweißt Raum, Zeit und Materie untrennbar zu einem Ganzen. Unter dem Einfluß von Massen, so Einstein, verformen sich Raum und Zeit. Die Dellen und Beulen im Raum bestimmen ihrerseits, wie sich Massen bewegen.
Physiker preisen die Relativitätstheorie bis heute als schönstes aller wissenschaftlichen Gedankengebäude. Doch die Schönheit hatte ihren Preis: Einstein sprengte die Grenzen menschlicher Vorstellungskraft. Einzig dank eleganter mathematischer Formeln gelingt es, einen in sich gekrümmten Raum zu begreifen. Sinnlich vorstellen können sich das selbst Physiker nicht.
Angesichts dieser Dimensionen kapituliert der allein auf seine Anschauung angewiesene Geist. Erst die Mathematik machte es möglich, die Geheimnisse des Mikrokosmos zu lüften. Als erster kam ihnen der junge Werner Heisenberg auf die Spur. Mit vom Heuschnupfen geschwollenen Augen floh er im Jahre 1925 für zwei Wochen aus dem von blühenden Wiesen umgebenen Göttingen auf die kargen Felsen Helgolands.
Wie Einstein, so hatte auch Heisenberg den Eindruck, daß er sich von allem befreien müsse, was seine Vorgänger für naturgegeben hielten. Seit Jahren schon hatten sich die Physiker vergeblich bemüht zu begreifen, warum Elektronen den Atomkern nur auf ganz bestimmten Bahnen zu umschwirren schienen. Erst Heisenberg stellte die Frage: Wissen wir überhaupt, ob es wirklich Bahnen sind?
Er beschloß, Gleichungen zu formulieren, in die er nichts einfließen ließ, was er nicht mit Sicherheit wußte. Bald stellte er fest, daß der Begriff einer Bahn seinen Sinn verlor. Die Gegenwart der Elektronen ist gleichsam über den Raum verschmiert.
Helgoland wurde auf diese Weise zum Geburtsort der Quantenmechanik. Sie und die Einsteinsche Relativitätstheorie bilden seither die beiden Säulen der modernen Physik. Erfolgstrunken glaubten die Forscher, nun sei die Zeit reif, diese Pfeiler mit einer Kuppel zu überwölben: Der Begriff "Weltformel" wurde geprägt.
Heisenberg glaubte sich 1958 am Ziel: Vollmundig trat er vor die Weltöffentlichkeit. Ehrfürchtig lauschten vor allem die Deutschen seinen unverständlichen Worten. Schließlich war er der größte Physiker, der ihnen nach dem Kriege geblieben war.
In der Fachwelt jedoch wurde Heisenbergs "Weltformel" zur Blamage. "Niemand bestreitet, daß diese Idee verrückt ist. Die Frage ist nur, ob sie verrückt genug ist", spottete Niels Bohr, die damals angesehenste Autorität auf dem Gebiet der Quantenmechanik.
Auch Einstein widmete sich die letzten drei Jahrzehnte seines Lebens dem großen Vereinigungswerk. Einsam in seine Gedankenwelt eingesponnen, starb er 1955, ohne der Nachwelt die ersehnte Urgleichung hinterlassen zu können.
Inzwischen ist die Verwirrung über den "Teilchenzoo", wie ihn die Forscher entnervt nannten, gewichen. Anfang der siebziger Jahre ist es gelungen, all der Vielfalt mikroskopischer Phänomene ein Regelwerk von Naturgesetzen überzustülpen, das unter dem Namen "Standardmodell der Materie" bekannt ist.
Ihm zufolge gibt es nicht mehr als drei Sorten von Teilchen: die Verwandten der Elektronen, der Quarks und der Photonen. Diese wiederum wechselwirken durch vier verschiedene Kräfte:
Die elektromagnetische Kraft; sie bindet Elektronen an den Atomkern; ihr ist das Funktionieren von Fernseher und Computer ebenso zu danken wie die Existenz von Farben und Radiowellen.
Die starke Kraft; sie hält den Atomkern zusammen; sie facht die Glut der Sonne an, wird aber auch bei der Explosion von Atombomben entfesselt.
Die schwache Kraft; sie ist eng mit der elektromagnetischen Kraft verwandt, ist aber viel schwächer und äußert sich nur eim radioaktiven Zerfall; sie blieb dem Menschen deshalb lange verborgen, erst mit dem Einsatz von radioaktiven Markern lernte er, sie medizinisch zu nutzen.
Die Schwerkraft oder Gravitation; sie hält die Masse der Erde zusammen; ohne sie würde die Sonne, das Planetensystem, ganze Galaxien auseinanderplatzen.
Nachdem sie dieses Regelwerk verfaßt hatten, hätten sich die Physiker eigentlich zur Ruhe setzen können: Sämtliche Phänomene werden durch das Standardmodell beschrieben. Nicht ein einziges Experiment ist bekannt, daß seinen Gleichungen eindeutig widersprechen würde.
Dennoch fehlt ihm eine Eigenschaft, die einer Weltformel nach Überzeugung der Theoretiker zu eigen sein muß: Es entbehrt jener Schönheit, die es zwangsläufig erscheinen ließe.
Vor allem aber wurmt die Forscher, daß die beiden Pfeiler der Physik die Quantenmechanik und die Einsteinsche Gravitationstheorie nicht miteinander vereinbar sind. "Die Quantenmechanik beschreibt den Mikrokosmos, die Relativitätstheorie den Makrokosmos", so erklärt Hermann Nicolai, der die Konferenz in Potsdam mitorganisiert hat, das Dilemma. "Nur leider paßt beides nicht zusammen."
Normalerweise macht sich der Widerspruch beider Theorien nicht bemerkbar. Nur im Urknall berührten sich kurzzeitig Mikro- und Makrokosmos. Seine Urgewalt vermag das Standardmodell nicht vollständig zu beschreiben.
Für die Dauer eines winzigen Sekundenbruchteils, nachdem das Universum vor rund 15 Milliarden Jahren in einem Feuerball entstanden war, herrschte eine Gluthitze, bei der bisher jede Theorie versagt. Damals müssen Myriaden von Teilchen existiert haben, die seither ausgestorben sind, weil es ihnen zu kalt wurde.
Geradezu verzweifelt mutet das Bemühen der Physiker an, ein Fenster zu finden, das ihnen einen Blick in diese Brutkammer des Universums erlaubt.
Doch die Sicht ist ihnen verstellt: Etwa 500 000 Jahre nach dem Urknall nämlich schieden sich Licht und Finsternis es entstand die sogenannte Hintergrundstrahlung, die das gesamte All erfüllt. Zwar gibt sie viele interessante Einzelheiten über die Galaxienentstehung preis, zugleich aber versperrt sie als undurchdringlicher Vorhang den Blick auf alles, was in den ersten 500 000 Schöpfungsjahren geschah.
Einstein stellte immer wieder die Frage: "Ich möchte gerne wissen, wie Gott die Welt geschaffen hat".
So raffiniert auch die Kunstgriffe waren, mit denen die Gelehrten versuchten, die Vermählung von Quanten- und Gravitationstheorie zu erzwingen, stets mündeten ihre Rechnungen im Nichts. Wie bei der mythischen Hydra tauchten, kaum war eine Absurdität gebändigt, an anderer Stelle neue Widersprüche auf.
Das änderte sich erst, als in den siebziger Jahren zwei Querdenker einen völlig anderen Pfad beschritten. Michael Green gelangte, gemeinsam mit John Schwarz vom California Institute of Technology (Caltech), zu der Überzeugung, daß die Gleichungen deshalb kollabieren, weil darin Teilchen als unendlich kleine Punkte betrachtet werden. Was, wenn die Teilchen eine Ausdehnung hätten? Wenn sie nicht Punkte, sondern Fäden mit einer endlichen Länge wären?
Die beiden Gedankenpioniere machten sich daran, eine Quantentheorie winziger vibrierender Fäden zu schmieden. Die größte Hürde war, daß sich die Strings weigerten, im dreidimensionalen Raum zu vibrieren. Schwarz und Green waren deshalb gezwungen, mit Gleichungen zu rechnen, in denen Zeit und Raum noch sechs weitere Raumrichtungen hinzugefügt sind so entstand eine zehndimensionale Raumzeit.
Da Schwarz und Green nicht in Zweifel ziehen wollten, daß die Welt, die sie vor sich sahen, dreidimensional ist, nahmen sie an, die Zusatzdimensionen seien eben zu so winziger Größe zusammengeknäult, daß sie der Wahrnehmung verborgen bleiben. An jeden Punkt des Raumes sei gleichsam ein sechsdimensionales, unsichtbar kleines Gebilde geheftet. Ähnlich wie ein Schlauch, aus hinlänglich großer Entfernung betrachtet, wie eine eindimensionale Linie aussieht, so löse das menschliche Auge die Feinstruktur des Raumes nicht auf.
Nach dem Urknall entfalteten sich dem Weltbild der String-Forscher gemäß nur vier Dimensionen, Raum und Zeit, um sich zu kosmischer Größe aufzublähen. Die übrigen sechs verharrten, wie nie erblühte Knospen, in ihrer Ursprungsgestalt.
Wie kein anderer verschrieb sich Edward Witten dem neuen Forschungsfeld. Die Superstrings nennt er "wundersam", "magisch", "majestätisch" oder auch "seltsam" und es klingt nicht wie Schwärmerei, sondern wie das Bemühen, ihr Wesen so gut in Worte zu fassen, wie es die Sprache erlaubt.
Sind sie "der Stein der Weisen"?
Die Existenz der Strings scheint sich jedoch jeder experimentellen Beweisbarkeit zu entziehen.
Denn die Superstrings sind kürzer als kurz. Unter einem Mikroskop, das sie so groß wie diesen Buchstaben "o" erscheinen ließe, gliche ein Atom einer ganzen Galaxie. Um sie sichtbar zu machen, müßte man den Energieinhalt eines gefüllten Autotanks auf ein einziges Teilchen konzentrieren. Ein Beschleuniger, der dazu fähig wäre, müßte selbst nach optimistischen Schätzungen Elektronen um die gesamte Milchstraße schleudern.
Auf der String-Konferenz in Los Angeles 1995 war es Witten gelungen, Licht in das Dickicht der fünf String-Theorien zu bringen. Sie alle, so verkündete er, seien nichts anderes als spezielle Erscheinungsformen eines einzigen Urgesetzes von noch größerer Schönheit und Eleganz. Und dieses müsse nicht in zehn, sondern in elf Dimensionen formuliert werden.
Ein Rätsel aber, das Albert Einstein, den geistigen Ahnen der String-Forscher, umtrieb, würde auch eine Weltformel nicht lösen helfen: "Das Unbegreifbarste des Universums ist, daß es begreifbar ist."
Literatur: Neil Powell, Die Wissenschaft der Alchimisten, Frankfurt 1980,
Spiegel Juli 1999,
P.M. Januar 1999,
Johann Grolle, Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Albert-Einstein-Institut, Potsdam
....Gruß Cyberspion....
;)