Aphantasie: fehlendes visuelles Vorstellungsvermögen

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skagerak schrieb:Ja, aber Du denkst doch in diesem Moment an einen Wald, oder nicht? Egal wie der jetzt aussieht, abr Du assoziierst das Wort mit etwas dass Du schon als Wald so kennst, oder nicht?

Puh das ist ganz schön schwierig zu erklären. Ich hoffe ich kann mich diesbezüglich verständlich artikulieren..
Also
Da erscheint kein direktes Bild vor meinem geistigen Auge , aber ich weiß halt wie die Dinge aussehen, da ich diese ja schonmal gesehen habe.
Ich kann maximal Dinge erkennen, die ich bereits mit meinem physischen Auge gesehen habe.
Darüber hinaus kann ich leider nichts erkennen. Das behindert z.B meine künstlerischen Fähigkeiten. Ohne Vorlage zeichne ich wie ein Grundschüler und ich habe keinen Orientierungssinn.
Aber ich glaube auch gar nicht, dass ich Aphantasie habe. Ich frage mich lediglich, wie die durchschnittlichen Menschen visuell denken. Mein Ex meinte mal, seine visuellen Gedanken wären genauso wie Videos...
Könnt ihr Bewegungen visualisieren?

skagerak schrieb:Und ab da sehe ich das hier behandelte Thema angesprochen. Jemand von Aphantasie betroffener, "sieht" beim Wort Wald noch nicht mal einen Wald, sondern bestenfalls "sieht" bzw denkt er nur an das Wort Wald, und weiß nur primär was damit gemeint ist.

Das finde ich ziemlich interessant.. Ich dachte immer, dass die Betroffenen wenigstens einen Hauch erkennen aber halt kein richtiges Bild sehen. Ich frage mich dann, wie die Betroffenen, Erinnerungen wahrnehmen und erleben. Wissen die Betroffenen auch nicht, wie ihre Verwandten aussehen? Müsste man dann nicht auch automatisch Gesichtsblind sein, bis die Person vor einem steht?

Vielleicht definieren viele visuelles Denken auch falsch.

aspie schrieb:Ohne Vorlage zeichne ich wie ein Grundschüler

Das ist bei mir auch so.

aspie schrieb:Mein Ex meinte mal, seine visuellen Gedanken wären genauso wie Videos...

So würde ich es beschreiben, ja. So zumindest verstehe ich den Unterschied zu von Aphantsie betroffenen.

Ford schrieb:Also ich kann zum Beispiel auch einfach in den Raum starren und mir visuell irgendwas vorstellen.

Das geht bei mir schon schwerer. Dazu muss ich stark konzentrieren. Gehen tut es, ich mach es nur kaum.

@off-peak
Es fällt mir echt schwer mir vorzustellen wie das nicht funktionieren soll 😄

Gedanken sind doch immer irgendwie Bilder im geistigen Auge.
Den Betroffenen muss es echt super leicht fallen mal ganz abzuschalten im Kopf.

skagerak schrieb:Gedanken sind doch immer irgendwie Bilder im geistigen Auge.

Nicht immer, manchmal sind es auch nur Worte. Oder diese Worte sehe ich dann tatsächlich wieder als Bild, und zwar als geschriebenes Wort. So eine Art .jpg
Aber immer schwächer, blasser als real und nur zweidimensional.

skagerak schrieb:Den Betroffenen muss es echt super leicht fallen mal ganz abzuschalten im Kopf.

Oder es fällt ihnen eben schwer, es sich vorzustellen.

Schon interessant, dass etwas, das man für selbstverständlich hält, es eben nicht bei allen Menschen so ist.
Interessanter Thread.

off-peak schrieb:Nicht immer, manchmal sind es auch nur Worte. Oder diese Worte sehe ich dann tatsächlich wieder als Bild, und zwar als geschriebenes Wort. So eine Art .jpg
Aber immer schwächer, blasser als real und nur zweidimensional.

Ich glaube, bei mir ist es so eine Mischung irgendwie.
Ich denke an einen Gegenstand, und sehe das Wort und fast gleichzeitig den Gegenstand.

Bin grad über einen Artikel über Afantasie gestolpert.

Es wird auf jeden Fall daran weitergeforscht:

Auf dem inneren Auge blind. Was ist Afantasie

Ich hab Schreiner gelernt, musste den Beruf aber letztendlich aufgeben, weil ich mir kein fertiges Möbel vorstellen kann. Auch nicht aus dem Gedächtnis zeichnen. Hab bis jetzt nicht gewusst das es Anderen auch so geht und das es diese ,, Krankheit" gibt.

@P.Rodan

Wie sieht es bei Dir dann mit Träumen aus?

Also mich würde interessieren, wie Du träumst?
In manchen Träumen sieht man ja auch Dinge und das, so denke ich, müsste ja demnach bei Dir dann auch nicht funktioneren, wenn Du keine bildhafte Vorstellung hast?

Gucky.

Das ist auch komisch, beim träumen erlebe ich und weis von wem, oder was ich träume, meistens. Aber ich denke nicht das ich im Traum wirkliche Bilder habe. Seit längerem zb. träume ich von Jemanden den ich mit Sicherheit kenne, komm aber nicht auf seinen Namen, weil ich Ihn nicht wirklich sehe. Ich hielt das Ganze bisher für normal, hab nicht sonderlich drüber nachgedacht, bis ich auf diese Diskussion gestoßen bin.

P.Rodan schrieb:Aber ich denke nicht das ich im Traum wirkliche Bilder habe.

Du schreibst, Du denkst das nicht, heißt das, Du sieht keine Bilder oder Du kannst Dich nur nicht daran erinnern, ob Du welche gesehen hättest?

Ich zB sehe ganze Szenen ablaufen, als würde ich einen Filmbetrachten. Ich sehe bewegte Bilder mit Ton (mono, kein Dolby Surround ;) )

@off-peak
Ich glaube nicht das ich klare Bilder sehe, ich erlebe nur, ich weis aber wo ich bin und was ich tue, ich kann es nach dem Aufwachen auch erzählen. Aber ich kann nicht beschreiben was ich gesehen habe. So gehts mir übrigens auch im wachen Zustand, ich wär ein schlechter Zeuge. Als junger Mann, wenn mich meine Eltern gefragt haben wie den meine Freundin aussähe, konnte ich Sie nicht beschreiben.

P.Rodan schrieb:Als junger Mann, wenn mich meine Eltern gefragt haben wie den meine Freundin aussähe, konnte ich Sie nicht beschreiben.

Irre. Kann ich mir nur schwer vorstellen.
Aber erkannt hast Du sie schon an ihrem Aussehen? Oder nur an ihrer Stimme?
Und geht es Dir jetzt mit dem Älterwerden besser mit dem visuellem Erkennen?

Wiedererkennen ist kein Problem, nur etwas gesehenes beschreiben, außer groß, dick , dünn geht eigentlich gar nicht. Aber wen es von Geburt an so ist, dann ist das eben so, Normal. Ich konnte mir nicht mal die Haarfarbe meiner Freundinnen merken, erst nach einiger Zeit ,einer Woche? Ist auch mit dem Alter nicht besser.

@P.Rodan

Ich habe ein ähnliches Problem. Ich kann mir bei neuen Bekanntschaften oder wenn es zu viele sind, einfach nicht Namen, besonders Vor- und Nachname, in Kombination mit Gesichtern merken.
Gesichter alleine: ja.
Namen: ja, im Sinne, dass ich mich erinnern, sie schon mal gehört zu haben.

Wenn ich also in eine Kurs bin, dann würde ich nach nur einigen Treffen die einzelnen Kursteilnehmer auf der Straße zwar erkennen, aber nicht wissen, woher ich sie kenne oder wie sie heißen. um mir das zu merken, brauche ich Wochen, und dann ist der Kurs vorbei. Dass es auch anders geht, zeigen mir diese Teilnehmer dann, indem sie mich aber sofort nach kurzer Zeit wieder erkennen.

Aber ein nur schlechtes Gedächtnis ist es garantiert nicht, denn Telefonnummern zB kann ich mir nach nur ein- oder zweimaligem Wählen wochenlang ohne Wiederholungen auswendig merken.

P.Rodan schrieb:dann ist das eben so, Normal

"Normal" im Sinne von "Es sollte funktionieren" ist es nicht, es ist dennoch eine vorkommende Fehlfunktion, eine neurologische Störung, aus welchen Gründen auch immer.
Nur solange andere Mechanismen der Wiedererkennung funktionieren, gibt es keine Grund zum Verzweifeln. Nur wissen sollte man es eben, damit man sich nicht unnötig ängstigen muss. Und auch, damit man es Anderen erklären kann, die sich sonst fragen würden, warum Du sie nicht wieder erkennst.
Es ist halt so. Es gibt Leute, die können Gesichter überhaupt nicht erkennen. Genauso wie es Leute gibt, die farbblind sind. Oder kein Zahlengedächtnis haben.

Wie Du schon gesagt hast: Es ist halt so.

Je mehr ich über dieses Phänomen nachdenke und lese, desto fragwürdiger empfinde ich es.
Meines Erachtens soll der Versuch aus deinem Link @skagerak belegen, dass das visuelle Erinnerungsvermögen bei einigen Probanden gestört ist. Aber warum steht denn darüber fett gedruckt, dass Afantasisten ein "schlechteres autobiografisches Gedächtnis" haben?

Ob sich Betroffene wohl Geschmäcker oder Gerüche vorstellen können, die sie imaginär schmecken (bis das Wasser im Mund zusammenläuft) oder riechen (bis man sie nicht mehr aus der Nase bekommt)?
Meines Erachtens könnte das bei Betroffenen zumindest leicht eingeschränkt sein, da bei Nichtbetroffenen automatisch ein Bild vor dem inneren Auge entsteht, das das eingebildete Geschmacks-/Geruchsempfinden verstärkt.
So ähnlich deute ich auch die Probleme mit dem autobiographischen Gedächtnis: mit zusätzlichen visuellen Erinnerungen dürften Erlebnisse etwas leichter abzuspeichern und abrufbar sein.

Mein Untersuchungsansatz für dieses Phänomen ginge in eine ganz andere Richtung:
Wenn Afantasie angeboren sein soll (laut Link ist wohl eine erbliche Komponente festzustellen) und sich in einer mangelnden visuellen Vorstellungskraft äußert, würde sich das meines Erachtens deutlich in der frühkindlichen Entwicklung des bildhaften Ausdrucks zeigen. Bei Afantasie dürften die festen Phasen dieser Entwicklung ganz anders ausgeprägt sein.
Bemerkbare Unterschiede würde ich beispielsweise in der Kopffüßlerphase (sofern sie überhaupt stattfände?) und in der ersten Schemaphase ab 5/6 Jahren erwarten (dann würden typische Merkwürdigkeiten wie Röntgenbilder, Zyklopenbilder, Aufklappbilder ... erlauben, das volle Wissen über die Bildgegenstände statt deren tatsächliches Aussehen darzustellen).

Hi zusammen,

ich bin auch mittlerweile überzeugt, an Aphantasie zu leiden. Und leiden meine ich auch tatsächlich so, ich finde es nämlich schon durchaus immer wieder ziemlich belastend und traurig. Aber gut, es gibt Schlimmeres!

Ich kann mir nichts vorstellen, habe keine innere Fantasie, keine Videos, die ich ablaufen lassen kann, ich zeichne auch wie ein kleines Kind, da ich mir nicht vorstellen, kann, wie ein Elefant aussieht. Was ich male rührt von dem Wissen, dass ein Elefant bspw. vier Beine, einen Rüssel und Stoßzähne hat und grau ist, das war es aber schon. Ich kann mir nicht vorstellen, wie er aussieht und dann malen.

Schon in der Schule (ich bin 37 Jahre alt) oder in irgendwelchen Kursen habe ich Traumreisen oder ähnliches gehasst, weil ich das nie konnte, mir vorstellen, ich wäre auf einer Wiese und würde mich in der Sonne entspannen oder mir ein blaues Auto vorstellen oder so. Jetzt weiß ich wenigstens, warum :D Denn tatsächlich finde ich es einfacher, seit ich weiß, wie ich das alles einordnen kann, dass es einen Namen hat, andere Menschen auch betrifft und sogar daran geforscht wird.

Zudem habe ich ein recht schlechtes Gedächtnis, vor allem auch autobiografisch, aber auch inhaltlich. Ich würde schon sagen, dass ich dadurch beim Lernen (wie im Text gemutmaßt wird), Nachteile hatte und habe, auch heute im Job. Trotzdem habe ich mein Abi und mein Studium geschafft, aber behalten habe ich davon nichts groß :D
Ich erinnere mich zum Beispiel auch nicht daran, was in Büchern genauer geschieht, die ich gelesen habe. Ich habe zwei Töchter und bin so versessen darauf, vieles von ihnen und unserem Leben mit ihnen zu dokumentieren, aufzuschreiben und Fotos einzukleben um ja nichts zu vergessen bzw. mich später dadurch besser rückerinnern zu können. Aber komplett ohneErinnerung bin ich natürlich auch nicht und irgendwie bildlich habe ich manches auch schon gespeichert. Hach, schwierig zu erklären alles.

Den Artikel von skagerak finde ich recht interessant, wobei nicht alles auf mich passt würde ich sagen. Aber da gibt es, wie bei Allem, verschiedene Ausformungen und Ausprägungen einer "Erkrankung" (wenn man das als solche Klassifizieren möchte). Zum Beispiel würde ich mich nicht als unemphatisch bezeichnen. Wie etwas für jemanden ist, sich anfühlt kann ich mir durchaus gut vorstellen, auch wenn es mir erzählt wird. Auch Gesichter erkenne ich gut, kann sie mir aber tatsächlich nicht vorstellen. Nichtmal mein eigenes Kind könnte ich malen, ich wäre eine grottenschlechte Zeugin.

Natascha1985 schrieb:Denn tatsächlich finde ich es einfacher, seit ich weiß, wie ich das alles einordnen kann, dass es einen Namen hat, andere Menschen auch betrifft und sogar daran geforscht wird.

Stimmt. Wenn es für ein Problem einen Namen gibt, dann weiß man, dass es nicht nur an einem selbst liegt, weil man sich eventuell nicht zusammen reißen würde, oder so. das ist ja meistens das Argument derjenigen, die nicht unter so einem Problem leiden. Die glauben sehr oft nicht an Probleme, die man nicht mit freien Augen sehen kann.

Dazu gehören ja auch Depressionen oder Erschöpfungszustände. Den Betroffenen wrid dann recht schnell Simulation oder Faulheit unterstellt.
Da ist es gut zu wissen, dass man das eben nicht ist.

off-peak schrieb am 12.02.2022:Wenn ich also in eine Kurs bin, dann würde ich nach nur einigen Treffen die einzelnen Kursteilnehmer auf der Straße zwar erkennen, aber nicht wissen, woher ich sie kenne

Ich hab das mit anderen Hundebesitzern, die mir regelmäßig beim Gassigehen über den Weg laufen. Ist deren Hund dabei, kann ich die sofort zuordnen, aber wehe, ich treffe diejenigen mal ohne Hund beim Einkaufen oder so. "Wer ist das bloß? Ich glaube, ich kenne die Person, aber woher nur?"

Mich würde mal interessieren, ob von Aphantasie Betroffene durch entsprechendes Training lernen können, Vorstellungsvermögen zu entwickeln oder ob das gewissermaßen ein in Stein gemeißeltes Schicksal ist.