Singularität, Urknall, Energieerhaltungssatz
10.04.2018 um 18:39schtabea schrieb:Tatsächlich zurückverfolgen können wir die Ausbreitung des Universums bis zum Zeitpunkt B 10^-43 Sekunden nach dem Urknall. Nun sagen Wissenschaftler, dass wir über Ereignisse oder Zustände vor dem Zeitpunkt B keinerlei Aussagen treffen können. Jede Aussage wäre reinste Spekulation. Ist das soweit richtig ?Nein, so einfach ist das bedauerlicherweise nicht.
Um über den Urknall und Singularitäten zu diskutieren (den Energieerhaltungssatz klammern wir bitte erstmal aus), muss man die Grundlagen der beiden am Besten bestätigten und ausgearbeiteten Theorien der Physik verstehen.
Erstens die Relativitätstheorie (ART), deren überprüfbare Voraussagen in im gegenwärtigen Zustand des Universums ohne Ausnahme exakt bestätigt werden konnten.
Zweitens die Quantentheorie (QT), deren überprüfbare Voraussagen in im gegenwärtigen Zustand des Universums ebenfalls ohne Ausnahme exakt bestätigt werden konnten.
Aus der ART folgt mathematisch, dass der Urknall ein Punkt in der Raumzeit war, der unendliche Dichte und unendliche Energie aufwies, weil die Einstein-Gleichungen unter dieser Bedingungen unendliche Werte annehmen. Das wird als Singularität bezeichnet - sie ist eine mathematische Konsequenz der Feldgleichungen der ART, wenn bestimmte Parameter Werte unterschreiten, die auf Planck-Größen zurückgehen.
Die QT beschreibt stark vereinfacht die physikalischen Vorgänge auf kleinsten Skalen und hat uns fundamentale Konstanten wie die Planck-Zeit, die Planck-Länge oder die Planck-Masse beschert.
Soweit, so schlecht, denn die ART ist zwar hervorragend belegt, leidet aber darunter, dass sie die Quantenstruktur des Universums nicht berücksichtigt - was in unserer Alltagserfahrung für ihre Bestätigung auch überhaupt nicht erforderlich wäre.
Genauso geht es der QT, die in ihrem 'natürlichen Betätigungsfeld' hervorragend funktioniert, aber die Gesetzmäßigkeiten der Raumzeit und der Gravitation missachtet.
Im Prinzip ignorieren beide Theorien damit die Kernaussagen der jeweils anderen.
Der Witz ist nun, dass die ART eigentlich die Dinge im Großen beschreiben soll, und im Kleinen aufgrund der Ignoranz der QT versagt und die QT versagt, weil sie Dinge im Kleinen ignoriert (Gravitation), die sonst nur auf großen Skalen eine Rolle spielen.
Im Urknall - wie auch immer er tatsächlich ausgesehen hat - haben jedenfalls genau die Verhältnisse geherrscht, die beiden Theorien über ihre Grenzen zwingen: Extreme Masse, extreme Energie, extreme Gravitation (maximale Raumkrümmung) in minimalster Zeit.
Insofern muss man einfach anerkennen, dass uns derzeit eine Theorie fehlt, mit der wir den Urknall (und zwar unabhängig von irgendwelchen planck'schen Beschränkungen) modellieren können. Dazu braucht es eine Quantentheorie der Gravitation, die seit Jahrzehnten auf der Fahndungsliste der Physik ganz oben steht.
Es gibt derzeit keinen Grund anzunehmen, dass diese Theorie niemals entwickelt werden kann, es existieren schließlich einige Kandidaten, die zumindest einige Formalien für diese zukünftige Theorie bereits erfüllen. Allerdings hat es den Anschein, dass auch noch eine ganze Klasse mathematischer Werkzeuge neu entwickelt werden muss, um wirklich Fortschritte zu machen.
Am Ende kann natürlich auch dabei herauskommen, dass sowohl die ART als auch die QT lediglich für den Grenzfall eines Zustandes des Universums funktionieren, in dem wir zufällig gerade leben und daher ihre maximal möglichen Aussagen über den Urknall völliger Unfug sind.
Deshalb fährt man am Besten, wenn man die gegenwärtigen Urknall-Theorien als Möglichkeit und nicht als Tatsache betrachtet.