Assistant Professor
Jorge L. Duarte von der Technischen Universität Eindhoven tritt seit vielen Jahren als Unterstützer des Yildiz Magnetmotors auf, und hat in diesem Rahmen auch eine Reihe von Papers veröffentlicht, u.a. das hier schon mehrfach erwähnte Paper
https://research.tue.nl/files/103809413/ModelYildizMotorRevisitedv04_20180722.pdf vom 22.07.2018. Ich gehe im folgenden relativ detailliert auf das Paper ein, um denjenigen, die sich dafür interessieren, das Verständnis zu erleichtern.
In diesem Paper beschreibt Duarte ein relativ einfaches Modell auf der Basis von Quasi-Permanentmagneten, das nach seinen Berechnungen einen Energieüberschuss liefert. Das Modell ist anhand des Papers nicht ganz einfach nachzuvollziehen, weshalb ich dazu die folgende Grafik erstellt habe:
Zur Simulation von Permanentmagneten verwendet Duarte idealisierte (widerstandsfreie) Ringströme, was ein übliches Verfahren für diesen Zweck ist. Das Magnetfeld eines solchen Ringstroms entspricht im wesentlichen dem eines Permanentmagneten. Das Modell beinhaltet einen fest angebrachten "primären" Stator-Ringstrom, und einen beweglichen "sekundären" Rotor-Ringstrom. Das Besondere an diesem Modell ist, dass der Rotor sich nicht nur dreht, sondern sich zusätzlich synchron zur Drehung auch axial ("seitlich") bewegt.
Für seine Betrachtungen verwendet Duarte ein kartesisches Koordinatensystem. Etwas unüblich verwendet er dabei x als vertikale Achse, y als horizontale Achse, und z als Tiefenachse. Bei einigen von Duarte gewählten Bezeichnern besteht Verwechslungsgefahr: Bitte darauf achten, R
P und r
P, und R
S und r
S auseinanderzuhalten. Der Ursprung des Koordinatensystems liegt im Zentrum des in der xy-Ebene liegenden Stator-Ringstroms. Die y-Achse verläuft parallel zur Achse des Rotors.
Der Stator-Ringstrom hat den Radius R
P von 5 mm, und der Rotor-Ringstrom hat den Radius R
S von ebenfalls 5 mm. Die Rotor-Achse hat den radialen Abstand r
P von 30 mm vom Stator-Ringstrom und der Radius des Rotors r
S beträgt 25 mm. Im Stator-Ringstrom fliesst der konstante Strom I
P von -1 A und im Rotor-Ringstrom der konstante Strom I
S von 1 A.
In der Ruheposition des Rotors mit dem Drehwinkel ϕ = 0 (der in der obigen Grafik dargestellt ist) hat das Zentrum des Rotor-Ringstroms den axialen ("seitlichen") Abstand A0 von 9,5 mm vom Zentrum des Stator-Ringstroms. Von dieser Position aus oszilliert der Rotor axial synchron zur Drehung um die Strecke AS von 17 mm in beide Richtungen. Aus AS > A0 folgt, dass sich der Rotor während seiner axialen Bewegung am Stator-Ringstrom vorbei bewegt.
Nochmal eine Zusammenfassung der Parameter:
Für die dynamische Position des Zentrums des Rotor-Ringstroms ergibt sich daraus:
x
C = r
S * sin ϕ
y
C = A
0 + A
S * sin θ, wobei: θ ≡ ϕ
z
C = r
S * cos ϕ - r
PZur Berechnung der Kraft zwischen den beiden Ringströmen verwendet Duarte ein Verfahren aus dem folgenden Paper, das er meinem Eindruck nach weitgehend als "Black Box" übernommen hat:
"Magnetic Force Between Inclined Circular Loops (Lorentz Approach)" (pdf) (Archiv-Version vom 19.08.2019) von 2012 (Autoren: S. Babic und C. Akyel von der Ecole Polytechnique in Montreal, Kanada).
Dieses Verfahren liefert die Komponenten der Kraft als: F
x, F
y, F
z. Da eine Kraftwirkung auf den Rotor nur tangential und axial möglich ist, berechnet Duarte aus diesen Komponenten eine Zerlegung in eine eine radiale (F
r), eine tangentiale (F
ϕ), und eine axiale Komponente (die unverändert F
y entspricht):
F
r = F
x * sin ϕ + F
z * cos ϕ
F
ϕ = F
x * cos ϕ - F
z * sin ϕ
F
y = F
yDie radiale Kraftkomponente hat aufgrund der mechanischen Gegebenheiten keine effektiven Auswirkungen, und ist daher nicht relevant. Für die tangentiale (F
ϕ) und die axiale (F
y) Kraftkomponente ergeben sich bei Duarte die folgenden Verläufe:
Da der Gesamtaufbau durch die zusätzliche axiale Bewegung des Rotors nicht mehr symmetrisch ist, ist die Asymmetrie der Kraftverläufe an sich nicht erstaunlich.
Die Energie, die einem Differentialschritt der Drehbewegung des Rotors entspricht, lässt sich aus der tangentialen Kraftkomponente F
ϕ über das Drehmoment berechnen:
𝛿Q
ϕ = F
ϕ * r
S * 𝛿ϕ
Die Energie, die einem Differentialschritt der axialen Bewegung des Rotors entspricht, lässt sich aus der axialen Kraftkomponente F
y berechnen:
𝛿Q
y = F
y * 𝛿y = F
y * A
S * cos ϕ * 𝛿ϕ
Integrieren über eine Umdrehung ergibt jeweils:
Q
ϕ = ∫[0..2π] F
ϕ * r
S dϕ
Q
y = ∫[0..2π] F
y * A
S * cos ϕ dϕ
Für die differentiellen Energien ergeben sich bei Duarte daraus die folgenden Verläufe:
Bereits der Anschein lässt vermuten, dass in der Grafik der positive Anteil der Gesamtenergie Q
Σ den negativen Anteil übersteigt. Konkret berechnet Duarte folgende Energiesummen für eine Umdrehung:
Q
ϕ = -0,7420 nJ
Q
y = 1,0131 nJ
Q
Σ = 0,2711 nJ
Die Energiesumme der Drehbewegung des Rotors ist also negativ, die der axialen Bewegung positiv. Dagegen wäre nichts einzuwenden, solange die Gesamtsumme Null ergäbe. Bei Duarte ist die Gesamtsumme allerdings deutlich positiv, d.h. seiner Ansicht nach ergibt sich ein Energieüberschuss.
Duarte's Berechnungen nach diesem Modell sind korrekt, und konnten von uns (
@Fölix,
@RudiW und mir) auch genau nachvollzogen werden. Das Modell selbst enthält allerdings einen entscheidenden Fehler, der sich am besten anhand eines im Verhältnis zum Radius des Rotors vergrösserten Ringstrom zeigen lässt:
Duarte addiert alle am Rotor-Ringstrom angreifenden Einzelkräfte, und betrachtet das Zentrum des Ringstroms (Punkt Z) als Angriffspunkt der resultierenden Gesamtkraft am Rotor. Das ist ist äquivalent dazu, als ob alle am Ringstrom angreifenden Einzelkräfte direkt an Punkt Z angreifen würden. Z.B. die an Punkt A des Ringstroms angreifende Kraft F würde bei Duarte so behandelt, als ob es sich um die Kraft F' handeln würde. Tatsächlich wirkt die Kraft F aber so auf den Rotor, als ob Punkt A über den Hebel r
1 mit der Rotorachse verbunden wäre (die Hebelkombination A -> Z -> Rotorachse ist äquivalent zu einem Hebel r
1).
Um das durch die Kraft F auf den Rotor ausgeübte Drehmoment zu bestimmen, muss sie in eine tangentiale Komponente F
t und eine radiale Komponente F
r zerlegt werden. Nur die tangentiale Komponente beschleunigt oder bremst die Drehung des Rotors. Im gezeigten Beispiel hat F eine wesentliche tangentiale Komponente F
t, die bei Duarte völlig verloren geht, da F' nur eine radiale und keine tangentiale Komponente hat. Das Drehmoment, das die Kraft F auf den Rotor ausübt (im gezeigten Beispiel bremsend), fehlt in Duarte's Berechnungen. Auch der umgekehrte Fall tritt auf. Z.B. liefert die Zerlegung einer rein radialen Kraft an Punkt A (entsprechend F
r) bezogen auf Punkt Z eine tangentiale Komponente, die überhaupt nicht existiert. In Duarte's Berechnungen ergibt sich in diesem Fall ein Phantom-Drehmoment aus einer nicht existierenden Kraftkomponente. Ausserdem wirkt eine Kraft an Punkt A mit einem etwas anderen (längeren) effektiven Hebel -- entsprechend dem Längenunterschied zwischen r
1 und r
0 -- auf den Rotor als eine Kraft an Punkt Z. Auch dieser Effekt wird bei Duarte nicht berücksichtigt.
Bei einer Simulation, die die Kräfte am Rotor-Ringstrom korrekt berücksichtigt, verschwindet auf wundersame Weise der Energieüberschuss, und die Energiebilanz ergibt Null.
;)