@Oliver89 Oliver89 schrieb:Die läuft da in Tschernobyl wirklich einfach so durch die Strahlung, es scheint ihr sogar Spaß zu machen, Hut ab vor dieser Frau, sehr mutig!!!!!! S.T.A.L.K.E.R ?????????
Diese Person kann die Risiken schlicht und ergreifend richtig einschätzen - im Vergleich zu den immer wieder auftauchenden Strahlungs-Hysterikern. Unser Körper und das Leben insgesamt ist seit Anbeginn der Zeit permanent Strahlung ausgesetzt. Die daraus resultierenden Schäden werden laufend behoben, das Leben hat sich daran angepasst.
Was lässt sich zur biologischen Strahlenwirkung sagen? Mache dir zunächst noch einmal bewusst, dass verschiedene Arten von radioaktiver Strahlung existieren: Alpha-, Beta- und Gammastrahlung. Beim Alpha-Zerfall (Beispiel: Radium-226) sendet das radioaktive Isotop einen Helium-Kern aus. Dieser besitzt ein enormes Ionisationsvermögen und kann auf seinem Weg mühelos tausende anderer Atome ionisieren - also auch Schaden im Körper anrichten, indem zum Beispiel das Erbgut geschädigt wird. Allerdings lässt sich diese Form von radioaktiver Strahlung auch besonders einfach abschirmen: Ein Blatt Papier oder Alufolie reicht schon aus, in Luft liegt die Reichweite nur bei wenigen Zentimetern. Kritisch wird es nur, wenn ein Alpha-Strahler in den Körper gelangt (besonders perfide: Plutonium oder Polonium). Wer sich jedoch einen dünnen Schutzanzug anlegt, die Körperöffnungen geschlossen hält und eine Atemmaske trägt, ist sicher.
Beta-Strahlung besteht aus Elektronen (oder beim Beta-Plus-Zerfall: Positronen). Diese haben kein so hohes Ionisationsvermögen wie Alpha-Strahlung und sind damit auch bei Inkorporation nicht so kritisch, allerdings lässt sie sich schon schwieriger abschirmen: Ein paar Lagen Alufolie sollten es schon sein, um komplett geschützt zu sein. In Luft können Beta-Teilchen mehrere Meter zurücklegen.
Gamma-Strahlung tritt bei Alpha- und Beta-Strahlern häufig als "Nebenprodukt" auf: Der zerfallene Kern befindet sich nach der Aussendung von Alpha- oder Betastrahlung häufig noch in einem angeregten Zustand. Die überschüssige Energie wird er wieder los, indem er ein energiereiches Photon, ein Gamma-Quant, aussendet. Die typischen Energien liegen weit jenseits von Röntgenstrahlung, die Abschirmung ist besonders schwierig: Erst mehrere Meter Blei, Wasser oder Beton schwächen diese Form von Strahlung ausreichend ab. Andererseits ist das Ionisationsvermögen nicht besonders hoch und genau wie bei einer punktförmigen Lichtquelle sinkt die Intensität mit dem Quadrat der Entfernung - doppelter Abstand, nur noch ein Viertel Strahlung; zehnfacher Abstand, nur noch ein hundertstel Strahlung.
Wer sich nun in einem Gebiet aufhält, das mit radioaktiven Elementen verseucht ist, muss sich zunächst vor Inkorporation schützen, wofür ein Schutzanzug ausreicht. Alpha- und Beta-Strahlung erreicht damit den Körper nur noch in geringem Maße. Von Gamma-Strahlung geht nur eine Gefahr aus, wenn sich radioaktive Stoffe irgendwo aus welchen Gründen auch immer angesammelt haben ("Hot-Spots") und neben der (dank Anzug harmlosen) Alpha- und Beta-Strahlung auch die Gamma-Werte erheblich erhöht sind. Hier hilft das Dosimeter: Es misst, vereinfacht gesagt, welcher Energiedosis an ionisierender Strahlung die Materie deines Körpers pro Zeiteinheit ausgesetzt ist. Dieser Messwert wird noch mit einem so genannten "Strahlungsgewichtungsfaktor" multipliziert, um die verschiedenen Ionisationsfähigkeiten der unterschiedlichen Strahlungsarten zu berücksichtigen. Du bekommst einen Wert zum Beispiel in Mikrosievert pro Stunde, der "Äquivalentdosisleistung".
Anhand dieser Äquivalentdosisleistung kann nun mit Hilfe bekannter Grenzwerte bewertet werden, wie lange ein Mensch sich an einem Ort aufhalten kann, bis die von deinem Körper aufgenommene ionisierende Strahlung gefährlich viele Schäden angerichtet hat und das körpereigene Reparatur- und Aufräumprogramm an seine Grenzen stößt. Als typischer Schwellwert für eine akute Strahlenkrankheit gilt eine Dosis von 150 Millisievert - also 150.000 Mikrosievert - in sehr kurzer Zeit, also zum Beispiel wenigen Minuten.
In Norddeutschland sind Werte von unter 1 Mikrosievert pro Stunde typisch, es dauert also mehr als 150.000 Stunden oder mehr als 17 Jahre, bis eine kritische Dosis erreicht wurde. Kein Problem für unseren Körper. Im Iran gibt es Orte, wo Werte von mehr als 20 Mikrosievert pro Stunde erreicht werden - also der mehr als 200-fache Wert von Norddeutschland. Hypothetisch würde hier also nach etwa einem Monat eine kritische Dosis erreicht werden. Dennoch gibt es keine Erhöhung von Krebsfällen, da unser Körper auch mit derartigen Werten noch umgehen kann.
In der Tschernobyl-Sperrzone liegen die Werte an den allermeisten Orten niedriger. Stellenweise, zum Beispiel am berühmten "Fahrzeugfriedhof" oder in der unmittelbaren Umgebung des Kraftwerkes, werden erheblich höhere Werte gemessen, so dass aus Sicherheitsgründen man sich nicht mehr als einige Minuten oder Stunden dort aufhalten sollte, damit unser Körper die Strahlenschäden (vor allem durch im Gewebe erzeugte Radikale und zerstörtes Erbgut) in Ruhe reparieren kann. Genau hier hilft das Dosimeter, um die radioaktive Gefahr, die von einem Ort ausgeht, einzuschätzen. Dann liegt - salopp gesagt - in einem Trip nach Tschernobyl nicht viel mehr Risiko als in einem Transatlantikflug.