Gewalt in Computerspielen
15.12.2009 um 00:39
Ich bin überzeugter Killerspieler. Ich stehe dazu, dass es kein Verbrechen ist.
Was ich toll finde, ist, wie Politiker bei dem Thema reagieren. Nach jedem Amoklauf wird grundsätzlich erstmal nach Egoshootern gesucht. Scheiß egal, ob der psychotisch war oder gemobbt wurde oder Familienprobleme hatte: Das erste, was man in der Blödzeitung liest, ist, dass "Killerspiele" gefunden wurden. Ob die Polizei zu dem Zeitpunkt überhaupt schon in der Wohnung war, ist ja scheiß egal, Hauptsache Vollidioten wie zum Beispiel der Herr Lahm oder der Herr Kerner (die ich eigentlich für relativ intelligente Menschen hielt, zumindest letzteren, bis sie sich für die BILD zu Nutten gemacht haben [womit sie, in meinen Augen, jedes bisschen moralische Integrität in eine brennende Jauchegrube geworfen haben]) werben dafür.
Jedenfalls: Fragt man ein Politiker nach dem Amoklauf, ist der für ein Verbot oder eine weitere Verschärfung. Vor der Wahl haben die jedoch wieder gesagt, dass sie auf keinen Fall weitere Verschärfungen wollten. Da standen ja auch Wählerstimmen auf dem Spiel.
Es sei dazu einmal angemerkt, für die, die es nicht wissen, dass es in Deutschland die härtesten Gesetze für Zensur bei Computermedien und Filmen überhaupt gelten, weltweit, wobei wir jedoch eine relativ beachtliche Zahl von Amokläufen hatten... Also, ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich würde mal sagen, wenn sich schon mit einfachster Grundschulmathematik kein Zusammenhang herstellen lässt, dann liegt das Problem woanders. Aber es ist bequem und einfach, auf einem Sündenbock rumzudreschen, wenn die breite senile Masse der Alten, an der die Videospiele vorbeigegangen sind und die schon aus Prinzip immernoch CDU wählen, obwohl die uns immer tiefer in die Scheiße reiten, irgendwann mal in einem Anflug von Altersschwachsinn darauf kam, dass es das früher nicht gegeben hat und eben Computer auch nicht. Wenn man die Gesellschaft dafür verantwortlich machen würde, oder Gesetze und massive Fehlentscheidungen, dann müsste man ja etwas machen. Dann müsste man konstruktive Diskurse starten und die ganze Bevölkerung in diese einbeziehen, aber das machen Merkel und Co. einfach nicht gerne. Die haben lieber ihre kleine Elite, mit der sie entscheiden, und die Frau aus dem Osten als Galleonsfigur, von der ein überraschend großer Teil der Bevölkerung wohl immernoch glaubt, dass sie mit den Entscheidungen der Regierung nichts zu tun hat. Anders kann ich mir ihre stabilen Sympathiewerte nicht erklären.
Das also zu dem Zusammenhang von Computerspielen und Amokläufen: Es gibt keinen. Wenn unser Schulsystem funktionieren würde, wenn die Kinder wirklich von Geburt an bis zum Schulabschluss alle das bekämen, was sie bräuchten, und zwar eben auch die labilen Jugendlichen, gäbe es keine Amokläufe. Ob sie überhaupt ganz verhindert werden können, ist fraglich. Aber Verbotswahn hilft nicht. Angeblich steigern solche Spiele ja die Aggressionen. Stimmt, aber nur kurzzeitig. Und ich sag ja: Jemand muss mental völlig am Ende sein, aus gesellschaftlichen Gründen oder weil er von Haus aus [aus dem Fernsehen, aus DSDS (wo Mobbing salonfähig gemacht wird)] nichts anderes als Gewalt und Diskriminierung kennt, um so etwas zu tun.
Was die Spiele selbst betrifft: Ich glaube, viele Menschen verkennen, dass Realismus vielleicht etwas ist, was erstrebenswert wäre. Überlegt mal: Wenn alle Menschen sehen könnten, wie es Tieren in Massenbetrieben geht, wie schnell wäre dann unsere Landwirtschaft auf Biologischen und Ökologischen Landbau umgestellt? Wenn öfter in den Nachrichten gezeigt werden würde, wie es Menschen in Kriegsgebieten wirklich geht, wie erbärmlich AIDS-Kranke in Afrika dahinvegitieren, weil wir es mit den Prinzipien des freien Marktes nicht vereinen, 'Niggern' die Möglichkeit zu geben, halbwegs wirksame Medikamente zu angemessenen Preisen für die eigene Bevölkerung herzustellen, oder wie dreckig es Kindersoldaten in Sierra Leone oder den Menschen unter der Knute von Warlords in Zentralafrika geht, weil wir in Europa eben nach wie vor skrupellos diese Länder ausbeuten... Wenn all das in den Medien präsenter wäre, und zwar ungekürzt, ungeschönt, nicht nur Zahlen, sondern Menschen; wie schnell würden dann Menschen auf die Straßen gehen, um die Regierungen zu zwingen, etwas zu tun? Wir schweigen die Realität gerne tot. Kinder glauben gerne, dass alles Fleisch von glücklichen Tieren kommt, wenn man sie fragt.
Übertragen wir mal das Prinzip auf Spiele: Glaubt hier irgendjemand wirklich, dass Gewalt gut ist? Glaubt jemand, dass bei angemessener, realistischer Darstellung den Menschen irgendwann einer abgeht, nur, weil da ein paar rote Pixel zu sehen sind? Ist es bei irgendjemandem hier so, dass er das, auf dem PC-Bildschirm oder dem Fernseher geil findet? Entschuldigung, aber nur, weil einige Psychopathen in den Medien oder auch Pseudowissenschaftler von sich auf andere schließen, was die Interpretation des 'Gefühls', von mir aus auch des 'Rausches' während solcher Szenen angeht, heißt das nicht, dass alle so sind. Bei Spielen geht es um Herausforderungen, und zwar nicht nur etwas von A nach B bringen oder abstrakte Rätsel lösen, sondern mit Geschichte, mit Tiefe, mit Emotionen. Man muss etwas damit verbinden können, etwas reales, etwas greifbares. Eine Herausforderung, ein Buch und ein Film in einem. Realistische Darstellung ist ein Bonus. Und ich denke, es findet eine deutlich größere Desensibilisierung gegen Gewalt statt, wenn keine Folgen zu sehen sind.
In welchem Alter ein Kind oder Jugendlicher Zugang zu solchen Spielen hat, das zu entscheiden ist Pflicht der Eltern, und das hat nur etwas mit geistiger Reife zu tun. Wenn jemand, aufgrund solcher Medien, den Verstand verliert, dann ist das wiederum nicht die Schuld der Medien, sondern Fahrlässigkeit der Eltern.
Ich habe in der Grundschule angefangen, Filme wie Stirb Langsam zu sehen und Spiele a la Alarmstufe Rot und Dungeon Keeper zu spielen. Alle deutlich über meiner 'Altersklasse'. Macht mich das zu einem potenziellen Amokläufer und Psychopathen?
"Ja", sagen Killerspielgegner, wenn sie konsequent sind.
"Nein", würde jeder Psychologe und jeder Mensch mit ein bisschen Restverstand sagen, wenn er meinen Ausführungen soweit folgen konnte (ich will mit dieser Formulierung keinesfalls beleidigen, aber da ich oben schon Bildzeitung und Co erwähnt habe, fand ich es nur korrekt, auch mit etwas vergleichbarem zu schließen).
Wobei ich eines noch schreiben will: Amokläufer ist ja so eng damit verknüpft, heutzutage. Die Zahl der Amokläufer und Opfer beläuft sich (grobe Schätzung, sagt mir, wenn ich die Größenordnungen falsch im Kopf habe) auf auf deutlich unter 1000 Menschen, im Laufe mehrere Jahrzehnte. Wieviele Menschen sind in derselben Zeit an Alkohol- oder Tabakkonsum krepiert? Wenn es um Opferzahlen ginge, wenn man ernsthaft mit diesen Argumentieren wollte, müsste man, in meinen Augen, erstmal Tabak und Alkohol verbieten. Auf diese kann ich nämlich beide deutlich besser verzichten als auf anspruchsvolle Geschichten für Erwachsene, die dann auch zumindest nicht versuchen, irgendeinen Mist bezüglich der Dinge darzustellen, von denen ich weiß, dass sie Teil der Realität sind. Vielleicht sterbe ich dafür mal bei einem Amoklauf. Deutlich höher ist jedoch das Risiko, von Betrunkenen erschlagen oder überfahren zu werden. In diesem Sinne: Hoch die Tassen!