Aus der Rede Monty Cantsins auf der Demo Freiheit statt Angst
Ich habe gestern Nacht mal bei Twitter nur eine Minute nach dem Hasthag #fsa09 gesucht. Da schreibt ein Mensch, der heute hier auf der Demo ist, was er gerade in der Kneipe trinkt. Und ein anderer rauchte noch seine Ins-Bett-Geh-Kippe, bevor er sein Macbook einpackt. Ich kann aus seinem Twitter-Profil entnehmen, wie er heißt, dass er raucht, dass er Vespa fährt, in München wohnt, Tiere gerne mag und die Piratenpartei wählt.
Wo zwei, drei Leute zusammenkommen, hat mindestens einer eine Kamera dabei und stellt diese Bilder am nächsten Tag ins Netz. Natürlich sauber durchgetagged mit Namen und so. Jeder zweite in der digitalen Grundrechtsbewegung hat wahrscheinlich mehr als fünf Profile bei Sozialen Netzwerken, bei Flickr oder sonstigen Diensteanbietern.
Im Wiki des AK Vorrat werden Demostrategien offen besprochen und jede Menge Leute nutzen Googlemail, obwohl sie wissen, dass jede Fucking-Email durchsucht wird, um passgenaue Werbung zu schalten. Und das von der größten, mächtigsten und wahrscheinlich gefährlichsten Datenkrake der Welt. Viele von uns haben Handys mit GPS-Ortung und nutzen Location basierte Services, bei denen Privatfirmen Bewegungsprofile erstellen und unsere Vorlieben abspeichern.
Jetzt könnt ihr natürlich kommen und sagen: Hey, das sind meine Daten und ich bestimme, was ich ins Netz stelle. Und ihr könnt sagen: Hey, der Staat muss dafür sorgen, dass ich darüber bestimmen kann, was mit meinen Daten passiert. Und ihr könnt sagen: Hey, deswegen sind wir hier. Weil wir uns Sorgen um unsere Daten machen.
Informationelle Selbstbestimmung ist eine schöne Sache. Auf dem Papier.
Wir wissen aber, dass dieser Staat sich einen feuchten Kehrricht darum kümmert, was mit unseren Daten passiert. Wir wissen, dass nicht nur die Personalabteilungen von Firmen, sondern auch Ermittlungsbehörden all diese Möglichkeiten eifrig nutzen. Wir wissen spätestens seit der Geschichte von Andrej Holm, dass es reicht bei Google irgendwelche Suchwörter einzugeben, um als Terrorverdächtiger in den Knast gesperrt zu werden. Wir wissen, dass all diese freiwillig herausgegebenen Daten mit einfachsten Mitteln zusammengefügt werden können – und dennoch posaunen wir fröhlich in die Welt hinaus, welche Partei wir wählen oder mit wem wir in der letzten Nacht gevögelt haben.
Das ist gefährlich! Das ist fahrlässig! Und es ist auch nicht klug.
Ich verstehe, dass Vernetzung und soziale Netzwerke über Personalisierung funktionieren. Und dass in der Vernetzung auch die Kraft dieser Bewegung steckt. Aber überlegt bitte einmal, was ihr dort macht. Welcher Firma und welchen Leuten ihr intimste Dinge anvertraut. Und ob ihr die Verbreitung und Speicherung dieser Daten jemals zurückrufen könnt.
Was können wir also tun? Vielleicht ist es eine gute Idee auch mal als Monty Cantsin und Karen Eliot aufzutreten. Sich falsche Identitäten zuzulegen, Fake-Profile mit Bullshit-Information zu füttern, hier und da eine informationelle Blendgranate zu zünden – oder einfach nur ein bisschen besser auf seine Daten aufzupassen.
Anne Roth @ Freiheit statt Angst 2009 Berlin
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Hier könnt ihr die Überwacher selbst überwachen
http://www.uberwach.de/charts.html (Archiv-Version vom 04.03.2009)