cumfide schrieb:Die Herkunft des Namens „Rus“, den Nestor für die Waräger verwendet, ist bis heute nicht exakt geklärt. Zwei Deutungen sind am wahrscheinlichsten: Rus könnte vom slawischen Wort für Ruderer stammen, denn die Nordgermanen benutzten wie gesagt das russische Flusssystem, vor allem Düna, Dnjepr und Wolga, das sie mit Ruderbooten bis zum Schwarzen Meer durchquerten.
Die meisten Wissenschaftler bevorzugen aber die „Normannen-Theorie“ und meinen, Rus sei die slawische Umsetzung des finnischen Namens „ruotsi“ für ihre schwedischen Nachbarn.
Jenau, Pjotr ist die russische Übersetzung für Peter. Und nu? Peter - who the fuck is Peter?
Der Verweis auf das finnische "ruotsi" ist doch keine Erklärung, denn es stellt sich die Frage, was "ruotsi" denn bloß heißt.
Bei einem "
ruotsi im Finnischen hängt vom Slawischen
rus für die Schweden ab, und im Slawischen kommt das von einem ähnlichklingenen Wort für Ruder" wäre das dann ne wirkliche Erklärung. Aber sorum bliebt doch die Frage "was heißt denn bloß
ruotsi bei den Finnen?" Nein, hier wird gar nichts erklärt.
Dann eben doch das slawische Ruderer? Hmmm, der heißt im Russischen Гребец
grebjetz, das Rudern Гребля
greblja. Immеrhin aber das Ruder, das heißt im Russischen Руль
rûl. Klingt tatsächlich ähnlich. Zu dem Wort schreibt die russische Wikipedia
Википедия : Руль
Руль (от нидерл. roer) [...]
Rûl kommt aus dem niederländischen roer, gesprochen rûr. Im siebzhnten Jahrhundert hat Zar Peter der Große viel Niederdeutsches nach Rußland gebracht, so auch das Ruder. Als Erklärung für die "Russen" im Sinne: Schweden taugt das also überhaupt nicht.
Wenn die Erklärung für Rus über das finnisch ruotsi erklärungsbedürftig bleibt, und wenn ein slawisches rus-ähnliches ruderdingens knapp tausend Jahre zu spät kommt, wohr kommt das Rus denn dann?
Wissnwa nich! Die Brüder Grimm immerhin deutelten in ihrem "Wörterbuch der deutschen Sprache" schon mal
russe, m. ein angehöriger des russischen volkes oder staates. das wort ist ins deutsche aus dem slav. eingedrungen, rusĭ, plur. rusi. es stammt indes ursprünglich aus dem germanischen, und bezeichnet zunächst eine skandinavische völkerschaft, die Ruszland eroberte und staatlich organisierte. noch heute ist Ruotsi der finnische name der Schweden. man darf darin wol germ. hrôþ 'ruhm' vermuten
Heißt ruotsi aber vielleicht doch noch irgendwas? Die finnische Wikipedia schreibt im ruotsi-Artikel (googleübersetzt) dies:
Der Name des Landes, „Schweden“, entstand in den baltisch-finnischen Sprachen und basiert auf dem Namen des nordöstlich von Stockholm gelegenen Gebiets Roslagen. Roslagens Name leitet sich etymologisch von dem Verb ab, das Rudern bedeutet. Der Name, der Schweden bedeutet, verbreitete sich offenbar während der sogenannten Wikingerzeit (ca. 793–1066) in den baltisch-finnischen Sprachen.
Aus den finnischen Sprachen der Ostsee wurde der Name auch in benachbarte Sprachen entlehnt, etwa in Russland in der Form Ruś, wovon sich Russki ableitet, was Russisch bedeutet. Der Name kehrte später nach Schweden zurück und bedeutet Russisch in der Form ryss, von wo er in der Form ryssa wieder ins Finnische zurückgekehrt ist.
Selbst in der schwedischen Wikipedia kann man ähnliches lesen
Für westliche Historiker und Forscher scheint die Theorie eines nordischen Hintergrunds der Russen die vernünftigste zu sein. Sie leiten das Wort „rus“ über die finnische Bezeichnung für Schweden Ruotsi auf den Rodennamen Roslagen ab. Dies würde sich auch vom griechischen Rhos und dem arabischen Begriff Rûs ableiten.
Klingt so, als hätte die "Welt" genau das wiedergegeben, was auch hier dazu gesagt wird. Und womöglich habense auch die Ruder-Etymologie von hier her, nur dann fälschlicherweise als bei den Slawen vorkommend ausgegeben und auf das Ruder-Merkmal der Waräger (das schwedische Pendant zu "Wikinger") bezogen.
Das Dumme aber ist, das Roslagen, also die Gegend des Inselarchipels zwischen der Ostsee und dem Bottnischen Meerbusen samt dem vorgelagerten schmalen schwedischen Festlandsstreifen nicht besonders mit den Warägern verbandelt ist, um zu sagen, die nannten sich nach diesem Stück Schweden. Anders bei der finnischen Bezeichnung für Deutschland: saksa. Es waren vor allem die Hanseleute, die den Finnen als Deutsche bekannt wurden. Und die Hanseleute kamen nun mal tatsächlich schwerpunktmäßig aus dem alten Land der Sachsen im Nordwesten Deutschlands nach Finnland. So, wie die nächsten "deutschen Nachbarn" der Franzosen die Allemannen waren und unser Ländle bei den Franzen seither eben Allemagne heißt. Aber die schwedischen Waräger = Russen, weils da an der elend langen Küste Schwedens auch ne kleine Ecke namens Roslagen gibt?
Endgültig kippt diese Deutung aber, wenn die schwedische Wikipedia zu Roslagen schreibt:
Der Ortsname Roslagen ist durch eine relativ späte (15. Jahrhundert) Verschmelzung von „Roden“ und „Schiffsschlacht“ entstanden.
Die Menschen dieser kleinen Küstenregion werden auch heute nicht Roslagener genannt sondern Rodener. "Ruderer".
Während also der Zusammenhang mit "Ruderer" über Roslagen - Rus verständlich wäre, klappt die Ähnlichkeit
Roslagen - Rus dann eben doch nicht, wenn die Gegend bis 15.Jh. noch "Roden" hieß und erst ab da das zweite Wortteil "(skepp)slag", "(Schiff)Schlacht" das D verdrängte und das S einbrachte.
Und wenn man da weiter dran festhalten will und "S, naja, könnt ürngtwie von D herstammn" sagt - wozu braucht man dann speziell die Landschaft Roden als Herleitung für die Rus? Denn "Roden" heißt doch Ruder, Ruderer. Nee, auf Roslagen als Etymologie sind die tollen westlichen Forscher (wer auch immer) wegen des passenden S in Roslagen gekommen. Sonst hättense sich mit "die Ruderer" zufrieden gegeben. Doch war "roden" nicht wirklich ähnlich genug, nicht so wie ein "Rus-Lager".
Und wieso sollen sich ausgerechnet die finnischen Völkerschaften des baltisch-russischen Raumes das mit Roslagen ausgedacht haben? Wieso nicht gleich die Waräger? Die kannten diesen Küstenabschnitt wohl eher noch am besten statt irgendein Ingermannländer südwestlich des späteren Petersburg oder ein Mari aus Südrußland. Selbst die Finnen in Südwestfinnland direkt gegenüber Roslagen waren jetzt nicht so die Seefahrer, daß die die schwedischen Küstenlandschaften namentlich hätten aufzählen können. Nur eben hat sich das "Rus" als Bezeichnung für "Schweden" bei den Finnen und Esten bis heute erhalten. Aber das ist das Ende einer Entwicklung, nicht der Anfang.
Alles in allem ist also auch die Herleitung über die Fennovölker und Roslagen eher ne schlechte Stümperei wie das mit dem slawischen Rul(s) vom niederländischen roer statt vom warägischen Ruderer.
Bleibt also beim Wissnwa nich!
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Ach ja, Pjotr und Peter; Pere und Pete; Piet, Pit und Peer, die kommen alle über Petrus vom griechischen Petros, und das ist ursprünglich nicht mal ein Männername, sondern heißt "Fels". Jesus sagte mal zu einem seiner Jünger namens Schim'on "Du sollst ab heute Kefa' heißen". Kefa' heißt Felsen, ist aber auch ein aramäischer Männername. Aus dem Neuen Testament als Übersetzung "Petros" / Petrus bekannt, aber ebenso in der griechichen Umlautung Kephas bzw. Kaiphas (letzterer war der Hohepriester, der Jesu Tod vorgeschlagen haben soll)
cumfide schrieb:Soll heißen,um einen Russen zu verstehen,müßte man erst mal die Entstehungsgeschichte des alten Russland kennen.
Wichtiger wäre vielleicht gewesen, daß auf dem Gebiet des östlichen Europa von Novgorod bis Kiew
* verschiedenste Völkerschaften slawischer, finnougrischer, baltischer und germanischer Zunge lebten, separat wie in Vermengung;
* "Rus" eine Bezeichnung für "Reich" war;
* "Russen" keine Volksbezeichnung war, sondern "Bevölkerung des Reiches" hieß;
* Ukraine wahrscheinlich von "u kraina" kommt, "an der Grenze";
* Nationale Identität und Nationalismus auch dort erst im 19.Jh. losging, und für die (ab da) Russen die Ukrainer halt immer dazugehören, wie auch die Ukrainer die Russen als letztlich zugehörig empfanden;
* bei der Frage, welche Rus denn nun aus den mittelalterlichen Barbarenvölkern das edle osteuropäische Kulturvolk gemacht hat, vor allem die Kiewer und die Moskowiter Rus in Konkurrenz stehen (weiter westlich wurde auch immer gern gesagt, die warägischen Rus waren die Kulturbringer, aber seit der zweiten Hälfte des 20.Jh. klang das dann zu "arisch", um noch hoffähig zu sein).