Gerlind schrieb am 03.04.2021:Das behauptest du.
Wenn dahinter aber eine böse Elite stünde, sind deine Prozesse möglicherweise von ihr initiiert.
Ich weiß nicht wie ich das erklären soll, aber nein. Der Gedanke macht nur Sinn wenn man absolut keine Ahnung von unsere politischen Systemen und ihrer historischen Entwicklung hat.
Die Welt is geprägt von wechselnden und sich entwickelnden Machtstrukturen und vor allem geprägt von wechselnden dominanten Ideen.
Ideen und Normen sind viel stärker als jede geheime Elite je sein könnte. Eliten sind viel mehr Untertan den Ideen als umgekehrt.
Unsere heutige Finanzelite ist bspw. Untertan den neoliberalen Ideen einiger Ökonomen der 80er Jahre. Ihr Status und ihre Machtpositionen sind an diese Ideen und Perspektiven gebunden.
Hier sieht man gerade in den USA einen Generationenwandel. Alte Ideen (neoliberale) verschwinden aus den politischen und akademischen Machtpositionen und werden durch neue Ideen ersetzt.
Gerlind schrieb am 03.04.2021:Also: alles was ist, kann sowohl ohne böse Eliten als mit bösen Eliten gedacht werden.
Nein. Das politische ist geprägt von Auseinandersetzung und der Abarbeitung von gegenläufigen Interessieren aneinander.
Das ist auch so beobachtbar.
Man muss schon sehr wenig Ahnung von der Materie haben um diese verschwörungstheoretische Erklärung mit Strippen ziehender Elite für plausibel zu halten.
Das heißt nicht, dass es nicht auch einflussreiche Interessengruppen gibt. Die Mont Pélerin Society und ihre ökonomischen Ideen zum Beispiel sind extrem Einfluss reich gewesen in den letzten 40 Jahren.
Ihre Ideen haben die Politik (vor allem Wirtschaftspolitik) in zig Ländern und auch weltweit maßgeblich geprägt.
Interessenverbände der fossilen Brennstoff Industrie haben seit Jahrzehnten politische und gesellschaftliche Kampagnen gefahren um Klimawissenschaft zu diskreditieren und ihr eigens fossiles Geschäftsmodell und ihre Profite zu schützen.
Selbe Geschichte mit der Autoindustrie, die ihren Einfluss nutzt um sich vom Staat mit Steuergeldern teure Verbrennerinfrastruktur bauen zu lassen und Regulationen zu verhindern die Nachhaltigkeit in ihren Produktlinien erzwingen würde.
Das sind aber keine Verschwörungen sondern ganz normaler Lobbyismus und normale Korruption.
frivol schrieb am 03.04.2021:Wenn die Leute nicht genug bezahlen für Kinderbetreuung und Pflege, dann kann auch niemand mehr Geld bekommen.
Kinderbetreuung und Pflege soll aber für jeden zugänglich sein, unabhängig vom Einkommen.
Dementsprechend gibt es hier keine Angebot/Nachfrage-Regelung.
Selbe Geschichte im Gesundheitswesen und der Schulbildung.
An der Stelle müssen wir uns als Gesellschaft die Frage stellen ob wir das so stehen lassen wollen.
Man hätte ja einige Möglichkeiten umsoziale Berufe stärker zu Wertschätzen. Bspw. mit angepassten Steuersätzen die sich an gesellschaftlichem Wert der Arbeit orientieren und soziale Berufe stark entlasten.
Deine Argumente erinnern mich an Steven Pinker's Buch "Enlightenment Now". Bill Gates hat es als sein neues Lieblingsbuch bezeichnet, was nicht weiter verwundert, da es praktisch eine technokratische Utopie herbei argumentiert, die Gates' Ansätze bekräftigt.
Es wird in einer relativ plumpen Art und Weise der Status Quo gelobt und aus dem Trend der letzten 80 Jahre ein allgemeiner Trend zivilisatorischer Entwicklung gemacht. (Eigentlich wird alles besser)
Überlegungen von Nachhaltigkeit, vor allem mit moralischer Dimension* oder kritisches Hinterfragen der eigenen Operationalisierungen (bedeutet steigender Konsum wirklich grundsätzlich steigende Lebensqualität? Lässt sich das "gute Leben" mit ökonomischen Indikatoren vollumfänglich erfassen? Ist direkte körperliche Gewalt die einzige relevante Form von Gewalt?)
*Sind die Konsequenzen fehlender Nachhaltigkeit in unseren System moralisch vertretbar?
Bspw: Wir haben jetzt bald 8 Milliarden Menschen auf dem Planeten. Wenn diese Zahl systembedingt wieder auf eine Milliarde schrumpft, ist das moralisch vertretbar? Wäre es moralisch vertretbar, wenn Milliarden Menschen industriell vernichtet werden? Oder wäre moralisch vertretbar wenn Milliarden Menschen an den Umständen sterben, die die fehlende Nachhaltigkeit im System hervorgebracht hat?
Pinker is Psychologieprofessor in Harvard. Der Recht- und Geschichtsprofessor Samuel Moyn (Yale) hat eine ganz gute Gegendarstellung zu Pinker's Argumenten geschrieben:
https://newrepublic.com/article/147391/hype-bestObrok schrieb am 03.04.2021:Das Arbeitsprozesse immer weiter optimiert werden und auf neue Technologien gesetzt wird, ist gängige Praxis und im Wettbewerb auch unerlässlich.
Ich sehe die Menschen aber nicht als Mittel zum Zweck zur Produktion, sondern die Produktion als Mittel zum Zweck die Gesellschaft am laufen zu halten und gesellschaftlichen Mehrwert zu produzieren.
Immer mehr Geschäftsmodelle haben keinen gesellschaftlichen Mehrheit mehr, in vielen Fällen haben sie sogar drastische negative Auswirkungen auf die Gesellschaft (bspw. fossile Geschäftsmodelle) und halten sich trotzdem am Markt, weil sie ihre Machtpositionen so ausnutzen können um ihre Geschäftsmodelle mit Steuergeldern wettbewerbsfähig zu halten.
Obrok schrieb am 03.04.2021:Das Arbeitsprozesse immer weiter optimiert werden und auf neue Technologien gesetzt wird, ist gängige Praxis und im Wettbewerb auch unerlässlich.
Was bringt es einem Unternehmen, wenn sie 10 Mitarbeiter behalten, aber ihre Produktion so langsam vonstatten geht, dass sie die Teuersten aber nicht die Besten am Markt sind?
Am Ende sitzen nicht nur 8 Leute beim Arbeitsamt, sondern 10. Weil das Unternehmen nicht Wettbewerbsfähig war und nicht mit der Zeit ging.
Wenn man das so Denkt, dann muss man aber Wertschöpfungsketten als öffentliches und nicht als privates Eigentum ansehen.
Sonst arbeitet die Gesellschaft für die Wirtschaft und nicht umgekehrt.
Obrok schrieb am 03.04.2021:Ob dabei der Markt wirklich verzerrt wird, wenn sich Unternehmen an die Politik wenden, ist nicht pauschal zu beantworten.
Politik sollte auch für die Interessen der Unternehmen ein offenes Ohr haben, da sie es schließlich sind, die überhaupt für Arbeitsverhältnisse im Land sorgen, statt nach China oder andere Billiglohnländer abzuhauen.
Naja, ein langfristiger und wissenschaftliche fundierter Blick ist notwendig.
Die Bundesregierung hat die letzten 15 Jahre mit Einsatz von viel Steuergeld dafür gesorgt, dass deutsche Autobauer nicht innovativ sein mussten und trotzdem gute Gewinne machen konnten.
Jetzt sind wir an einem Punkt, das deutsche Autobauer im internationalen Wettbewerb bei E-Mobilität, Software insgesamt und autonomen Fahren im speziellen weit abgeschlagen sind und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den nächsten 10 Jahre massiv Marktanteile einbüßen werden deswegen.
Das sind auch keine Felder in denen aufgeholt werden kann.
Man hat also kurzfristig Profite gesichert und Aufwand vermieden, aber die Konsequenz ist langfristig, dass die deutsche Autobranche global keine große Rolle mehr spielen wird. Und das wird uns viel teurer zu stehen kommen als das war wir die letzten 15 Jahre gewonnen haben.
Obrok schrieb am 03.04.2021:Denn Markt verzerrend ist doch schon alleine die globale Lohnungleichheit.
Genau so wie die ungleiche Verteilung der Ressourcen und vieles mehr.
Nein, das sind Gegebenheiten an die sich Geschäftsmodelle anpassen müssen.
Die Marktverzerrung von der ich rede ist doch eindeutig.
Fossile Industrien werden pro Jahr mit 4-6 Billion € subventioniert.
Regenerative Industrien hingegen werden pro Jahr nur mit 0,3 Billionen € subventioniert. (beides globale Zahlen)
Diese Subventionen sind Steuergeld.
Regenerative Industrien müssen sich am Markt also gegen einen Wettbewerber durchsetzen, der ihnen fast 4-6 Billionen € voraus ist.
Ist das fairer Wettbewerb?