Na hier kommt aber mal wieder alles daher beim Stichwort "Religion negativ?".
Keine Religion ist als Volkskontrolle konzipiert. Aber jede Religion kann von einem Staat oder einer Gesellschaft zur Volkskontrolle mißbraucht werden, wie es auch mit jeder anderen Philosophie, Weltanschauung usw. geschehen kann. Und oft schon geschehen ist. Jahrzehntelang "verteidigte" die USA in Korea, Vietnam, in den Bananenrepubliken, in Afghanistan, dem Irak... "Freiheit und Demokratie" fernab vondaheim. Und auch Deutschland beteiligt sich mittlerweile im fernen Hindukusch, "unsere Freiheit zu schützen", indem unsere Soldaten die Opiumfelder der Bösen zerstören und die Opiumfelder der Guten beschützen. Wie Religiös Hitlers Ideologie auch durchsetzt gewesen sein mag, die Entscheidungen und Aktionen Nazideutschlands waren areligiös. Auch der betont areligiöse Kommunismus, respektive Stalins, Maos, des Kim-Clans, Pol Pots, Castros führte zu einer "Volkskontrolle", die in wenigen Jahrzehnten z.B. die Todeszahlen von anderthalb Jahrtausenden Staatschristentum weit in den Schatten stellten.
Heidenverfolgung gab es durchaus im christlichen Raum.
Wikipedia: Heidenverfolgung Nach fast 300 Jahren wiederholter Christenverfolgung gab es im Römischen Reich zunächst eine Phase überwiegender Ruhe und Gleichberechtigung, der sich schließlich 200 Jahre wiederholter Heidenverfolgung anschlossen. Jeweils passend zur tragenden römischen Staatsideologie, nur das Vorzeichen hatte sich geändert. Trotz aller Verfolgung, von politisch-gesellschaftlicher Benachteiligung bis hin zu exzessiven Morden gab es dennoch keine gezielten regionalen wie imperiumsweiten Massenhinrichtungen wie bei den Christenverfolgungen. Auch im sich anschließenden Mittelalter und bei der Christianisierung der keltischen, germanischen, slawischen Völker Europas fand die Missionierung nur sehr selten "mit Blut und Schwert" statt. Das wohl mit Abstand schlimmste Ereignis waren die Sachsenkriege unter Karl dem Großen. Die Jahrhunderte der iroschottischen Mission verliefen weit friedlicher durch Predigt und Unterweisung.
Wo Wissen(schaft) aufhört, fängt Glaube an - hier bekomme ich den Eindruck, das stimmt sogar. Auf jeden Fall hängt z.B. für die Aufklärung Unwissenheit mit Volkskontrolle zusammen. Bezeichnenderweise ebenjener Aufklärung, der wir die zahlreichen Aufklärungslügen zu verdanken haben, auch und gerade zu Religion und Glaube, wie sie z.T. hier kolportiert werden. Daß ausgerechnet die beiden größten Weltreligionen, Christentum und Islam, mehr als 1000 Jahre lang Wissenschaftsförderer und -wahrer waren, oft die einzigen, bevor sich dann ab dem Hochmittelalter allmählich eine separate Bildung etablierte, wird gerne verdrängt. Hingegen wird das Christentum gern für den Wegbruch des antiken Wissensstandes verantwortlich gemacht. Vielmehr war der antike Bildungskanon der klassischen sieben Künste für die mittelalterliche Bildungsschicht nicht so interessant. Dennoch tradierten die kirchlichen Institutionen diesen Kanon wie auch die antiken Standardwerke dazu, ja erweiterten sowohl die Werke als auch den Kanon, letzteren um Theologie, Jura und Medizin.
So ist z.B. die Legende falsch, im Mittelalter sei es verboten, Leichnahme zu öffnen, um die menschliche Anatomie zu lernen. Verboten war es durchaus - im antiken Rom! Im Mittelalter hingegen entstanden erste anatomische Werke samt Darstellungen des menschlichen Inneren. Und selbst zu Galileis Zeiten lehnten nicht die kirchlichen Stellen, sondern die weltlichen Kollegen Galileis Thesen ab, wollten nicht mal durch sein Fernrohr sehen. Kirchliche Forscher und Kurie hingegen ermunterten Galilei sogar, weiter an seiner Forschung zu arbeiten (der berühmte Eklat drehte sich nicht um die Inhalte, sondern um Galileis Anspruch, nicht eine Theorie vorzustellen, sondern die Wahrheit). Selbst heute noch betreibt der Vatikan z.B. Observatorien, beteiligt sich weltweit an High-End-Projekten modernster Himmelsbeobachtung. Einen richtiggehenden Konflikt zwischen Kirchen und Wissenschaft gab es erst hauptsächlich im 19.Jh. und in den Jahrzehnten davor wie danach. Zum einen, weil zunächst von deistischer, dann aufklärerischer und schließlich atheistischer Seite dieser Konflikt behauptet und instrumentalisiert wurde, zum anderen dann aber auch inhaltlich, als zuerst das Alter der Welt und dann vor allem die Entstehung der Arten und speziell des Menschen radikal "umgeschrieben" wurden. Spätestens seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts haben die Kirchen aber ihren Frieden mit der Wissenschaft geschlossen. Und selbst in diesen knapp 200 Jahren gab es nie eine generelle Wissenschaftsfeindlichkeit.
Über Religion als Volkskontrolle kann man ja mal reden, ganz sachlich. Was aber hier abgelaufen ist, das ist allgemeines Religionsbashing, unsachlich und mit Unwahrheiten. Polemik, Vorurteilspflege, gegenseitiges Schulterklopfen, aber keine sachliche Auseinandersetzung. Die Aufklärung, die sowas wie das hier produziert hat, ist für mich zu einem Schimpfwort geworden wie Freidenker und leider auch Humanist. Aufklärung im Wortsinne ist das hier nicht.