Andante schrieb:Er betreibt Populismus. Bis die Deutschen geistig kriegstüchtig geworden sind, und das müssen sie sein, wenn es darum geht, sich mit Putin anzulegen, dauert es wohl noch eine Weile. Immerhin: Inzwischen ist etwa die Hälfte der Deutschen für ein Wiederaufleben der Wehrpflicht.
Also, erst Mal, Wehrpflicht ist anderes Thema, Claudia Major hat darüber ein paar kluge Gedanken notiert.
Und täglich grüßt die Wehrpflicht
Die Wehrpflicht wird als Patentlösung für die Probleme der Bundeswehr diskutiert. Doch sie ist keine entscheidende Antwort auf die aktuellen Probleme bei der Verteidigung Deutschlands.
Quelle:
https://www.handelsblatt.com/meinung/kolumnen/geoeconomics-und-taeglich-gruesst-die-wehrpflicht/100011789.htmlDann, es kann doch nur darum gehen, den Kanzler an seinen eigenen Aussagen und Führung zu messen, nicht an Argumenten, die du hier andenkst und die man diskutieren kann, aber so nicht von Scholz kamen. Er ist der Kanzler. Sagt (nicht nur) Hofreiter. Hätte er ja machen können, etwa Angst um deutsche Verteidigung, das an Habeck und Lindner kommunizieren mit der Bitte, mäßigend auf die jeweiligen Fraktionen einzuwirken. Hätte, hätte Fahrradkette, hat er aber nicht. Insofern muss man da jetzt auch nicht Mitleid mit ihm haben. Und natürlich hat er auch Ängste geschürt und stellt sich dann am Mittwoch bei der Befragung im Bundestag hin und sagt, "Sie machen den Menschen Angst", ja, was soll das denn Anderes sein als Populismus?
Es bräuchte einen Kanzler, wie ich schon sagte und auch unabhängig von der Taurus-Frage, der den Bürgern erklärt, warum ein Erfolg der Ukraine auch im deutschen Interesse ist. Das wäre Führung.
Tatsächlich war es doch so, dass er die Koalitionspartner 8 Wochen an dem Ampel-Antrag werkeln ließ, nur um dann, als der Antrag schon durch war, so nebenbei im dpa-Gespräch zu sagen, ach so, das mit Taurus geht natürlich nicht, weil ... Ähem, ja. Und davor? Da war die Strategie was? Also wenn da wirklich eine Strategie zu erkennen war? Eher war es so, dass da immer wieder mit Ängsten, mit angeblichen technischen Barrieren und kolportierten Argumenten gearbeitet wurde, die sich dann als fachlich fehlerhaft erwiesen. Übrigens auch von rechtlicher Seite.
Zu den (kolportierten) rechtlichen Nebelkerzen, siehe auch:
Die Ausreden des Olaf Scholz
Quelle:
https://www.lto.de/recht/meinung/m/taurus-scholz-kommentar-heinemann-ukraine/Und nach dem "Leak" war da noch mehr zu Bruch gegangen.
Politisch ist damit einiges zu Bruch gegangen. Klar ist jedenfalls: Der Kanzler hat entweder keine Ahnung von Taurus oder er hat der Öffentlichkeit die Unwahrheit gesagt. Denn aus der abgehörten Schalte der Luftwaffenoffiziere geht eindeutig hervor, dass die Beteiligung deutscher Soldaten insbesondere an der Zielprogrammierung des Marschflugkörpers nicht zwingend erforderlich ist. Die gegenteilige Behauptung dient Scholz lediglich als Ausrede, den Marschflugkörper nicht zu liefern. Damit bestätigt sich, worauf Sicherheitsexperten schon lange hinweisen.
Die Nachbereitung dieser hektischen Woche hat aber auch eine juristische Dimension. Da wäre zunächst das wiederholte Argument, Deutschland dürfe nicht Kriegspartei werden und die Taurus-Lieferung sei insoweit eine "rechtliche Grauzone" – so der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich gestern bei Berlin Direkt. Das ist eine Nebelkerze. Denn völkerrechtlich spielt die Kategorie "Kriegspartei" keine Rolle mehr. Russland durfte die Ukraine nicht angreifen. Und ebenso wenig darf Putin Staaten angreifen, die der Ukraine – auch militärisch – zu Hilfe eilen. Davon lenkt das sozialdemokratische Glasperlenspiel ab, an welchem Punkt genau Deutschland zur Kriegspartei werden könnte. Das ist juristisch völlig egal, und zwar vor allem dann, wenn man das Völkerrecht ernst nimmt – was Putin nebenbei gesagt ohnehin nicht tut.
Quelle:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/taurus-leak-sicherheitsrecht-abhren-201-stgb/In sich schlüssig war dabei nichts.
Und zu der Mützenich-Rede im Bundestag? Ich musste ja schmunzeln, weil da Klingbeil applaudierte, und ich mich noch an den SPD-Debattenkonvent von 2022 erinnerte (ach ja, die Rede von Klingbeil über Deutschlands Führungsrolle, 2022 war das). Also da auf dem Konvent hielt Mützenich eine Veranstaltung und Klingbeil eine andere, gab es eine Schnittmenge? ähem?, und Lisa Caspari schrieb einen schönen Bericht mit dem Titel: Die Debatten, die sie vermeiden.
Aber auch mit der Russland-Politik seiner eigenen Partei hadert Mützenich bisweilen. Weder das lange verfolgte Prinzip "Wandel durch Handel" noch die sozialdemokratische Entspannungspolitik seien schuld an der militärischen Aggression Putins: Jeder habe Fehler gemacht – aber die Friedenspartei SPD könne jetzt doch nicht beim Entschuldigen stehen bleiben. Findet Mützenich.
Quelle:
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2022-11/spd-debattenkonvent-olaf-scholz-rolf-muetzenich-friedenspolitik/seite-2Und das brach jetzt wieder auf oder was, hat sich etwa Mützenich durchgesetzt? Identitätskonflikt der Partei? Kein Wunder jedenfalls, dass die Grünen da auf klare Konfrontation gingen, Auftritt Agnieszka Brugger im Bundestag. Ulrich Reitz hat die Konfrontation (die über die Taurus-Frage hinausgeht) m. E. gut nachgezeichnet:
Die nächste Taurus-Debatte bringt ungewöhnliche, einmalige Koalitionen hervor, wie es sie noch nie gegeben hat. Und offenbart eine tiefe Entfremdung zwischen Grünen, der SPD und ihrem Kanzler.
Auf der Regierungsbank sitzt Annalena Baerbock (Grüne). Während der sehr besonderen Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich, die binnen allerkürzester Zeit bis hinein in ukrainische Regierungskreise hohe Wellen schlägt, kann man sie mehrmals mit dem Kopf schütteln sehen. Und wer ihre Lippen genau beobachte, sieht sie ein „Unverschämtheit“ raunen und „unglaublich“ an die Adresse des SPD-Fraktionschefs sagen ...
Quelle:
https://www.focus.de/politik/meinung/eine-anaylse-von-ulrich-reitz-ausgerechnet-eine-gruene-zeigt-warum-sprachpolizist-scholz-nicht-durchkommt_id_259762439.htmlAuch noch zwei Begriffsklärungen, denn natürlich stehen da auch Begriffe im Wahlkampf bzw. wird im Wahlkampf auch mit Begriffen gekämpft, empfehle ich auch Joerg Lau, zum Begriff der Besonnenheit:
„Besonnen bleiben“
Die Selbstcharakterisierung als besonnen ist ein Schlüssel zu den außenpolitischen Kommunikationsproblemen dieser Bundesregierung.
Quelle:
https://internationalepolitik.de/de/besonnen-bleibenUnd zum Begriff des "eingefrorenen Kriegs":
Eingefrorener Konflikt
Über einen Begriff, der die aggressive Strategie einer imperialen Macht beschönigt, die ihre Einflusszone durch Einschüchterung ausdehnt.
Quelle:
https://internationalepolitik.de/de/eingefrorener-konflikt-0Wird das SPD-Kalkül aufgehen? Ich denke nicht. Warum nicht? Falls du 8 Minuten hast, sind nur 8 Minuten, schau dir das Interview von Frau Slomka mit Ralf Stegner an vom heute-journal, das ist wirklich unterhaltsam. Sie fängt an damit, dass sie ihn zu den "fassungslosen, entsetzten Reaktion" auf die Rede von Mützenich befragt, zieht ihm dann vor laufender Kamera die Hosen aus, Video im Link:
Es ginge bei „eingefrorenen Konflikten“ darum, „zeitlich befristete, regional begrenzte Waffenstillstände“ zu erreichen, so der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner zur Mützenich-Rede.
Quelle:
https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/sgs-stegner-spd-100.htmlUnd sagt dann zum Schluss, als sich Stegner verhaspelt, das macht nichts mehr, unsere Zeit ist eh zu Ende :-) Ich liebe solche Frauen :-))
Also Alles in Allem war der Taurus-Streit auch wie ein Unfall, ein fast schon dramatischer Autoritätsverlust. Ein Macron mokierte sich öffentlich über Scholz, unter Beifall von Polen, und zwang ihn zum "Friedensgespräch" gestern, zu Hause versuchte es Mützenich mit Führung, das führte dann aber auch zu fassungslosen Reaktionen. Also kurz, irgendwie wie ein Unfall, dem man zuschaut.