Mr.-iös schrieb am 15.12.2022:Möglichst schnell, möglichst billig und mit so wenig Aufwand wie es nur geht. Man hat ja schließlich auch noch anderes zu tun als seine Mutter zu beerdigen. So blöd es auch klingt, man kommt sich zunehmend oft wie in einem Entsorgungsbetrieb vor.
Ich kann mir vorstellen, was du meinst. Unsere ganze Gesellschaftsstruktur ist dahingehend aufgebaut, dass es für alles Zeit gibt, aber den Tod bedenkt kaum jemand. Noch düsterer sieht es mit dem unvermeidlichen Sterbeprozess aus, dessen Beginn nur der Arzt bestimmen darf. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Ärzte nicht alles über den Sterbeprozess wissen und die Ärzte wissen auch selbst, dass sie nichts wirklich Letztgültiges über den Sterbezeitpunkt sagen können. Manchmal stimmen diesbezügliche Voraussagen der Ärzte, manchmal sind sie falsch. Manch einer braucht für den Sterbeprozess 18 Monate, während andere bei gleicher Krankheit nur eine Woche brauchen. Um das zu erklären, lächelt dann ein Arzt und sagt: "Der war aber zäh, dass er so lange durchgehalten hat."
Ich habe mich sehr viel beruflich mit Sterben auseinandergesetzt: manchmal ist das Sterben leichter, manchmal über lange Zeit quälend. Am besten wirken Schmerzmittel, wenn man bereit ist zum Sterben, nachzulesen bei Dr. Monika Renz, Hinübergehen: Was beim Sterben geschieht. Annäherungen an letzte Wahrheiten unseres Lebens.
Ich trenne die Bestattung nicht vom Sterben, so als ob man zack! vom Leben direkt zur Bestattung käme.
Es macht mich traurig und wütend, dass es nur 2 freie, bezahlte Tage für Arbeitnehmer gibt, wenn ein sehr naher Angehöriger gestorben ist. Das reicht gerade mal für die allernötigsten Formalitäten. Es gibt keine Trauerkultur. Freunde haben gar keine Rechte.
So wie Menschen oft in den Betrieben wie Zitronen ausgequetscht werden, um dann entsorgt zu werden, so möchte man auch die lästig gewordenen Toten entsorgen, wenn man mit ihnen nicht in Liebe verbunden war. Viele in der Gesellschaft sind lieblos geworden, ganz bstimmt gab es schon viel Lieblosigkeit auch in früheren Zeiten, von irgendwoher muss das ja kommen, und das spiegelt sich dann auch im Bestattungsinstitut. Eine liebevolle Beerdigung gibt es nur, wenn Angehörige und Freunde da sind, die lieben. Das Problem ist dann der letzte in einer liebenden Familie, der alle begleitet hat, aber nicht schlau genug war vorzusorgen. Dann ist er übrig und der Staat übernimmt nur das Allernotwendigste zur Entsorgung des Leichnams. Die Einsamkeit der Menschen zu Lebzeiten geht dann nahtlos auf den Leichnam über.
Das Leben ist kostbar. Der Sterbeprozess ist ein Teil des Lebens. Alle Kinder gehen zur Schule. Seltsam, der Tod kommt da als Unterrichtsfach oder -projekt nicht vor, schon dort beginnt die Wertehaltung: dem Tod nur nicht zu nahe kommen. Vielleicht braucht es eine gewisse Grundhaltung, um dem Tod ins Gesicht sehen zu können? Auch wenn ein Mensch institutionell nicht an Religion gebunden ist, kann er eine innere Haltung zur Tiefendimension Tod und Ewigkeit entwickeln.
Und da schließt sich der Kreis: dem Tod nicht zu nahe kommen wollen bedeutet in letzter Konsequenz auch, dass eigentlich eben anderes wichtiger ist als die Beerdigung der Mutter. Es kann aber auch einfach ein Zeichen der Erschöpfung der Angehörigen sein, die ein langsames Sterben der Mutter begleitet haben und deren Kräfte dann aufgebraucht sind. Warum sind die Kräfte aufgebraucht? Weil es nicht genügend Pflegekräfte gibt, denn über lange Zeit wurde dieser Berufsstand gesellschaftlich missachtet, und manch ein Pflegeheim ist in Wirklichkeit nur eine Pflegebatterie und zwar sind das besonders die, die viel Geld für die Aktionäre abwerfen sollen. Da werden auch schon mal die Essensrationen gekürzt für die Menschen im "Altenknast", wie Pflegeheime auch neuerdings genannt werden. Ja, Essensrationen werden gekürzt zum Wohle der Aktionäre, nachzulesen bei Armin Rieger, Der Pflegeaufstand. Ein Heimleiter entlarvt unser krankes System. Würdige Altenpflege ist machbar. Armin Rieger war vor seinem Beruf als Heimleiter verdeckter Ermittler in der Drogenfahndung.
Ja, alles hängt mit allem zusammen.
darkstar69 schrieb:Und auch das Bestatterwesen kann meiner Ansicht nach sehr profitieren, wenn sie sich weiter entwickelt. Sie kann Teil einer Kultur und Begleitung und Beratung in Trauer und Erinnerung und im Tode sein.
Genauso sehe ich es auch.
Frau.N.Zimmer schrieb:Eben drum! Mein ganzes Leben hab ich auf Körperhygiene geachtet, das geb ich doch im Tod nicht auf.
Vor dem Tod kommt das Sterben. Wer nicht durch einen Unfall stirbt, macht einen Wandlungsprozess durch. Im Grunde ist das Sterben eine Art Abenteuer, denn man weiß nicht, was auf einen zukommt. Palliativkräfte schauen staunend zu und begleiten die Sterbenden in ihrer Wandlung.