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Wie möchtet Ihr beerdigt werden?

59 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Tod, Friedhof, Beerdigung ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Wie möchtet Ihr beerdigt werden?

17.12.2022 um 12:26
Zitat von Mr.-iösMr.-iös schrieb:Wie sollte man auch auf die Idee kommen, jemanden den man geliebt hat, der mächtigen Gewalt von Feuer und Knochenmühle auszusetzen? Für mich seit jeher unverständlich.
Ja, das konnte ich mir immer nur schwer vorstellen, nachdem meine Tante so für die Feuerbestattung geschwärmt hatte.

Inzwischen weiß ich, dass die sanfteste und überhaupt nicht Strom vergeudende Bestattung - wie sie für die Feuerbestattung mit ihren riesigen Energiemengen verschlingenden Krematorien nötig ist - das Kompostieren ist. Als ich zum ersten Mal vor 3 Jahren davon hörte, dachte ich, es sei ein Witz. Danach habe ich dazu ein Buch einer US-Amerikanerin gelesen, deren Namen ich momentan nicht erinnere, über Bestattungsriten in aller Welt und in diesem Buch wurde auch das Kompostieren vorgestellt. Ich finde die Vorstellung gut, wieder ganz in den Kreislauf der Natur zu gelangen und zwar möglichst schnell, was das Kompostieren ermöglicht.

Das, was sich Kompostieren hier in Deutschland so nennt und beforscht wird, hat mit dem wirklichen Kompostieren nicht viel zu tun, denn der Leichnam wird vorher erst auf -18 Grad, dann auf - 196 Grad (in einem flüssigen Stickstoffbad) abgekühlt und danach gefriergetrocknet, was so viel Energie wie eine Verbrennung erfordert. In den USA erledigt das alles die Natur in den entsprechenden Forschungseinrichtungen.

Welche Gründe gibt es, dass wir in Deutschland mit dem Thema bestattungskulturell noch nicht weiter sind? Ein Grund ist mit Sicherheit, dass die Menschen sich über das Sterben und den Tod gar keine Gedanken machen wollen und am liebsten friedvoll den Tod zu Hause erwarten, was ja nur ca. 30% aller Menschen tatsächlich auch schaffen. Gibt es weitere Gründe?

Alternativ zu dem Kompostieren finde ich es gut, wie Moslems ihre Toten bestatten: mit einem einfachen Tuch und der Bestattungsort beibt unangetastet "bis in alle Ewigkeit", weil es die letzte Ruhestätte sein soll. Diese Form der Bestattung kommt dem Kompostieren noch am nächsten, dauert aber länger. Aber das ist aus bodenhygienischen Gründen in einem feuchten Land wie Deutschland wohl nicht möglich (?); es gibt nur Ausnahmen für Muslime.


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17.12.2022 um 13:02
@Mr.-iös
@Füchschen
Feuerbestattungen sind aber ja ein sehr altes und lange gepflegtes Ritual in allen teilen der Welt und gerade auch in Mittel- und Nordeuropa. Also ansich finde ich gar nichts dabei. Gerade die Wikinger haben sehr tolle Rituale dazu gepflegt. Heutige Bestattungen haben damit nur gar nichts mehr zu tun.

Mir selbst behagt die Vorstellung dennoch nicht so ganz richtig, genauso aber auch nicht, irgendwo in einem engen Holzkabuff rumzudümpeln. Abgesehen von den ökologischen Fragwürdigkeiten einer solchen Beerdigung in Sarg und Klamotten und mit Schmuck und Decke und Plastikbezug uvm, finde ich es in einer solchen Kiste auch unheimlich.
Daher wäre mir eben am liebsten ganz und gar natürlich und naturverbunden nackig und ohne trallala in einem ordentlichen und natürlichen Komposthaufen zu zergehen, das geht auch schneller und dann anschließend hübsch unterm Baum im Wald mit all den tollen Tieren und Blumen und überhaupt. Man kann das Naturwerden ja durch andere natürliche Mittel und Wärme unterstützen. Aber mir wäre es lieb, dies nicht mit viel Technik und Chemie und Gift und Energie usw zu machen.

Ich finde zwar diese alten großen Familiengräber und -gruften mit den tollen Statuten und viel Efeu und all dem super toll, würde das für mich selbst aber gar nicht so wollen.

Die Diskussion, dass die Familie und Bekannten usw einen Ort zum Trauern brauchen, finde ich zwar durchaus beachtenswert, darf aber meine Selbstbestimmung und meine Vorstellungen keinesfalls aushebeln. Auch auf einem anonymen Leichenacker weiß man, auf welcher Wiese und in welcher Ecke die Urne zu Grabe getragen wurde. Da gibts dann Bänke und man kann sich setzen und gedenken. Und bei mir wüssten sie dann, welcher Baum der meinige ist und können sich dahin hocken und anlehen, picknicken, Met trinken und über das Leben sinnieren. Sofern sie die Blümchen nicht kaputt machen :)

Aber wenn denn schon eine solche Diskussion, dann sollten solche Beerdigungsmöglichkeiten auch wohnortnah gegeben sein. Zum nächsten Friedwald werden meine Angehörigen ca 60 km fahren müssen. Da ist absehbar, dass sie mich nicht oft besuchen werden. Ein Ort zum Gedenken und die Diskussion dazu ist also iwie auch hinfällig.

Tod und Sterben und die Beerdigungsmöglichkeiten sind mAn politisch in Deutschland nicht genügend im Fokus. Es gibt mEn viel zu wenig Friedwälder. Auch auf städtischen Parkfriedhöfen gibt es meist keine Waldbestattungen bzw Baumbestattungen? Weshalb nicht? Die Selbstbestimmung des Sterbens und Beerdigens ist nicht genügend in der Diskussion, vielleicht auch weil viele das lieber verdrängen? Keine Ahnung. Ich denke, die Vielfalt machts und die ist in Deutschland nicht gegeben. Ein Faktor daran, dass die Selbstbestimmung und Vielfalt nicht genügend diskutiert und umgesetzt wird, ist mMn auch klar die Kirche. Sie bremst da ordentlich mit aus, wobei Staat und Kirche ja getrennt sein sollten und sich doch die Kirchenmitglieder, die auf dem Kirchenacker bestattet werden möchten, das selbstbestimmt tun können. Aber die Kirche verliert dann noch mehr Familiengräber und somit mächtig viel Geld?

Es wird oft gesagt, gerade in den Städten mangelt es an Bäumen, weshalb werden dann nicht von Friedhofswiesen (die meist eher nach Acker aussehen) bepflanzte Wälder und Parks mit Farnen und Wildblumen und Blumenwiesen?

Kompostierplätze kann man auch einrichten anstatt der vielen teuren und energieverschwendenden Krematorien. Meinetwegen darf man mich zum Kompostieren auch stapeln.


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17.12.2022 um 14:20
Feuerbestattung. ich habe mein halbes Leben lang gefroren, so hab ich wenigstens die Gewissheit das es mir nach meinem Ableben nochmal richtig warm ums Herz wird :lv:


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17.12.2022 um 23:23
Zitat von FüchschenFüchschen schrieb:Kompostieren
Zitat von darkstar69darkstar69 schrieb:Daher wäre mir eben am liebsten ganz und gar natürlich und naturverbunden nackig und ohne trallala in einem ordentlichen und natürlichen Komposthaufen zu zergehen,
Ich hatte davon noch nie was gehört, fand jetzt aber beim googlen folgenden Bericht vom März diesen Jahres.
Die neue Bestattungsform "Reerdigung" wird derzeit in Mölln im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg erprobt.

Seit Mitte Februar liegt nach Angaben des Berliner Unternehmens Circulum Vitae GmbH erstmals in Europa eine Tote in einem sogenannten Kokon, einem sargähnlichen Behälter. Mikroorganismen und "moderne grüne Technologie" verwandeln den Leichnam in eine Art Humus
[...]
Die "Kompostierungszeit" betrage 40 Tage, erklärt Kirchensprecher Michael Birgden. Dann werden die Überreste aus dem Kokon entnommen und in ein nur 30 Zentimeter tiefes Grab gelegt. Darüber kommt eine Schicht Friedhofserde. Nun können die Hinterbliebenen einen Baum oder einen Rosenstock pflanzen, auch Maulwürfe und Regenwürmer dürfen im Grab aktiv werden.
[...]
Der Leichnam werde auf Heu, Stroh und Blumen gebettet, dann übernehmen die Mikroorganismen die Kompostierung bei einer Temperatur von etwa 70 Grad, die auf natürliche Weise entstehe.
Das geht zumindest mal in eine ziemlich "natürliche" Richtung.


https://weather.com/de-DE/wissen/klima/news/2022-03-06-klimaneutrale-bestattung-kompostieren-im-kokon


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18.12.2022 um 00:16
Keine Ahnung aber ich möchte nicht verbrennt werden und auch nicht unter die Erde. Ein Sarg an der Oberfläche vielleicht.


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18.12.2022 um 06:06
Verbrannt und die Urne in den Friedwald. Ich hab das auch alles schon festgelegt, bevor sich meine Kinder was vom Bestatter aufschwatzen lassen.

So langsam verfaulen ist nichts für mich.


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18.12.2022 um 08:43
Zitat von Frau.N.ZimmerFrau.N.Zimmer schrieb:So langsam verfaulen ist nichts für mich.
Sonderlich gut riechen tut man dabei auch nich gerade ^^


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18.12.2022 um 08:50
Zitat von FunzlFunzl schrieb:Sonderlich gut riechen tut man dabei auch nich gerade ^^
Eben drum! Mein ganzes Leben hab ich auf Körperhygiene geachtet, das geb ich doch im Tod nicht auf.


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18.12.2022 um 09:19
Zitat von Photographer73Photographer73 schrieb:Das geht zumindest mal in eine ziemlich "natürliche" Richtung.
Ja, solche Berichte hatte ich auch schon gelesen. Es werden zum Glück immer mehr. Ich hoffe, dass die Diskussion um Vielfalt und Selbstbestimmung in Tod und Bestattung dadurch öffentlicher werden und dass es damit weiter kommt. Das sollte regional und wohnortnah überall angeboten werden. Es soll ja für jeden zugänglich und erreichbar sein und auch keine zusätzlich weiten Wege und Fahrten bedeuten.

Ich meine, dass man mit dieser Methode dann noch immer die Knochen zerkleinern lassen muss. Wäre mir notfalls aber auch egal, das ist bei einer Kremation ggf ebenso. Vielleicht entwickelt sich das zügig weiter und wird immer natürlicher.

Damit sollte mMn die Ökologie, Nachhaltigkeit, Naturnähe im Bestattungswesen auch mehr Eingang finden. Die Bestatter verdienen dann vielleicht nicht mehr an der Vermittlung und Verkauf von Särgen (die wenig ökologisch sind) mit Bettzeug und Samtbezug und Plastikfüllung und Lack und Chemie usw. Aber sie können das ganze drum rum um so mehr begleiten und steuern und den Abschied wirklich in den Fokus nehmen. Und Kooperationsverträge kann man sicherlich auch mit Kompostierfirmen machen.

Und im nächsten Schritt kommt für mich dann eben der Friedwald. Der müsste also auch entsprechend wohnortnah und regional sein. Kann ja auch zur Begrünung von Städten beitragen.


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18.12.2022 um 09:58
Zitat von Frau.N.ZimmerFrau.N.Zimmer schrieb:Eben drum! Mein ganzes Leben hab ich auf Körperhygiene geachtet, das geb ich doch im Tod nicht auf.
Genauso sehe ich das auch :)

Alleine schon die Vorstellung, das man dann auf Zweifuffzich Tiefe in einer knallengen Holzkiste ( die darüber hinaus auch noch ne Menge Geld gekostet hat ^^ ) vor sich hin stinkt.....gewürzt mit Würmerkot und sonstigen Zeugs...da sag ich nur:

SpoilerPFUI DEIBL!

Nix da - meine Überreste sollen rein und sauber in Mutter Erde´s Schoss gebraucht werden....geruchsfrei vor allen Dingen!


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18.12.2022 um 10:08
Zitat von FunzlFunzl schrieb:sauber in Mutter Erde´s Schoss gebraucht werden
gebracht


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18.12.2022 um 18:09
Zitat von Mr.-iösMr.-iös schrieb:Leider geht durch diese ganze „Entsorgung“ ein großes Stück Kultur und meiner Meinung nach auch Respekt gegenüber den Verstorbenen verloren. Auf kurz oder lang werden viele Friedhöfe schließen müssen und die Begräbniswälder aus allen Nähten platzen.
Ich sehe darin eben überhaupt keine "Entsorgung" sondern einen normalen gesellschaftlichen Wandel und eine gute Entwicklung, solange sie vielfältig bleibt, dass Menschen mit Ressourcen und Natur und Klima usw in Einklang gehen möchten, Familie nicht mit problematischer Moral belasten möchten, gesellschaftlich aufgedrückter Kultur kritisch umgehen möchten. Gerade die Entwicklung zu ökologischer, naturnaher, klimafreundlicher, nachhaltiger und platzschonender Bestattung finde ich gut. Nur muss auch das regional und wohnortnah möglich sein.

Ich sehe auch nicht, dass dann Friedhöfe schließen müssten. Sie müssen sich möglicherweise mit wandeln. Sie könnten doch auch ganz oder teilweise zu Parkanlagen und Wäldern umgestaltet oder vergrößert werden.

Und auch das Bestatterwesen kann meiner Ansicht nach sehr profitieren, wenn sie sich weiter entwickelt. Sie kann Teil einer Kultur und Begleitung und Beratung in Trauer und Erinnerung und im Tode sein.


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18.12.2022 um 22:11
Was ich möchte, ist verboten.


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18.12.2022 um 22:18
Zitat von Mr.-iösMr.-iös schrieb am 15.12.2022:Möglichst schnell, möglichst billig und mit so wenig Aufwand wie es nur geht. Man hat ja schließlich auch noch anderes zu tun als seine Mutter zu beerdigen. So blöd es auch klingt, man kommt sich zunehmend oft wie in einem Entsorgungsbetrieb vor.
Ich kann mir vorstellen, was du meinst. Unsere ganze Gesellschaftsstruktur ist dahingehend aufgebaut, dass es für alles Zeit gibt, aber den Tod bedenkt kaum jemand. Noch düsterer sieht es mit dem unvermeidlichen Sterbeprozess aus, dessen Beginn nur der Arzt bestimmen darf. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Ärzte nicht alles über den Sterbeprozess wissen und die Ärzte wissen auch selbst, dass sie nichts wirklich Letztgültiges über den Sterbezeitpunkt sagen können. Manchmal stimmen diesbezügliche Voraussagen der Ärzte, manchmal sind sie falsch. Manch einer braucht für den Sterbeprozess 18 Monate, während andere bei gleicher Krankheit nur eine Woche brauchen. Um das zu erklären, lächelt dann ein Arzt und sagt: "Der war aber zäh, dass er so lange durchgehalten hat."

Ich habe mich sehr viel beruflich mit Sterben auseinandergesetzt: manchmal ist das Sterben leichter, manchmal über lange Zeit quälend. Am besten wirken Schmerzmittel, wenn man bereit ist zum Sterben, nachzulesen bei Dr. Monika Renz, Hinübergehen: Was beim Sterben geschieht. Annäherungen an letzte Wahrheiten unseres Lebens.

Ich trenne die Bestattung nicht vom Sterben, so als ob man zack! vom Leben direkt zur Bestattung käme.

Es macht mich traurig und wütend, dass es nur 2 freie, bezahlte Tage für Arbeitnehmer gibt, wenn ein sehr naher Angehöriger gestorben ist. Das reicht gerade mal für die allernötigsten Formalitäten. Es gibt keine Trauerkultur. Freunde haben gar keine Rechte.

So wie Menschen oft in den Betrieben wie Zitronen ausgequetscht werden, um dann entsorgt zu werden, so möchte man auch die lästig gewordenen Toten entsorgen, wenn man mit ihnen nicht in Liebe verbunden war. Viele in der Gesellschaft sind lieblos geworden, ganz bstimmt gab es schon viel Lieblosigkeit auch in früheren Zeiten, von irgendwoher muss das ja kommen, und das spiegelt sich dann auch im Bestattungsinstitut. Eine liebevolle Beerdigung gibt es nur, wenn Angehörige und Freunde da sind, die lieben. Das Problem ist dann der letzte in einer liebenden Familie, der alle begleitet hat, aber nicht schlau genug war vorzusorgen. Dann ist er übrig und der Staat übernimmt nur das Allernotwendigste zur Entsorgung des Leichnams. Die Einsamkeit der Menschen zu Lebzeiten geht dann nahtlos auf den Leichnam über.

Das Leben ist kostbar. Der Sterbeprozess ist ein Teil des Lebens. Alle Kinder gehen zur Schule. Seltsam, der Tod kommt da als Unterrichtsfach oder -projekt nicht vor, schon dort beginnt die Wertehaltung: dem Tod nur nicht zu nahe kommen. Vielleicht braucht es eine gewisse Grundhaltung, um dem Tod ins Gesicht sehen zu können? Auch wenn ein Mensch institutionell nicht an Religion gebunden ist, kann er eine innere Haltung zur Tiefendimension Tod und Ewigkeit entwickeln.

Und da schließt sich der Kreis: dem Tod nicht zu nahe kommen wollen bedeutet in letzter Konsequenz auch, dass eigentlich eben anderes wichtiger ist als die Beerdigung der Mutter. Es kann aber auch einfach ein Zeichen der Erschöpfung der Angehörigen sein, die ein langsames Sterben der Mutter begleitet haben und deren Kräfte dann aufgebraucht sind. Warum sind die Kräfte aufgebraucht? Weil es nicht genügend Pflegekräfte gibt, denn über lange Zeit wurde dieser Berufsstand gesellschaftlich missachtet, und manch ein Pflegeheim ist in Wirklichkeit nur eine Pflegebatterie und zwar sind das besonders die, die viel Geld für die Aktionäre abwerfen sollen. Da werden auch schon mal die Essensrationen gekürzt für die Menschen im "Altenknast", wie Pflegeheime auch neuerdings genannt werden. Ja, Essensrationen werden gekürzt zum Wohle der Aktionäre, nachzulesen bei Armin Rieger, Der Pflegeaufstand. Ein Heimleiter entlarvt unser krankes System. Würdige Altenpflege ist machbar. Armin Rieger war vor seinem Beruf als Heimleiter verdeckter Ermittler in der Drogenfahndung.

Ja, alles hängt mit allem zusammen.
Zitat von darkstar69darkstar69 schrieb:Und auch das Bestatterwesen kann meiner Ansicht nach sehr profitieren, wenn sie sich weiter entwickelt. Sie kann Teil einer Kultur und Begleitung und Beratung in Trauer und Erinnerung und im Tode sein.
Genauso sehe ich es auch.
Zitat von Frau.N.ZimmerFrau.N.Zimmer schrieb:Eben drum! Mein ganzes Leben hab ich auf Körperhygiene geachtet, das geb ich doch im Tod nicht auf.
Vor dem Tod kommt das Sterben. Wer nicht durch einen Unfall stirbt, macht einen Wandlungsprozess durch. Im Grunde ist das Sterben eine Art Abenteuer, denn man weiß nicht, was auf einen zukommt. Palliativkräfte schauen staunend zu und begleiten die Sterbenden in ihrer Wandlung.


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18.12.2022 um 22:25
Ich habe meinen Vater beim Sterben begleitet, seine Hand gehalten, als er das letzte mal atmete, habe es als große Ehre empfunden, dass er mich zugelassen hat.


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19.12.2022 um 04:53
Zitat von Stubenhocker76Stubenhocker76 schrieb:Ich habe meinen Vater beim Sterben begleitet, seine Hand gehalten, als er das letzte mal atmete, habe es als große Ehre empfunden, dass er mich zugelassen hat.
Das ist doch auch das Schöne und Wichtige dabei. Bei einer Beerdigung macht niemand mehr etwas gut, das er zu Lebzeiten versäumt hat.

" Schenke Blumen während eines Lebens, auf dem Grab sind sie vergebens" Und das geht schon bei der Beerdigung los, der Verstorbene hat nichts mehr davon und die ganze Show ist nur für die Gäste.

Meine Geschwister und ich, wollen verbrannt werden und danach in Friedwälder. Handsträuße oder gar Kränze sind nicht erlaubt, das wurde uns vor paar Jahren , bei der Trauerfeier meines Schwagers, bewusst. Seither bringen wir uns immer Blumen mit, wenn wir uns besuchen und nicht nur an Festtagen. Das sind dann keine riesen Sträuße, wenn man sich wöchentlich sieht, aber paar Blümchen sind immer dabei - die Beerdigungsblumen sozusagen.


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19.12.2022 um 08:47
Zitat von FüchschenFüchschen schrieb:Ich trenne die Bestattung nicht vom Sterben, so als ob man zack! vom Leben direkt zur Bestattung käme.
Ich trenne das allgemein auch nicht. Das Leben, das Sterben, der Tod sind ein gemeinsamer Prozess. Wir leben eine Spirale an Erfahrungen, Entwicklungen und Situationen uvm. Wenn man nicht gerade einfach tot umfällt, morgens liegen bleibt oder einen Unfall hat, setzt ja meistens schon ein längerer Sterbeprozess ein, unabhängig davon wie man ihn nun medizinisch definieren wollte oder für Krankenkassen tariftauglich machen könnte.

Daher finde ich ebenso, dass Trauern und Trauerbegleitung und Vorbereitung von Tod und Bestattung schon (spätestens) in Hospiz oder in der Palliativpflege (egal ob zu Hause oder einer Palliativstation oä) beginnen (sollten). Ich bin sowieso ein Befürworter dafür, dass das Sterben in vertrauter und ruhiger Umgebung ermöglicht werden sollte, alternativ eben Hospiz.

Die Trauer- und Sterbebegleitung von professioneller Seite setzt dann eben auch frühzeitig ein. Die Beratung zur Vorbereitung für Tod und Bestattung dann ebenfalls (noch früher Vollmachten, Verfügungen und Testament und Bestattungswünsche usw).

Für hier ist dann eben die Frage, was möchten die Menschen im Leben, wie sie im Tode bestattet und gefeiert werden.

Mich dünkt, dass das klassische Familiengrab auf dem Kirchfriedhof schon lange nicht mehr der Topfavorit ist, meiner war es nie. Meine halbe Familie der älteren Genrationen wurde so bestattet, weil sie es so wollten. Sie haben sich aber auch nie wirklich Gedanken über alternative Möglichkeiten gemacht, weil sich das eben so gehörte. Heute sind wir davon zum Glück weg.

Dennoch sind die Alternativen noch nicht genügend wohnortnah und real umsetzbar vorhanden. Was hilft es, wenn man nachhaltig und klimafreundlich bestattet werden möchte, der Leichnam dazu aber erst einmal hunderte von Km durch die gegen gefahren werden muss usw. So ist es ja bei der Feuerbestattung teilweise auch. Meine Verwandten wurden auch zur Verbrennung diverse km weit weg gebracht und ob das moderne energiesparende Krematorien waren, möchte ich mal bezweifeln. Aber genau solche Sachen weiß man ja gar nicht. Sie sind in der Beratung zur Bestattung überhaupt kein Thema.


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19.12.2022 um 13:43
Zitat von darkstar69darkstar69 schrieb:Wenn man nicht gerade einfach tot umfällt, morgens liegen bleibt oder einen Unfall hat, setzt ja meistens schon ein längerer Sterbeprozess ein, unabhängig davon wie man ihn nun medizinisch definieren wollte oder für Krankenkassen tariftauglich machen könnte.
Absolut, die Tariftauglichkeit ist einer der Knackpunkte. Da sind wir wieder bei der Frage: Was ist uns die Begleitung beim Sterben wert?

Heute geschieht die Sterbebegleitung nur noch auf Ehrenamtsbasis. Die qualifizierten Pflegekräfte sind nur noch mit dem allernotwendigsten, der medizinisch-körperlichen Seite beschäftigt wegen des Pflegenotstands. Da sagen dann schon mal Pflegekräfte zum Beispiel aus Afrika, was ich selbst so gehört habe: "Also, ich finde es komisch, dass meine Kollegen die alten Menschen im Heim wie Gegenstände behandeln." Daran kann man sehen, dass der Pflegenotstand viel mehr beinhaltet als nur die Abwesenheit von Geld. In jeder Sekunde eines Kontakts kann man den alten Menschen spüren lassen, ob sie Menschen sind oder Gegenstände. Dazu braucht man kein Geld.

Dieses Behandeltwerden wie ein Gegenstand geschieht schon beim Eintritt ins Pflegeheim. Was die Seele braucht, das wird so selten zum Thema gemacht in unserem "relevanten" Leben, das auf Hochgeschwindigkeit läuft bei den Menschen, die im Berufleben stehen. Deshalb können einige Pflegekräfte Menschen, die durch Lähmung in ihrem Körper gefesselt sind, bei der Anreichung des Essens nicht in die Augen sehen. Diese Pflegekräfte sind nicht hart, sie ertragen einfach nicht den Anblick des Leids.
Zitat von Frau.N.ZimmerFrau.N.Zimmer schrieb:Das ist doch auch das Schöne und Wichtige dabei. Bei einer Beerdigung macht niemand mehr etwas gut, das er zu Lebzeiten versäumt hat.

" Schenke Blumen während eines Lebens, auf dem Grab sind sie vergebens" Und das geht schon bei der Beerdigung los, der Verstorbene hat nichts mehr davon und die ganze Show ist nur für die Gäste.
Genauso ist es. Und deshalb ist es so wichtig, dass wir lernen, auch den Leidenden in den Pflegeheimen bis zum Schluss ihres Lebens in die Augen blicken zu können ohne innerlich zusammenzubrechen. Ob es Zuhause anders zugeht als im Pflegeheim, das kann niemand wissen, der keinen ganz, ganz engen Kontakt zu diesen Menschen in ihrem Zuhause hat. Aufschlussreich ist der Film "Liebe", in dem es um die Belastung durch Laienpflege zu Hause geht.

Um es mal krass zu sagen: So ein Leiden, wie manche am Ende ihres Lebens leiden, ist in unserer Gesellschaft nicht sexy. Schon allein die Produktion von Urinbeuteln ist manchen Managern nicht sexy genug. Dann doch lieber sich mit Produkten wie Gips beschäftigen für den coolen Ski-Sport. Das alles sind Facetten dieses weiteren Knackpunkts: Leiden bringt einfach keinen Spaß. Wie man Mitgefühl entwickelt, ohne selbst in Mitleidenschaft gezogen zu werden, das wird überhaupt nicht geübt.

Wir leben in einer Spaßgesellschaft, was sich nun allerdings allmählich ändert durch Putins Krieg.


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19.12.2022 um 14:01
Zitat von FüchschenFüchschen schrieb:Die qualifizierten Pflegekräfte sind nur noch mit dem allernotwendigsten, der medizinisch-körperlichen Seite beschäftigt wegen des Pflegenotstands.
Das liegt dann ua auch daran, dass Pflege in medizinische Diagnosen integriert und damit auch in medizinische Fallpauschalen implementiert wird. Was mAn gar nicht geht. Pflege benötigt ein vollständig eigenes Abrechnungssystem, was aber eben nicht nach Minuten und einzelnen händischen Interventionen ausgerichtet werden darf. Und es muss vor allem die ambulante Pflege einbeziehen und im Fokus haben (ambulant vor stationär). Das gilt unabhängig von SGB 5, 9, 11 oder 12. Aber das führt hier nun zu weit^^
Zitat von FüchschenFüchschen schrieb:Wir leben in einer Spaßgesellschaft,
Es müsste sich ja gar nicht widersprechen, viel Spaß zu haben und dennoch die ernsten Momente des Lebens im Blick zu behalten. Oder aber aufgrund des Ernsts des Lebens den Spaß auch sehr zu genießen ohne den Ernst zu vergessen oder zu verdrängen. Klappt aber offenbar nicht so.


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Wie möchtet Ihr beerdigt werden?

19.12.2022 um 14:10
Zitat von Mr.-iösMr.-iös schrieb am 15.12.2022:Wie möchtet Ihr beerdigt werden?
Ein Menschenleben ist eine flüchtige Existenz. Trotz des Raumes den wir einnehmen und des unnützen Materials das wir um uns anhäufen, sind wir doch, wie schon ein Song so schön zum Ausdruck bringt: Dust in the Wind. (Kansas)
Was bleibt? Ein paar Erinnerungen in den Köpfen derer, denen wir begegnet sind. Vielleicht tragen sie uns noch eine Zeit lang in ihren Gedanken. Dann wird es still, wenn auch diese Menschen von der Erde verschwunden sind. Das ist gut so. Kein Mensch ist so wichtig, dass er ein Denkmal oder riesige Privatgruften braucht. Auch diese verschwinden mit der Zeit und werden von Natur und Zeit ausradiert.
Ein schönes Beispiel:
Der Wunsch eines kürzlich verstorbenen Freundes war es, seine Asche an verschiedenen Orten verteilt aufzuhängen.
Er war aus einer Schweizer Clique die jedes Jahr zwei dreimal zu uns nach D auf Besuch kam. Ihm hatten diese Besuche so gut gefallen, dass er in seinem letzten Wille verfügte, seine Asche in kleine Edelstahlherzen zu füllen und an den Plätzen, an denen er sich im Leben am wohlsten gefühlt hat, aufzuhängen.
Jetzt hängt im Garten meiner Schwester an einem Apfelbaum ein kleines Herz mit seiner Asche. Das ist eine tolle Idee. Wenn wir uns jetzt, wie in den Jahren davor, wieder treffen und unsere Freunde aus der Schweiz zu Besuch sind, dann ist auch er in unseren Gedanken immer mit uns.
Zitat von Mr.-iösMr.-iös schrieb am 15.12.2022:Man hat ja schließlich auch noch anderes zu tun als seine Mutter zu beerdigen.
Das ist Business Talking. Ein impliziertes schlechtes Gewissen um ein bestimmtes Verkaufsziel zu erreichen. Gut aufgepasst. :)
Egal was für materielle, ideelle Anstrengungen wir unternehmen, es bleibt die Erinnerung an die Begegnung des Verstorbenen, ob nun positiv oder negativ, das lässt sich am Ende nicht mehr korrigieren. Es zählt der Mensch in unserer Erinnerung, mehr nicht.

Quelle:
Zitat von Mr.-iösMr.-iös schrieb am 15.12.2022:So blöd es auch klingt, man kommt sich zunehmend oft wie in einem Entsorgungsbetrieb vor.
Entsorgungsbetrieb klingt nicht blöd. Es ist ein Entsorgungsbetrieb. Abgesehen vom Aufwand der um den Tod eines Menschen betrieben wird, bleibt am Ende ein verrottender Organismus der entweder der natürlichen Verrottung im jeweiligen Umfeld oder dem Feuer überlassen werden kann.
Das passiert allen Lebewesen auf diesem Planeten. Der Mensch ist da keine Ausnahme.
Zitat von Mr.-iösMr.-iös schrieb am 15.12.2022:Wie denkt ihr lässt sich dieser Wandel erklären?
quote]Bislang hat man von Generation zu Generation eine Traditionslinie verfolgt die nun langsam wegbricht.
Der Vorstellung von traditionellen Beerdigungen weichen neuen und unkonventionelleren Möglichkeiten einer Bestattung. Da wird sich bestimmt in den kommenden Jahren noch einiges ändern.[/quote]

Quelle:
Zitat von Mr.-iösMr.-iös schrieb am 15.12.2022:Leider geht durch diese ganze „Entsorgung“ ein großes Stück Kultur und meiner Meinung nach auch Respekt gegenüber den Verstorbenen verloren.
Eine Beerdigung ist genaugenommen eine Entsorgung. Der persönliche, individuelle Wunsch nach einer selbstgewählten Verabschiedung hat nichts mit Kultur zu tun. Respekt ist, wenn man den Wünschen des Verstorbenen nachkommt.


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