So allgemein noch.
https://www.sein.de/spiritual-bypassing-10-wege-die-realitaet-zu-vermeiden/Spiritual Bypassing – was ist das eigentlich?
Mittlerweile hat Robert Augustus Masters dem Thema „Spiritual Bypassing“ ein ganzes Buch gewidmet: „Spiritual Bypassing – Wenn Spiritualität uns von dem trennt, was wirklich zählt.“
Während die Popularität dieses Begriffs also wächst, habe ich bemerkt, dass er mittlerweile eine recht weitläufige Bedeutung angenommen hat, ganz wie bestimmte Begriffe in der Kunst, die sich über die Zeit in feste Bezeichnungen verwandeln. In dem Bemühen, eine zu stark verallgemeinernde und unspezifische Verwendung zu vermeiden, möchte ich eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten der Vermeidung versuchen, die sicherlich in vielen Formen existieren.
Die folgende Liste entstand durch die Beobachtungen meiner eigenen Muster und soll als ein Instrument der Selbstbeobachtung dienen, das helfen kann, deine ganz persönlichen Methoden der Selbstvermeidung klarer zu erkennen und transformieren. Manche können als Ableger des Baums der spirituellen Vermeidung verstanden werden, während andere sich in ihrer Qualität davon deutlich unterscheiden.
Natürlich ist dies keine vollständige Liste, denn es gibt so viele Möglichkeiten, die Wirklichkeit zu vermeiden, wie es Menschen gibt. Was mich persönlich aber besonders interessiert, sind solche Formen der Selbstvermeidung, die in der spirituellen Szene immer wieder als Erleuchtung ausgegeben werden.
Formen der Vermeidung
1. Der Positivitäts-Bypass (alias „Bypass der Glückseligkeit“)
Die Tendenz, sich selbst und anderen Positivität/Glückseligkeit vorzuheucheln, um über den nicht geheilten Schatten hinwegzutäuschen. Oft verbunden mit dem nicht geerdeten Mantra „Es ist alles gut“.
2. Der zerebrale Bypass
Die Tendenz zur Flucht in den Geist/Verstand, um allein in und durch Gedanken zu leben, um jeden Augenblick zu über-intellektualisieren. Ein Kopf-Trip mit dem Ziel, sich von der Welt der Gefühle zu lösen. Manifestiert sich oft in der gut ausgebildeten Fähigkeit, Bewusstseins-Modelle zu artikulieren und geht einher mit der Unfähigkeit, vom Herzen zu sprechen und gefühltes Erleben wirklich zu verkörpern.
3. Der Zeugen-Bypass
Die Neigung, stets im Zeugen- oder Beobachter- Bewusstsein zu leben, wie aus der Ferne auf den eigenen unerlösten Schmerzkörper zu starren und zu glauben, das hieße, präsent zu sein. Die Tendenz, hilfreiche Dissoziations-Techniken mit dem Leben selbst zu verwechseln. Dies führt dazu, dass der unerlöste Schmerz im Innern zu einer Waffe erstarrt, die sich nach innen gegen das eigene Selbst richtet. Sie manifestiert sich als eine Art Pseudo-Gleichmut mit glänzenden Augen und mit einer sehr reduzierten Fähigkeit, zu fühlen.
4. Der Pragmatismus-Bypass
Das Bemühen, stets auf die greifbare, praktische Realität fokussiert zu bleiben, um eine Erfahrung der Einheit oder des Gesamtbildes zu vermeiden. Geht oft einher mit großem Erfolg in der materiellen Welt und einem spirituellen Bankrott im Leben.
5. Der Alles-Ist-Eins-Bypass
Das Bemühen, sich stets auf das Einheitsbewusstsein zu fokussieren, um spezifische Probleme, Herausforderungen und praktische Bedürfnisse zu vermeiden. Manifestiert sich oft als nicht geerdete Unfähigkeit, die eignen irdischen Bedürfnisse zu erfüllen, während man in das große Mysterium abdriftet.
6. Der Advaita- oder Non-Duale-Bypass
Die Neigung, sich selbst als „non-dual“ zu identifizieren, in dem Bemühen, den menschlichen Kampf zu transzendieren. Nicht-duale Vermeider neigen dazu, bequemerweise alles Unangenehme aus ihrer Wahrnehmung zu entfernen – wie etwa persönliche Identifikation, den nicht geheilten emotionalen Körper, das gesamte Ich, das Selbst, den Körper – um ihre Menschlichkeit zu transzendieren. Natürlich ist darin in Wahrheit überhaupt nichts non-duales. Unsere Menschlichkeit ist das Wasser auf der Seelenmühle. Ohne sie können wir nicht zu einer authentischen, nachhaltigen Erfahrung der Nicht-Getrenntseins gelangen.
7. Der Verantwortungs-Bypass
Die Tendenz, Konzepte von der „Welt als Spiegel“ oder des „Nicht-Urteilens“ zu missbrauchen, um unsere eigene Verantwortung oder die Verantwortung der anderen für falsches Handeln zu umgehen. Gestützt auf der nicht geerdeten Vorstellung, dass es so etwas wie Fehlverhalten gar nicht gibt, ist es das Ziel dieser Praktiken, ungesunde Verhaltensweisen weiter zu erdulden oder fortsetzen zu können und Opfer zu entmutigen, einen rechtmäßigen und notwendigen Heilungsprozess einzuleiten.
8. Der „Du-bist-nicht-deine-Geschichte“-Bypass
Die Neigung, durch die Herabsetzung unserer Geschichte vor den schmerzhaften und verwirrenden Elementen unserer Lebenserfahrungen zu fliehen. Ja, wir sind so viel mehr als unsere Geschichten, aber wir sollten nicht die ganze Geschichte mit dem Bade ausschütten. Wir sind eben auch unsere Geschichten. Im Herzen unserer Geschichte finden wir unsere persönlichen Identifikationen, unsere emotionale Basis und unsere ungelösten Probleme, die das Wasser auf der Seelen-Mühle sind, die unser spirituelles Wachstum antreibt. Ohne dieses karmische Material, durch das wir uns hindurcharbeiten müssen, gerät unsere Expansion ins Stocken.
9. Der „Karmische-Verträge-Bypass“
Die Neigung, jedes einzelne Ereignis auf dem Planeten auf eine seelische oder universelle Absicht zurückzuführen. Dass du „es dir so kreiert hast“, es „so bestimmt war“, „deine Schwingung es angezogen hat“ oder „alles aus einem bestimmten Grund geschieht“. Eine Anstrengung, vor dem schmerzhaften, geheimnisvollen und fehlgeleiteten Charakter vieler Ereignisse und Erfahrungen zu fliehen. Diejenigen, die sich dieser Bypass-Technik bedienen, haben eine Tendenz zur Scham und verleugnen ihre eigenen Erfahrungen, und sie tun das gleiche bei anderen – auch dort, wo Mitgefühl und Heilung gefragt wären.
Und nun meine eigene aktuelle Tendenz, die ich noch immer nicht ganz ablegen konnte:
10. Der Vergebungs-Bypass
Die Tendenz, unerlöste Emotionen und Beziehungserfahrungen durch vorgetäuschte Vergebung zu vermeiden. Voreilige Vergebung. Manifestiert sich oft in einer Tendenz, all jene zu beschuldigen, die noch nicht verziehen haben – als wäre Vergebung wichtiger als der Prozess der Heilung. Wahre Vergebung erfordert eine echte Konfrontation mit den Emotionen und den Erinnerungen unserer Erlebnisse. Und am Ende dieses Prozesses steht die Wahl des Opfers, ob es sich für Vergebung entscheidet.