Der Schädel des "Starchild"
05.02.2008 um 21:23
Ich möchte hier schnell nochmal eine Meinung aus Medizinersicht beisteuern:
so weit ich das überblicken kann, ist im Grunde nichts außergewöhnliches an dem Schädel festzustellen. Er ist defomiert, nun, sowas kommt vor, es gibt genügend Syndrome, bei denen Kinder mit derformiertem, zu großem und abnormem Schädel zur Welt kommen, daß dabei der Kanal für den Nervus opticus verlagert oder die Orbitae "zu groß" geraten sind, ist sicherlich nichts, was man im "Übernatürlichen" angesiedelt finden muß. Zumal auch nicht klar ist, welche Verformungen eventuell auch erst post mortem zustande gekommen sind. Man sollte nicht vergessen, daß der Schädel mehr als 900 Jahre im Gestein begraben lag.
Zum vergrößerten Schädelvolumen: hier sollte man sich immer mal vor Augen halten, daß der Schädel ja nicht ausschließlich mit Gehirn "gefüllt" gewesen sein muß, viel wahrscheinlicher ist eben doch eine Hydrocephalie, also ein "Wasserkopf", wie man umgangssprachlich gerne sagt. Im Rahmen des Studiums habe ich in der Pädiatrie Kinder gesehen, die unter nicht behandelten Hydrocephalien litten, deren Köpfe wirklich groteskte Ausmaße erreicht hatten (im Vergleich zum Restkörper und im Vergleich zum Kopf eines normalen Kindes). Das Volumen wird als 200 bis 400 Kubikzentimeter größer angegeben, als das vergleichbarer Individuen - das entspricht umgerechnet 200 bis 400ml. Bei einem nicht behandelten Hydrocephalus sind solche Mengenzunahmen des Liquor (Hirnwassers) durchaus denkbar. Zudem sei Anzumerken, daß ein Hydrocephalus nicht per se das Krankheitsbild sein muß, sondern auch im Rahmen anderer Krankheitsbilder und Syndrome vorkommen kann, d.h. die anderen Deformitäten können sich auch durchaus über eine andere Erkrankung erklären, von der der Hydrocephalus nur ein weiteres Symptom darstellt.
Nun zur DNA: leidvolle Erfahrung bei den Arbeiten mit DNA im Rahmen meiner Doktorarbeit habe mir gezeigt, daß es weitaus schwieriger ist, als man annimmt, DNA zu extrahieren, zu konservieren und zu analysieren. Entgegen aller Darstellungen in den Medien gehört eben doch etwas mehr dazu, als einfach mal so irgendwo DNA zu extrahieren. Zum Teil hat man schon Probleme DNA aus "frischen", lebenden Zellen ordentlich zu extrahieren, bei einem Schädel, der schon fast 1000 Jahre irgendwo unter der Erde lag, stellt sich das umso schwieriger da. Folglich muß man davon ausgehen, daß die Analysen sicherlich unvollständig und auch fehlerbehaftet sind.
Schauen wir uns zunächst die mitochondriale DNA (mDNA) an, die gefunden wurde. Mitochondriale DNA wird IMMER von der Mutter vererbt, auch jeder von uns hat seine Mitochondrien und die darin enthaltene DNA von seiner Mutter, da nur die Eizelle Mitochondrien enthält, die Samenzelle bringt bei der Befruchtung keine Mitochondrien mit in das Individuum ein. Diese mDNA hat man augenscheinlich ausgewertet und eben ganz normale menschliche gefunden: oh Wunder, die Mutter muß also ein Mensch sein!
Weiterhin hat man ein ganz normales X und Y Chromosom gefunden, bei dem Kind hat es sich also um einen Jungen gehandelt, die Gonosomen sind völlig normal und "menschlich" konfiguriert, also auch hier nichts ungewöhnliches.
Nun kommen wir zu den Autosomen, also den übrigen 44 Chromosomen. Offenkundig konnten einfach keine brauchbaren DNA Proben aus den Zellkernen extrahiert werden, was nicht verwunderlich ist. Wie oben angemerkt ist der Prozess der DNA Extraktion trotz allen technischen Fortschritts kein "Pipifax", den man völlig unproblematisch nach belieben durchführen kann. Oftmals ist es auch einfach gar nicht möglich, brauchbare DNA zu gewinnen, wie wir in diesem Falle eben sehen, sofern die Quellen korrekt sind.
Es deutet jedoch nichts darauf hin, daß an dem Schädel irgendetwas ungewöhnlich ist, würde eine DNA Extraktion gewinnen, dann würde man wahrscheinlich einen ganz normalen Chromosomensatz, also 44 Autosomen, vorfinden bzw. vielleicht eine abnorme Zahl, weil eben eine numerische Chromosomenaberration vorlag, welche die Deformitäten ausgelöst hat. Es könnte sich z.B. um eine Trisomie gehandelt haben, in diesem Falle würde man 45 Autosomen finden, eine Monosomie ist unwahrscheinlich, denn die einzige bekannte lebensfähige Monosomie ist das Turner Syndrom, das sind Frauen, die nur ein X-Chromosom besitzen, also X0 als Gonosomenkonfiguration haben. Diese leiden allerdings nicht unter Schädeldeformitäten, außerdem wurde ja ein Y-Chromosom vorgefunden, so daß dies im vorliegenden Fall sowieso als Erklärung ausscheidet. Andere Arten der Monosomien versterben in aller Regel intrauterin bzw. noch vor der Implantation in der Gebärmutter.
Nun noch die "seltsamen" Fasern und rötlichen Einlagerungen, die gefunden wurden: diese ominösen Fasern im Knochen würden als erstes an eine Form der Bindegewebsstörung oder an eine Störung der Knochensynthese denken lassen. Im Rahmen verschiedener genetischer Defekte kann es hierzu zu den unterschiedlichsten Fehlbildungen und Synthesestörungen kommen, welche auch heute noch nicht alle im Detail verstanden sind. Die Osteogenesis imperfecta sollte eigentlich vielen hier ein Begriff sein, Glasknochenkrankheit wird das auch genannt. Ich sage nicht, daß dies hier vorlag, aber es soll als Beispiel für so eine Knochensynthesestörung dienen. Genauso kann es im Rahmen bestimmter Störungen sicherlich auch zur Bildung abnormer Knochenfasern kommen, nur weil wir dies bisher nicht ganz verstanden haben, muß es noch lange nicht heißen, daß es da mit übernatürlichen Dingen zugeht.
Und was die rötlichen Einlagerungen anbelangt: erstens kann man die selbe Erklärung, wie für die Fasern heranziehen, zweitens lag der Schädel 900 Jahre im Gestein, war unterschiedlichsten Einflüssen und Wirkungsfaktoren ausgesetzt und am Ende des Tages kann niemand wissen, ob sich diese Substanz im Schädel gebildet hat oder sich erst im Nachhinein eingelagert hat. Hier wäre eine chemische Analyse interessant, um herauszufinden, wie "mysteriös" diese Substanz wirklich ist.
Alles in allem kann ich dem Fall nichts Übernatürliches abgewinnen, selbstverständlich kann jeder, der möchte, weiterhin behaupten, daß wir das ja alles nicht genau wissen und der Schädel trotzdem außerirdischen Ursprungs sein kann - das ist richtig! Wir wissen es nicht genau, allerdings finde ich, daß eine natürliche Erklärung bei weitem naheliegender ist, als irgendwelches Geschwätz von Außerirdischen oder halbmenschlichen Hybriden!
Viele Grüße,
Sebastian