Taln.Reich schrieb:Du bringst hier die "Seh dir doch nur die Entwicklung in den letzten drei Millionen Jahren Menschheitsgeschichte an!", womit du den betrachteten Zeitrahmen meiner Ansicht nach unzulässig weit ziehst für eine sinnvolle Betrachtung.
Die älteste menschliche Kulturstufe ist das Oldowan. Diese Kulturstufe zog sich gut eine Million Jahre hin (2,6-1,5 mio a). Man unterteilt diese nochmals in das frühe, das klassische und das entwickelte (developed) Oldowan. Die Werkzeuge des klassischen Oldowan sind die Chopper, einfach bearbeitete größere Kieselsteine mit einer einzelnen Schnittkante. Im frühen Oldowan sind diese einseitigen Abschläge noch so undeutlich, daß sie nur schwer von natürlichen Abschlägen zu unterscheiden sind. Im entwickelten Oldowan kamen zu den Choppern noch Abschlagwerkzeuge hinzu (wo das Abgeschlagene Material das eigentliche Werkzeug wurde), ferner die protobifaziellen Chopping Tools, bei denen der Abschlag noch immer nur von einer Seite erfolgt, die Schnitt- oder Hackkante aber von beiden Seiten nachgearbeitet (retuschiert) wurde. Zum Oldowan gehören allerdings auch zahlreiche Steinwerkzeuge ohne Bearbeitung (und oft auch ohne natürlichen Bruch). Schlicht Steine, mit deren Hilfe Knochen zerbrochen, Nüsse geknackt wurden usw. Diese Technik reicht allerdings weit über die 2,5-Millionen-Marke hinaus; sie findet sich letztlich schon bei unseren Verwandten, den Großen Menschenaffen. In diesem Sinne existierte das Oldowan weit länger als 1,1 Millionen Jahre.
Darauf folgte die Kulturstufe des Acheuleens; sie währte von 1,75 bis 0,15 Millionen Jahren vor heute. Dies ist das Zeitalter des Faustkeils, dem markantesten Werkzeug des Acheuleens. Auch hier findet sich eine Unterteilung in verschiedene detailliertere Kultur(unter)stufen, Das Alt-, Mittel- und Jungacheuleen. Im Altacheuleen entstand aus dem protobifaciellen Chopping Tool der erste bifaziell gearbeitete Faustkeil. Doch sehen sie für das ungeübte Auge aus wie ein ovaler flacher Stein mit wahllosen Abschlägen auf beiden Seiten mit einem doch sehr krummen Grat an den Seiten. Im Mittelacheuleen kamen weitere Werkzeugtypen hinzu, auch die Schöninger Speere gehören in diese Zeit. Im Jungacheuleen entstanden dann die beidseitig sauber gearbeiteten Faustkeile, die geradezu wie Kunstwerke aussehen, mit sauberen Kanten (kunstfertige Retuschen) an den Seiten und sehr symmetrisch gearbeitet. Vor allem vervielfältigten sich die Bearbeitungstechniken. So kam hier die Levalloistechnik auf, die die nächste Menschheitsepoche, das Mittelpaläolithikum, prägte. Dabei wurde ein Stein erst sorgfältig an seiner Oberseite bearbeitet, bevor dann mit einem gezielten seitlichen Schlag oben eine "Scheibe" abgeschlagen wurde, die so eine sauber gearbeitete, scharfe Schnittkante erhielt.
Während das Alt-Acheuleen noch rund eine Million Jahre währte, dauerte das Mittel-Acheuleen grob eine halbe Million Jahre, und des Jung-Acheuleen nur noch etwa 100.000 Jahre.
Das europäische Mittelpaläolithikum wird durch die Kulturstufe des Mousterien geprägt; beide Epoch3en währten etwa von 120.000 bis 40.000 vor heute. Es war die Zeit des Neandertalers und die Zeit der Levalloistechnik. Eine klassische bzw. allgemeingültige Untergliederung gibt es hier nicht, jedoch wird eine Vielzahl verschiedener Kulturen benannt, die sich in Herstellungstechnik, Werkzeugaussehen / -Form udgl. unterscheiden und sowohl regional als auch zeitlich voneinander verschieden sind. Die Zahl der verschiedenen Werkzeugtypen vergrößert sich, ebenso die Werkzeugtechniken. Es entstehen Verbundtechniken wie Kleben, Bohren und Nähen. das älteste Kunstwerk entsteht, die "Maske" von La Roche-Cotard, ein Stein, der durch Einschieben eines Holzstücks in eine Lücke wie ein Gesicht aussieht (ohne daß sonstige Bearbeitung zu erkennen ist). Das Mousterien ist durch die Diversifikation einer einheitlichen "globalen" Kultur in separate regionale Kulturen geprägt. Die einzelnen Kulturen währen nur noch wenige zehntausende von Jahren. Manche werden auch schon vom Mousterien abgetrennt aufgeführt, etwa das Micocquien oder das Bohunicien. In der Spätphase zeichnen sich manche jungpaläolithischen Kulturstufen bereits ab.
Im Jungpaläolithikum entsteht nun bereits eine Vielzahl von Kulturen, die ofth nicht mehr kontinentweit, sondern in Regionen vorkommen (West-, Mitteleuropa usw., aber auch in Kleinregionen). Sie währen nur noch mehrere tausend bis 10.000 Jahre. Die Namen sind zumeist bekannt: Chatelperonnien, Aurignacien, Gravettien, Perigordien, Solutreen, Pavlovien, Magdalenien. Die Werkzeugvielfalt samt Herstellungstechnik steigt weiter, der Speer wird schlanker, mit der Speerschleuder erhöht er Distanz und Schlagkraft. Pfeil und Bogen gesellen sich hinzu, erste Harpunen und Angeln... Kunst entfaltet sich, wir kennen Skulpturen, Malereien, Schmuck, Ornamentik...
Die Kulturen des Jungpaläolithikums sind praktisch nur noch regional, und sie lösen einander in immer kürzeren Abständen ab. Auch lassen sich Unterschiede innerhalb der Kulturen erkennen, früh von spät unterscheiden.
Ab dem Chalkolithikum spricht man nur noch von einzelnen Kulturen innerhalb der Kulturstufen; diese währen zuweilen nur noch hunderte Jahre, und selbst da kann man noch einzelne Phasen unterscheiden.
Also ich weiß ja nicht. Die Kulturen lösen einander in immer kürzeren Abständen ab, die Innovationen werden zugleich immer größer. Ich erzähl doch hier nichts Neues oder Unbekanntes, das sollte Dir eigentlich alles bekannt sein.
Taln.Reich schrieb:das Wohngebiet eines Volkes oder Stammes für die Dauer in der dieses Volk oder Stamm in einer im Region mit im wesentlichen gleichen Umweltbedingungen bleibt.
Was hab ich mir darunter vorzustellen? Die Israeliten in der südlichen Levante während der Eisen-I- und -II-Zeit? Die Germanen seit ihrer ersten Wahrnehmung bis vor Beginn der Völkerwanderungszeit? Oder doch mehr 50.000 Jahre australische Aboriginals, 30.000 Jahre Pygmäen? So separat die auch lebten, hatten die doch immer wieder Kontakte mit in ihr Gebiet hineinwandernden Völkerschaften. Sind das jetzt veränderte Umweltbedingungen? Wenn ja, dann können wir nur von einer Handvoll abgelegener Inseln und selbst da oft genug nur von ein paar hundert Jahren sprechen. Kontakt und Veränderung sind Wesensmerkmale menschlichen Seins! Die zu eliminieren ist gelinde gesagt unbrauchbar.
Taln.Reich schrieb:Was genau verstehst du den unter einer Kulturstufe? Also wieviel Rückschritt muss es sein, damit es für die Betrachtung zählt?
Das hätt ich ja gerne von Dir gewußt! Aber das läßt Du ja nicht durchblicken.
Ich sags mal so: wer erst mal Eisen-I-Zeit erreicht hat, der fällt nicht in Mittlere Bronzezeit zurück. Auch das Mittelalter,
der klassische "Beleg" für einen massiven Rückfall, war nur ein gradueller Verlust von Kultur. Die römischen Innovationen gingen im europäischen Mittelalter zumeist nicht verloren, sondern die germanisch gegründeten Reiche hatten diese Innovationen noch gar nicht. In den alten römischen Gebieten und Städten blieb das römische Niveau in der Regel erhalten; es waren nur nicht mehr die Machtzentren.
Byzanz war davon sogar noch weniger betroffen; hier herrschte eine kulturelle Kontinuität. Die auch Auswirkungen auf das westliche Europa hatte.
Dazu empfehle ich die Sonderausgabe "Spektrum der Wissenschaft Spezial" 1/2015 mit dem Titel "Aufbruch ins Mittelalter".
Taln.Reich schrieb:Das geht eben nur, wenn man die äußeren Bedingungen beachtet. Innovation geschiet nicht in einem Vakuum.
Quatsch! Klar passiert das nicht im Vakuum. Aber zum Erkennen von Entwicklungen ist das nicht nötig zu berücksichtigen. Theoretisch kannste schlicht sämtliche Innovationen eines Jahrhunderts auszählen und die Werte in ne Grafik packen, mit X- und Y- Achse. Sowas wie das hier:
Wiki-Untertitel:
Während der Neuzeit verdoppelte sich die Zahl bedeutender Naturforscher pro Jahrhundert.[
(Und so schnell verdoppelte sich die Zahl der Menschen nicht.)
Taln.Reich schrieb:keineswegs. Es ist die entscheidende Antwort.
Jetzt werd ich echt fuchsig! Auf die Frage "Mit wie viel Jahrtausenden rechneste denn da?" erwarte ich als Antwort ne Zahl. Ein "Dieser Punkt ist weniger eine Problematik des Zeitrahmens als eher eine des Zeitplanes" ist schlicht ein Ausweichen!
Taln.Reich schrieb:Bei dem betreffenden Punkt ist der Zeitplan wesentlich wichtiger als die Zeitspanne.
Ein Wiederholen machts nicht klarer. Du erklärst nicht mal, was Du damit meinst. Vor allem trittst Du Deinem Einwurf, daß Kriege doch viel vorübergehender seien, selber gehörig in den Allerwertesten. Auch da gibts gelegentlich nen Zeitplan (Blitzkrieg). Ist der auch wichtiger als die Zeitspanne von z.B. sechs Jahren für die Mangelsituation und den kreativen Umgang mit dieser?
Ich nenn das Unfug.
Taln.Reich schrieb:gerne, aber pass bloß auf, dass sie dir nicht fehlen.
Hundert Jahre sind ein Witz! Vor allem sind hundert Jahre viel zu viel von der ersten Ölkrise über Tschernobil bis zu ersten ernsthaften Erfolgen in Sachen Fotovoltaik und Windkraft und (Wasserstoffzelle und) Elektroauto.
Troll nicht, werd konkret.
Taln.Reich schrieb:Ja, und die entscheidende Innovation für eine Rohstoffsubstitution wird gehemmt, wenn die vorhandenen Innovatioinskapazitäten und Ressourcen im Kampf um die Reste dieses Rohstoffes aufgebraucht werden.
Frisch aus dem Phrasomat geleiert. Übersetzt hieße das, beim Suchen nach neuen Ölfeldern kommen wir nicht dazu, Biokunststoff zu entwickeln, Brennstoffzellen, Elektroautos... Schau Dich einfach mal um, die Welt sieht anders aus.
ein Holzgetriebenes Auto ist eine Sache, aber eine ganze hochtechnologische Gesellschaft mit derartigen Notlösungen anzutreiben ist was ganz anderes.
Hab ich sowas behauptet? Damit aber der Aufbau des Neuen in einer akuten Mangelsituation nicht extrem ausgebremst wird oder ganz verhindert wird, kann in der Übergangsphase mit Notbehelfen gearbeitet werden. Ich schrieb das doch extra!
Werd konkret, oder laß es.