@Muckymuh Ich war bisher nicht noch einmal drin, nein.
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So, weiter geht’s.
Ich blickte auf. Sah ihn an. Blickt wieder zurück auf den Boden. Meine Augen schweifte hin und hier, ich wusste nicht was ich tun oder sagen sollte. Normalerweise bin ich schlagfertiger. Wie blöd, dass mich diese Fähigkeit gerade in so einer Situation im Stich lässt. Na danke.
Das debile Grinse, dieses Mal begleitet von einer ebenso debilen Lache. Wieder roch ich eindeutig die Fahne, die mir wie eine Welle entgegenschlug. Toll… ganz toll…
Ich merkte, dass ich mich mittlerweile fast schon am Ende des Raumes befand. Instinktiv bin ich unbemerkt immer weiter zurückgewichen.
Der Kerl atmete einmal tief durch, verzog sein Gesicht zu einer ernsten Mine. Bevor er richtig redselig wurde…
„Hast‘e Dich hier überall umgeseh’n? Hast’e die Eichemöbel geseh’n? Die alten Wagen auf’er Diele? Hast’e das alles geseh’n?!“
Ich nickte und brachte ein gebrochenes, kaum hörbares „Ja“ heraus. In meinem Kopf schwirrten die schlagfertigsten und rationellsten Antworten herum, die mich aus dieser unerwünschten Situation vielleicht hätten befreien können. Leider konnte der Kerl keine Gedanken lesen… So ein Pech.
„Kannst’e Dir vorstell’n, wat für’n Wert das alles hat? Kannst’e Dir das vorstell’n?!“
Ich nickte wieder. Er grinste krankhaft.
„Die Bücher, hast’e die Bücher auch entdeckt, ja? Hast’e Dir vielleicht sogar welche eingesteckt? Wat schönes gefunden, ja?“
Das Grinsen war wieder verschwunden. Ich schüttelte deutlich den Kopf. „Nein,… ich hab nichts mitgenommen. Ich…“ Er unterbrach mich. Gut so. Ich wusste eh nicht, wie ich den angefangen Satz beenden sollte.
„Ha, soll mir auch egal sein. Nimm ruhig mit. Nimm mit, wat de magst und brauchst. Kümmert ja keinen! Nimm man mit, machen die anderen ja auch alle.“
Ich sagte nichts. Wartete ab. Ich wusste, dass er weiterreden würde.
„Da.“ – er zeigte auf einen alten Ofen neben mir in einer Ecke. „Wat meinste, wo der vorher stand, hä? Wohl nich hier! Da ham se schon versucht, den rauszuschleppen. Hat aber nich‘ geklappt, weil se’n nich‘ durch’e Tür gekriegt haben. Die geht nich‘ mehr weit genug auf. Tja. Ham se’n hier steh’n lassen.“
„Mh…“ Ich blickte wieder auf den Boden und stellte mir vor, wie es wäre, wenn der Kerl plötzlich einfach umkippt und schläft. Oder so…
„Hinten stand n alter VW. Den ham se mitgenommen. Weiß nich‘ wann. War plötzlich wech. Ha. Und beim letzten Mal, da hab ich hier auch jemanden wie dich erwischt. Lief allerdings draußen im Garten rum. Hab ich gefragt, watt‘r will. Hatt‘r mich doch ganz dreist gefragt, ob’r die noch eingepackten Dachpfannen mitnehmen kann, die da rumstehen! Neeee, hab ich gesacht, hab ich ihm den Autoschlüssel abgenommen un‘ ins Gras geworfen. Durft’r widersuchen. Das geht so nich‘. Hier is‘ kein Selbstbedienungsladen.“
Keine Ahnung, aber irgendwie war meine Sprache wieder funktionstüchtig. Auch wenn sie irgendwie noch ziemlich gebrochen und klein klang.
„Nein… natürlich nicht. Sowas geht auch nicht. Ich… will auch gar nichts mitnehmen. Ich wollte nur… ich wollte mich einfach nur umsehen. Ich hab auch nichts kaputt gemacht.“
Und wieder dieses Grinsen.
„Achwas… das glaub ich Dir.“ Pause…. „Du lächelst so schön…“
Irgendwie wurde mir schlecht.
„Aber, sach mal… jetz‘ ma ehrlich. Is‘ mitten in der Nacht. Du weißt gar nich‘, wat für Gestalten sich hier manchmal rumtreiben. Weißte, ich guck ich ab und an ma‘ nach’m Rechten. War ne alte Schulfreundin von mir, der dat Haus hier gehört, ja. Is‘ einfach ne Ehrensache, weißte. Sind auch viele persönliche Dinge noch hier drin. Muss einfach nich‘ sein, dat hier jeder rein und raus marschiert.“
Ich nickte. Er grinste noch debiler.
„Aber die, die bisher alle hier waren, ham alle nich so schön gelächelt wie du.“
Vielleicht hatte ich mittags nichts gegessen und meine Übelkeit rührte daher… auf jeden Fall wurde sie nicht besser.
„Aber, weißte was de falsch gemacht hast?“ Grinsen. „Dein Fahrrad haste direkt vor’e Haustür inne Büsche geschmissen. Na, komm, dat sieht man doch vonne Weite schon. Dat hab ich ma hinter’n Baum gestellt. Da hinten auf’er anderen Straßenseite.“
Und ich hatte mir so viel Mühe gemacht, dass man das Fahrrad nicht sofort sieht, falls jemand vorbei kommen sollte…
„Und, weißte, wenn de hier mitten in der Nacht rumstiefelst, dann musste auch ne anständige Taschenlampe haben. Echt jetzt. Wat siehst n damit? Nix!.“ Er zeigte auf die kleine Leuchte in meiner Hand, die immer noch bereitwillig und stets zu Diensten auf den Boden leuchtet, ohne Sinn und Verstand.
Er kramte in seiner Hemdinnentasche. Ich schaute zur Seite.
„So.“ Er zog eine Plastikverpackung hervor. Fummelte daran herum und zog eine kleine LED-Lampe hinaus. „Die geb ich Dir jetzt, ja? Und dann nimmste demnächst die. Die is‘ ma wat heller als deine da.“ Er knipste das kleine Teil an und demonstrierte mir, dass sein bläulicher Lichtkegel deutlich weiter reichte, als meiner.“
Er hielt mir die Lampe hin. Kam einen Schritt näher, als ich keine Anstalten machte, sie mir zu greifen. Umgehen befanden sich meine Finger am anderen Ende der kleinen Taschenlampe.
Er ließ sie nicht los. Ich verspürte den starken Impuls, die Lampe loszulassen und meine Hand umgehend wieder wegzuziehen.
„Versprichst‘ mir, dass de die dann auch jetzt immer mitnimmst, ja? Glaubst echt nich‘, wat hier alle für Pack rumrennt. Ehrlich. (Das „Ehrlich“ klang immer eher wie ein „Äh-lich“) Und dat wär ja nu ma schade, wenn son schönes Lächeln wat passiert, wa‘:..?“ Debiles Grinsen.
Ich nickte. Er ließ die Lampe los. Ich ließ sie fix in meiner Hand verschwinden und zog diese in meinen Jackenärmel.
Sekunden verstrichen. Er grinste. Ich blickte unstet im Raum umher.
„Tja, dann lass uns ma‘ raus gehen, wa‘? Oder willst’e noch n bisschen gucken hier? Wenn de noch nich fertig bist, dann bleib ruhig noch n bisschen.“
„Nein, nein… Ich wollte ja eh gerade gehen.“ Zur Bekräftigung schüttelte ich mit dem Kopf. Und tat – wenn auch ungern – einen Schritt auf ihn zu, Richtung Ausgang.
Er grinste noch einmal, drehte sich um ging hinaus. Zögernd folgte ich.
Auf dem kleinen Patt von der Straße zur Haustür blieb er stehen, drehte sich um. Ich ging ruckartig einen Schritt zurück. Er grinste wieder, atmete tief durch – wieder schlug mir eine Fahne entgegen.
Er drehte sich wieder um und ging zur anderen Straßenseite, zeigte auf einen Baum, an dem mein Fahrrad fast unsichtbar im hohen Gras lag.
„So, dann mach mal’s Licht an und fahr nach Hause.“
Ich ging zu meinem Fahrrad. Schaltete das Licht an und schob es auf die Straße zurück.
Ab hier weiß ich heute nicht mehr genau, wie wir uns… verabschiedet haben. Oder ob überhaupt. Auf jeden Fall bin ich ziemlich zügig gen heimwärts. Die LED-Lampe in meiner Jackentasche
Und dieses „Geschenk“ klemmt noch heute an meinem Schlüsselbund und begleitet mit somit auch weiterhin auf meine kleinen Touren…