1000 Vögel fallen tot vom Himmel
15.01.2011 um 01:03
6. August 1874 Charles Fort, Kuriositätensammler, geboren
Ziegelsteingroße Eisklumpen in Schottland, verknäulte Haare in Shanghai, verkohltes Papier in Norwegen - alles Dinge, die laut Zeitungsberichten vom Himmel fielen. Am 6. August 1874 kam Charles Fort zur Welt, der Mann, der solche Berichte sammelte und sich seinen eigenen Reim darauf machte.
Kurz nach der Jahrhundertwende konnte man in New York einen Mann sehen, groß und wuschelhaarig, mit einem wilden Walrossschnurrbart und Augengläsern so dick wie Flaschenböden, wie er eilig die Fünfte Avenue hinaufging und hinter den Pforten der Stadtbibliothek verschwand. Jahr für Jahr, jeden Tag tat er dies. Der Mann hieß Charles Fort und arbeitete an seinem Lebenswerk.
Fort trug Informationen zusammen, die sonst keiner haben wollte, Informationen über rätselhafte, unerklärliche Ereignisse. Besonders angetan hatten es ihm die rätselhaften Sachen, die zuweilen vom Himmel fielen: im englischen Ort Hindon innerhalb von zehn Minuten Hunderte kleiner toter Fische, die man später als Sandaale identifizierte. Es waren nur Sandaale gleicher Größe, nichts anderes. Im Mai 1849 tiefschwarzer, ekelhaft stinkender Regen über Castlecommon in Irland. Dichter, zähflüssiger roter Regen anno 1812 in Ulm. Im Januar 1868 sauste in einem Städtchen namens Pultusk in Polen aus heiterem Himmel ein brennender Schwefelklumpen auf die Straße, wo er von den Dorfbewohnern mit den Füßen ausgetrampelt wurde. 1876: kleine Fetzen Rindfleisch in Olympian Springs, Kentucky. Sand in Europa, verknäulte Haare in Shanghai, verkohltes Papier in Norwegen, ziegelsteingroße Eisklumpen in Schottland und Indien, Gemüseabfälle in Toulouse, lebende Schlangen in Memphis, Tennessee.
Das rätselhafte Fallobst des Himmels pflegte die orthodoxe Wissenschaft in Erklärungsnot zu bringen. Die Leute würden fantasieren, hieß es gemeinhin, der Sand sei von der Sahara hergeweht, die Schlangen schon vorher dagewesen, die
Gemüseabfälle von einer Marktfrau verloren. Charles Fort war skeptisch. Die Wissenschaft, schrieb Fort, wolle mit Dingen, die sie verwirrten, ganz einfach nichts zu tun haben. Phänomene, die der Wissenschaftler nicht erklären könne, bezeichne er als nicht existent, und wer sie trotzdem erlebt haben will, werde als Spinner und Fantast abgetan. Eben jenen Leuten mit ihren seltsamen, ungeklärten Phänomenen widmete Charles Fort seine Bücher. 1919 erschien "The Book of the Damned - Das Buch der Verdammten", zehn Jahre später folgte "Lo!", auf Deutsch "Neuland". In beiden Büchern öffnet Fort seinen Zettelkasten, macht sich über die Verdrängungskünste der etablierten Wissenschaften lustig und entwickelt sein eigenes Erklärungsmodell.
Was, wenn wir Menschen vergleichbar wären mit den Bodenbewohnern der Tiefsee? Weit über uns, hoch droben auf der Oberfläche des Wassers, ziehen die Meereskreuzer ihre Bahn. Ab und zu wirft irgendein Koch Abfälle über Bord, die regnen langsam herunter, und tief unten, wo wir von Schiffen und deren Abfällen keine Ahnung haben, wundern wir uns, was da wieder alles herabgesegelt kommt. Unrat und Schrott von im Weltall fliegenden Dampfern, sagt Charles Fort.
Natürlich hat damals kaum ein Mensch gewusst, was er mit solchen Ideen anfangen sollte. Nur ganz wenige fanden Gefallen an dem seltsamen kleinen Kerl und seinen krausen Gedanken. Was ihm allerdings nicht viel genützt hat. Charles Fort, zur Welt gekommen am 06. August 1874 in Albany im Staate New York, starb 58 Jahre später, arm und unbekannt, an Leukämie. Sein Interesse allerdings und seine Ideen, die leben fort, in einer weltweit verbreiteten Zeitschrift namens "Fortean Times", die bis heute existiert und in der die Fortianer aller Länder gebannt von Steinregen, schwarzem Schnee und anderen rätselhaften Phänomenen lesen dürfen. "Ich selbst allerdings", hatte Fort gesagt, "ich selbst glaube sowieso nichts von dem, was ich geschrieben habe."