In jeder Pflanze befinden sich irgendwelche Substanzen, und indem sie unsere Sinne mit ihrem Aussehen, Geruch und Geschmack ansprechen können, stellen wir wohl auch eine Art emotionale Beziehung dazu her. Wir verknüpfen Aromen mit Erlebnissen oder Empfindungen. Nicht nur positiv. Irgendwie scheint es sich aber auch in den Köpfen festgesetzt zu haben, dass jede Pflanze, Blühpflanze zumindest, irgendeine pharmazeutische Wirkung hat. Klar gibt es Substanzen in Pflanzen, bei denen das so ist, und die dann auch ihren Weg in die Pharmazie gefunden haben. Bekanntlich sind auch etliche Gifte natürlich vorhanden.
Es gibt dann die Unterscheidung zwischen Medizinprodukten und Arzneimitteln und u. a. die Einstufung als rezeptpflichtig oder nicht. Hierzu kann bei Bedarf sicher
@Heide_witzka etwas sagen. Man kann die Grundzüge des Themas aber auch schnell googeln.
Man möchte heutzutage mittlerweile eigentlich davon ausgehen können, dass sämtliche potenzielle Wirkungsweisen pharmazeutisch relevanter pflanzlicher Substanzen hinreichend erforscht sind, um diesen einen Platz in der Pharmazie zuzuordnen, einstweilen offenzuhalten oder zu verweigern. Ist aber nicht so. Und jetzt nerve ich das Publikum wieder mit Wissenschaft.
Beispiel Thymian: Es scheint aktuell keinen Nachweis für die Wirkung von Thymian bei Reizhusten oder anderen Symptomen zu geben. Kontraindikationen sind indessen angezeigt. Die wenigen Studien, die es gibt, scheinen mangelhaft zu sein. Nehmen wir mal zwei Veröffentlichungen dazu:
Thymian gegen Husten: Wirksamkeit unklar
Thymian ist ein traditionelles Mittel gegen Husten. Ob Tee oder Präparate aus der Gewürzpflanze wirklich helfen können, ist jedoch unklar – wissenschaftliche Belege fehlen.
Mit seinem aromatischen Geschmack verfeinert Thymian viele Speisen aus dem Mittelmeerraum. Doch die Gewürzpflanze gilt auch als traditionelles Mittel gegen Husten, etwa aufgebrüht als Tee [4].
Auch zahlreiche Hustenmittel aus der Apotheke enthalten Thymian-Extrakt – sei es als Hauptbestandteil oder in Kombination mit anderen Pflanzenextrakten. Wir wollten wissen, ob Thymian wirksam gegen Husten ist.
Thymian unzureichend erforscht
Auf der Suche nach einer Antwort durchforsteten wir wissenschaftliche Datenbanken nach Forschungsergebnissen – jedoch ohne großen Erfolg. Wir konnten keine einzige klinische Studie finden, die ausschließlich Thymian auf eine Wirkung gegen Husten untersucht hat. Sei es als Tee, Saft oder Tablette – ob die Gewürzpflanze etwas gegen Husten ausrichten kann, bleibt also unklar.
Gut kombiniert?
Gefunden haben wir lediglich zwei Studien, in denen Thymian in Kombination mit anderen pflanzlichen Mitteln untersucht wurde. In einer Studie war dies ein Hustensaft aus Thymian und Efeu [1]. In der zweiten Studie wurden Tabletten mit einem Extrakt aus Thymian und Primeln analysiert [2].
Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass beide Präparate Husten und andere Beschwerden bei Bronchitis ein wenig lindern könnten. Unser Vertrauen in diese Ergebnisse ist jedoch gering, weil beide Studien grobe Mängel haben.
Selbst wenn die Kombinations-Präparate tatsächlich Husten lindern können, ist unklar, welcher Bestandteil dafür verantwortlich ist: Thymian, Primel, Efeu oder eine Kombination daraus?
Nebenwirkungen möglich
Wie bei jedem Arzneimittel lassen sich auch bei Thymian-Extrakt unerwünschte Wirkungen nicht ausschließen. Diese sind nur schlecht erforscht. Der Europäischen Arzneimittelagentur EMA zufolge können bei der Einnahme von Thymian-Extrakt Übelkeit und Bauchschmerzen auftreten. In seltenen Fällen sind auch allergische Reaktionen möglich [4].
Vermutungen ohne Belege
Dass Inhaltsstoffe des Thymians tatsächlich Husten lindern können, ist zwar nicht bewiesen, aber auch nicht widerlegt. Experimente im Reagenzglas und an Versuchstieren liefern zumindest vorsichtige Hinweise für eine solche Wirkung. Demnach besteht die Vermutung, dass Thymian zähen Schleim lösen und so beim Abhusten helfen könnte. Allerdings gibt es bisher keine wissenschaftlichen Belege, dass das Schleimlösen an sich eine lindernde oder verkürzende Wirkung auf Husten hat [7,8].
Reagenzglas-Experimenten deuten außerdem darauf hin, dass Thymian eine keimtötende Wirkung gegen manche Bakterien, Pilze und Viren hat [4]. Vom Reagenzglas lässt sich aber nicht auf die Wirkung beim lebenden Menschen schließen. Obendrein wird Husten in den allermeisten Fällen durch bestimmte Viren ausgelöst. Inwiefern Bestandteile der Gewürzpflanze auch diese Viren bekämpfen können, ist weder im Reagenzglas noch bei erkrankten Menschen untersucht.(...)
Quelle:
https://medizin-transparent.at/thymian-husten/Und jetzt die Einschätzung der European Medicines Agency:
The HMPC conclusions on the use of these thyme medicines for productive coughs are based on their 'traditional use'. This means that, although there is insufficient evidence from clinical trials, the effectiveness of these herbal medicines is plausible and there is evidence that they have been used safely in this way for at least 30 years (including at least 15 years within the EU). Moreover, the intended use does not require medical supervision.
In its assessment, the HMPC also considered clinical studies in both adults and children. A clinical study involving 60 adults with productive cough treated either with a thyme preparation or bromhexine, an established treatment for productive coughs. Although no significant difference was observed between thyme and bromhexine in treating the cough, there were shortcomings in the study such as the small number of patients and lack of details of the thyme preparation, so firm conclusions could not be drawn. Therefore, the HMPC conclusions on the use of these thyme medicines are based on their long-standing use.
For detailed information on the studies assessed by the HMPC, see the HMPC assessment report.
Quelle:
https://www.ema.europa.eu/en/medicines/herbal/thymi-herbaHier heißt es also in etwa: Okay, kann man nehmen. Wurde traditionell irgendwie immer so gehandhabt, und Thymian scheint nicht gefährlich zu sein, wenngleich Beschwerden auftreten können. Aber nichts Genaues weiß man nicht.
SpoilerBei solchen Institutionen muss man immer ein bisschen vorsichtig sein (wie grundsätzlich immer und überall natürlich). Es können massive Einflussnahmen durch Lobby und Spenden mit hineinspielen. Wenn ich jetzt nerven wollte, könnte ich an
@Katori die Frage richten, wie genau die ätherischen Öle denn wirken und was genau der Wald-/Tannenhonig dazu beiträgt
;)