Artenvielfalt - Produkt der Schöpfung oder Evolution?
01.06.2010 um 22:19@kastanislaus
Vor einer gefühlten Ewigkeit hatten wir ja mal bereits eine Diskussion zur Evolution des Auges. Trotzdem möchte ich dir einiges zu deinen Fragen schreiben, da du dir einige gute und interessante Gedanken machst.
Aber sämtliche Wissenslücken (einerseits werden sie kleiner, jedoch ergeben sich oft aus neuem Wissen neue Detailfragen) sagen rein gar nichts über die Wahrscheinlichkeit für den evolutionären Prozesses aus. Das Auge ist ja bereits entstanden, also kann es nicht ganz so unwahrscheinlich sein.
Die komplexen biochemischen Vorgänge von denen du schreibst, müssen jedoch nicht simultan mit einer lichtempfindlichen Zelle entstanden sein.
In dieser Arbeit
http://www.sciencedirect.com/science?_ob=ArticleURL&_udi=B6WSS-4JN1NYS-8&_user=10&_coverDate=04%2F06%2F2006&_rdoc=1&_fmt=high&_orig=search&_sort=d&_docanchor=&view=c&_acct=C000050221&_version=1&_urlVersion=0&_userid=10&md5=45e5ccb615e9d3b9a2946622a92da68f
konnte gezeigt werden, dass Nervenzellen auch ohne die von dir geforderte visuelle Signaltransduktion als Lichtrezeptoren funktionieren können.
Dies zeigt deutlich, dass eine ganz einfache Lichtwahrnehmung auch getrennt von der biochemischen Signalverarbeitung entstanden sein kann.
Darüberhinaus sind fast alle Zellen mehr oder weniger lichtempfindlich. Was auch nicht verwunderlich ist, da die meisten auch dem Sonnenlicht mal ausgesetzt waren.
Das wichtigste Protein für die biochemische Signalverarbeitung ist das (Melan)opsin, welches sowohl im Gehirn als auch in der Haut vorkommt.
Die Opsin sind G-Protein gekoppelten Rezeptoren und vereinfacht gesagt, sind sie die lichtsammelnden Moleküle. Das erstaunliche ist nun, dass sie bei allen Tieren die gleiche aufgabe vollbringen. Anhand der Unterschiede in der Proteinstruktur lässt sich nun die Entwicklungsgeschichte des Auges zurückverfolgen.
Auf diesem Gebiet hat ein deutscher Forscher übrigens Pionierarbeit geleistet.
http://www.ijdb.ehu.es/web/paper.php?doi=14756332 (Archiv-Version vom 25.06.2010)
Dort einfach auf die kostenlose pdf klicken. Ein umfangreicher Artikel für die Leute, die es wirklich interessiert.
Der Clou an der Sache ist nun, dass Opsin ursprünglich von den Bakterien stammt. Dort hatte es eine abgewandelte Aufgabe.
Wikipedia: Bakteriorhodopsin
Am Anfang reicht es noch aus, Hell und Dunkel voneinander unterscheiden zu können, um einen relevanten Vorteil zu haben.
Unsere Augen sind entwicklungsgeschichtlich gesehen eine Ausstülpung des Gehirns. Somit bildet sich keine Verbindung zwischen den beiden Strukturen, wie man denken könnte, nein, eigentlich sind sie eins.
Wenn in kleinen selektionspositiven Schritten eine Entwicklung vom Pigmentfleck bis hin zum Linsenauge in Computersimulationen sehr gut funktioniert, zeigt dies auch, dass es nicht so unwahrscheinlich sein kann.
http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/256/1345/53.abstract?sid=a7976bee-7116-47a7-8197-47f3ec7783f9
Optik war nie mein Ding, aber zur Linse fällt mir ein:
Die Linse entsteht durch Verdickung und Formänderung der Oberflächenschicht durchsichtiger Zellen (sie haben den Zellkern letztendlich verloren). Man sagt dazu, der Brechungsindex erhöht sich. Am Anfang ist die Linse fast nur Schrott. aber immerhin besser als gar keine. Außerdem ist sie mit speziellen Proteinen gefüllt, den Kristallinen. Später mehr zu diesen.
Außerdem spricht dafür, dass diese Zwischenformen des Auges bei lebenden Tieren zu finden sind. Ergo können sie so entstanden sein und nicht jedes Auge muss vollkommen sein (und ist es auch nicht). Diese Zwischenstufen der Augenentwicklung gibt es wirklich, z. B. bei Mollusken im Meer. Damit ist die Funktionstüchtigkeit der postulierten Zwischenformen bewiesen.
Zum einen liegt es daran, dass die Augen bei den Wirbeltieren eine Ausstülpung des Gehirns sind und wir zwei Gehirnhälften haben.
Aber eigentlich könnte man noch weiter zurückgehen. Wir sind nämlich auch alle Bilateria.
Vereinfacht gesagt geht es nun um Körperbaupläne, Evo-Devo etc.
Die bilateralsymmetrisch gebauten Lebewesen waren extrem erfolgreich. Scheinbar gelingt das Leben am besten, wenn man symmetrisch gebaut ist. Eine unsymmetrisch gebaute Fliege mit drei Flügeln, krummer Beinanzahl und verschrumpelten Körpersegmenten bringt es einfach nicht. Hier spielen die hochkonservierten (also seit langer Zeit vorkommenden) homöotischen Gene eine Rolle. Das führt nun aber zu weit.
So etwas kompliziertes wie das Auge kann leicht entstehen, wenn Strukturgene sukzessive unter die Kontrolle eines Regulatorgens gebracht werden. Dies wird auch als Gen-Tinkering bezeichnet.
Der bereits vorhandene Hauptschalter war im Falle des Auges das berühmte Pax-6. Die Entwicklung sämtlicher Augentypen wird durch Pax-6 gesteuert (es sorgt sogar für die Bildung einiger besagter Kristalline). Eine Mutation am Regulatorgen verändert somit das gesamte "Verschaltungsgefüge".
Gehring konnte dies gut erklären.
http://jhered.oxfordjournals.org/cgi/content/full/96/3/171
In Anbetracht dieser schlüssigen Erklärungen verstehe ich die Argumentation vieler Kreationisten nicht.
Übrigens gibt es Zyklopen durchaus. Als seltene, kaum lebensfähige Mutanten.
Eine Mutation in diesem Signalweg (übrigens auch verknüpft mit Pax-6)
Wikipedia: Sonic hedgehog
führt zur Holoprosenzephalie. Gehemmt werden kann der Signalweg durch Cyclopamin. Das hat man an trächtigen Schafen beobachtet, die eine bestimmte Giftpflanze gefressen haben. Deren Lämmer wurden als Zyklopen geboren.
Dies zeigt wiederrum wie günstig der "bilaterale" Fall zu sein scheint.
Ich hoffe, das hat dir etwas gebracht.
Vor einer gefühlten Ewigkeit hatten wir ja mal bereits eine Diskussion zur Evolution des Auges. Trotzdem möchte ich dir einiges zu deinen Fragen schreiben, da du dir einige gute und interessante Gedanken machst.
Eine Lichtempfindliche Zelle entsteht / mutiert zufällig.Eines vorweg: Natürlich wird jedes Modell zur Erklärung der Augenevolution unvollständig und eher simpel gestrickt sein. Das liegt in der Natur der Dinge und ist den Evolutionsbiologen hoffentlich auch bewusst.
Eine Zelle reicht nicht mal abgesehen von den dutzenden mikrobiologischen und chemischen Reaktionen die dafür vorhanden sein müssen dass die Zelle überhaupt Lichtempfindlich wird.
Aber sämtliche Wissenslücken (einerseits werden sie kleiner, jedoch ergeben sich oft aus neuem Wissen neue Detailfragen) sagen rein gar nichts über die Wahrscheinlichkeit für den evolutionären Prozesses aus. Das Auge ist ja bereits entstanden, also kann es nicht ganz so unwahrscheinlich sein.
Die komplexen biochemischen Vorgänge von denen du schreibst, müssen jedoch nicht simultan mit einer lichtempfindlichen Zelle entstanden sein.
In dieser Arbeit
konnte gezeigt werden, dass Nervenzellen auch ohne die von dir geforderte visuelle Signaltransduktion als Lichtrezeptoren funktionieren können.
Dies zeigt deutlich, dass eine ganz einfache Lichtwahrnehmung auch getrennt von der biochemischen Signalverarbeitung entstanden sein kann.
Darüberhinaus sind fast alle Zellen mehr oder weniger lichtempfindlich. Was auch nicht verwunderlich ist, da die meisten auch dem Sonnenlicht mal ausgesetzt waren.
Das wichtigste Protein für die biochemische Signalverarbeitung ist das (Melan)opsin, welches sowohl im Gehirn als auch in der Haut vorkommt.
Die Opsin sind G-Protein gekoppelten Rezeptoren und vereinfacht gesagt, sind sie die lichtsammelnden Moleküle. Das erstaunliche ist nun, dass sie bei allen Tieren die gleiche aufgabe vollbringen. Anhand der Unterschiede in der Proteinstruktur lässt sich nun die Entwicklungsgeschichte des Auges zurückverfolgen.
Auf diesem Gebiet hat ein deutscher Forscher übrigens Pionierarbeit geleistet.
http://www.ijdb.ehu.es/web/paper.php?doi=14756332 (Archiv-Version vom 25.06.2010)
Dort einfach auf die kostenlose pdf klicken. Ein umfangreicher Artikel für die Leute, die es wirklich interessiert.
Der Clou an der Sache ist nun, dass Opsin ursprünglich von den Bakterien stammt. Dort hatte es eine abgewandelte Aufgabe.
Wikipedia: Bakteriorhodopsin
Es braucht noch zusätzlich eine Verbindung zum Gehirn was diese neuen Informationen aufnehmen und weiterleiten kann und eine Auswerteinheit im Gehirn was mit den neuen Informationen etwas anfangen kann.Bereits im vorangegangenen Teil hast du die Antwort auf dieses Zitat. Die ersten lichtsammelnden Moleküle und ersten lichtempfindlichen Zellen sind noch meilenweit vom Wirbeltierauge entfernt. Wenn das Wirbeltierauge spontan in einem Schritt so entstehen müsste, dann hast du natürlich recht. Aber momentan befinden wir uns noch in der Anfangszeit der Augenentwicklung. Es gibt noch gar keine Wirbeltiere.
Das alles muss in 1! Mutationsschritt entstehen sonst ist es völlig nutzlos und kein Vorteil.
So sagt es das Video! Oder wurden hier noch weiter reduzierbare Schritte unterschlagen?
Am Anfang reicht es noch aus, Hell und Dunkel voneinander unterscheiden zu können, um einen relevanten Vorteil zu haben.
Unsere Augen sind entwicklungsgeschichtlich gesehen eine Ausstülpung des Gehirns. Somit bildet sich keine Verbindung zwischen den beiden Strukturen, wie man denken könnte, nein, eigentlich sind sie eins.
Aber schon der nächste Schritt ist ja der Hammer. Von der Vertiefung geht’s ruck zuck zur einfach Linse.Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich das Video gar nicht kenne, aber trotzdem zielt meine Antwort wieder darauf, dass dies alles nicht in einem einzigen Schritt entstehen muss.
Wie und aus was soll da bitte eine Linse entstehen?
Und was nützt eine Linse wenn sie nicht scharf stellen kann?
Also müssen sich die zuständigen Muskeln für die Akkomodation gleich sofort mitgebildet haben!
Wie wahrscheinlich das ist muss ich wohl nicht betonen.
Oder wo soll hier eine reduzierbare Komplexität sein?
Wenn in kleinen selektionspositiven Schritten eine Entwicklung vom Pigmentfleck bis hin zum Linsenauge in Computersimulationen sehr gut funktioniert, zeigt dies auch, dass es nicht so unwahrscheinlich sein kann.
http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/256/1345/53.abstract?sid=a7976bee-7116-47a7-8197-47f3ec7783f9
Optik war nie mein Ding, aber zur Linse fällt mir ein:
Die Linse entsteht durch Verdickung und Formänderung der Oberflächenschicht durchsichtiger Zellen (sie haben den Zellkern letztendlich verloren). Man sagt dazu, der Brechungsindex erhöht sich. Am Anfang ist die Linse fast nur Schrott. aber immerhin besser als gar keine. Außerdem ist sie mit speziellen Proteinen gefüllt, den Kristallinen. Später mehr zu diesen.
Außerdem spricht dafür, dass diese Zwischenformen des Auges bei lebenden Tieren zu finden sind. Ergo können sie so entstanden sein und nicht jedes Auge muss vollkommen sein (und ist es auch nicht). Diese Zwischenstufen der Augenentwicklung gibt es wirklich, z. B. bei Mollusken im Meer. Damit ist die Funktionstüchtigkeit der postulierten Zwischenformen bewiesen.
Des weiteren muss natürlich jeder einzige Entwicklungsschritt einen so erheblichen Vorteil bringen dass sämliche anderen Individuen dieser Art aussterben oder eine neue Art abgespalten wird.Hier verstehe ich nicht ganz, worauf du hinauswillst. Der Kernpunkt ist Variation plus natürliche Selektion. Das sind additive Prozesse, wobei geringe Unterschiede auf lange Sicht ausreichen. Das kann auch durch entsprechende Rechnungen und Computersimulationen gezeigt werden.
Obwohl die minimale Schrittweise Veränderung und Ausbildung eines Auges ja wohl kaum ein Grund ist dass sich eine Art nicht mehr untereinander paart.
Wenn das aber nicht geschieht, diese Trennung, dann kann die Mutation durch Vermischung sehr bald wieder aussterben.
Jeder Mensch und jedes(?) etwas höhere Tier hat nicht 1 Auge sondern 2 Augen.Jetzt wird es immer komplizierter, aber auch interessanter.
2 symmetrische gleichmäßige Augen!
Wie soll das gehen? Wie kann man erklären dass wenn ein Tier das unfassbare „Glück“ hat dass Lichtempfindliche Zellen und die ganzen hypothetischen Schritte bis zum Auge mutieren und selektieren, dass das genau an 2 nebeneinander liegenden stellen parallel geschieht?
Oder hatte ein Tier erst 1 Auge und ein 2. ist dann langsam dazugekommen?
Wieso gibt es bitte keine Tiere mit einem Auge? Zyklopen?
Zum einen liegt es daran, dass die Augen bei den Wirbeltieren eine Ausstülpung des Gehirns sind und wir zwei Gehirnhälften haben.
Aber eigentlich könnte man noch weiter zurückgehen. Wir sind nämlich auch alle Bilateria.
Vereinfacht gesagt geht es nun um Körperbaupläne, Evo-Devo etc.
Die bilateralsymmetrisch gebauten Lebewesen waren extrem erfolgreich. Scheinbar gelingt das Leben am besten, wenn man symmetrisch gebaut ist. Eine unsymmetrisch gebaute Fliege mit drei Flügeln, krummer Beinanzahl und verschrumpelten Körpersegmenten bringt es einfach nicht. Hier spielen die hochkonservierten (also seit langer Zeit vorkommenden) homöotischen Gene eine Rolle. Das führt nun aber zu weit.
So etwas kompliziertes wie das Auge kann leicht entstehen, wenn Strukturgene sukzessive unter die Kontrolle eines Regulatorgens gebracht werden. Dies wird auch als Gen-Tinkering bezeichnet.
Der bereits vorhandene Hauptschalter war im Falle des Auges das berühmte Pax-6. Die Entwicklung sämtlicher Augentypen wird durch Pax-6 gesteuert (es sorgt sogar für die Bildung einiger besagter Kristalline). Eine Mutation am Regulatorgen verändert somit das gesamte "Verschaltungsgefüge".
Gehring konnte dies gut erklären.
http://jhered.oxfordjournals.org/cgi/content/full/96/3/171
In Anbetracht dieser schlüssigen Erklärungen verstehe ich die Argumentation vieler Kreationisten nicht.
Übrigens gibt es Zyklopen durchaus. Als seltene, kaum lebensfähige Mutanten.
Eine Mutation in diesem Signalweg (übrigens auch verknüpft mit Pax-6)
Wikipedia: Sonic hedgehog
führt zur Holoprosenzephalie. Gehemmt werden kann der Signalweg durch Cyclopamin. Das hat man an trächtigen Schafen beobachtet, die eine bestimmte Giftpflanze gefressen haben. Deren Lämmer wurden als Zyklopen geboren.
Dies zeigt wiederrum wie günstig der "bilaterale" Fall zu sein scheint.
Ich hoffe, das hat dir etwas gebracht.