Man muss immer bedenken
@Optimist wann, wo und warum Bibel geschrieben wurde.
Und dann ganz genau die Motivation betrachten und nie den Ort, die Bevölkerung,
die Umstände dabei vergessen.
Ein Beispiel für die Entstehung einzelner biblischer Texte.
Zu beachten ist, dass diese Vorlesung an einer UNIVERSITÄT stattfand !
Thomas Söding
Katholisch-Theologisches Seminar
Bergische Universität Wuppertal
Hier in Auszügen aus der Vorlesung:
4.2 Die Adressaten
Paulus hat die Gemeinde in der Hauptstadt Achaias, einer quirligen Hafenstadt, einem
Schmelztiegel der Religionen und Nationen, auf seiner zweiten Missionsreise ca. 50
gegründet (als er den Ersten Thessalonicherbrief geschrieben haben wird). Die
Gemeinde besteht mehrheitlich aus Heidenchristen. Sie hat sich stark entwickelt. Eine
„Filiale“ gibt es bereits in der Hafenvorstadt Kenchraea (Röm 16,1).
4.3 Der Anlass
Paulus erhält über zwei Kanäle Nachrichten aus der korinthischen Gemeinde: durch
mündliche Informationen, die er von den „Leuten der Chloë“ bekommt (1,11; vgl. 5,1;
11,18; auch 15,12), und durch einen Brief mit Fragen und Thesen, den Korinther ihm
schreiben (7,1; vgl. 8,1; 12,1; 16,1.12).
Die Situation der Gemeinde wird danach von theologischen Kontroversen bestimmt,
die zu erheblichen praktischen Problemen führen.
In diesen Parolen artikuliert sich die Begeisterung einer vielleicht kleinen, aber
einflussreichen Gruppe von Christen, die in der Euphorie des Anfangs, unter dem
Eindruck reicher charismatischer Begabungen (Kap. 12) und im Vollgefühl des –
vermeintlichen – Wissens um die Geheimnisse des Christusgeschehens (vgl. 2,6-16)
denken, schon der Fülle des Heiles teilhaftig zu sein (vgl. 4,7-13). Deshalb verstehen
sie sich als „Geistbegabte“ (vgl. 2,13.15; 3,1; 12,1; 14,23), „Weise“ (1,20.29; 3,18f),
„Starke“ (4,10; vgl. 10,22 und 8,1.9; 10,23) und „Vollendete“ (2,6; vgl. 4,8), die sich
von den unmündigen gebliebenen (vgl. 3,1), „fleischlichen“ (3,1) und „schwachen“
(4,10; 8,7ff) Christen unterscheiden müssen. 1Kor 13,1-3 hält ihnen den Spiegel vor.
Wesentliche theologische Merkmale des Enthusiasmus sind:
- die Fixierung auf den erhöhten „Herrn der Herrlichkeit “ (2,8),
- eine überstarke Gegenwartseschatologie (4,6ff) und
- eine spiritualistische Soteriologie (6,13).
Für diese Entwicklung sind verschiedene Faktoren verantwortlich: einerseits soziale
Spannungen (1,26ff), vor allem jedoch andererseits sowohl eine Übersteigerung
paulinischer Ideen, die im wesentlichen hausgemacht ist, als auch eine Beeinflussung
durch religiöse Strömungen der Umwelt, namentlich der Mysterienreligiosität und
jüdischer Weisheitsspekulationen.
Kennzeichnend sind einige Parolen, die in Korinth umgelaufen sind:
1,10 „Ich gehöre zu Paulus!“
„Ich gehöre zu Apollos!“
„Ich gehöre zu Kephas!“
6,12; 10,23 „Alles ist (mir) erlaubt!“
6,13 „Die Speisen sind für den Bauch da,
und der Bauch ist für die Speisen da.
Gott aber wird jene und diesen vernichten.“
7,1 „Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren!“
8,1 „Wir alle haben Erkenntnis (Gnosis)!"
15,12 „Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht!“
In diesen Parolen artikuliert sich die Begeisterung einer vielleicht kleinen, aber
einflussreichen Gruppe von Christen, die in der Euphorie des Anfangs, unter dem
Eindruck reicher charismatischer Begabungen (Kap. 12) und im Vollgefühl des –
vermeintlichen – Wissens um die Geheimnisse des Christusgeschehens (vgl. 2,6-16)
denken, schon der Fülle des Heiles teilhaftig zu sein (vgl. 4,7-13). Deshalb verstehen
sie sich als „Geistbegabte“ (vgl. 2,13.15; 3,1; 12,1; 14,23), „Weise“ (1,20.29; 3,18f),
„Starke“ (4,10; vgl. 10,22 und 8,1.9; 10,23) und „Vollendete“ (2,6; vgl. 4,8), die sich
von den unmündigen gebliebenen (vgl. 3,1), „fleischlichen“ (3,1) und „schwachen“
(4,10; 8,7ff) Christen unterscheiden müssen. 1Kor 13,1-3 hält ihnen den Spiegel vor.
Wesentliche theologische Merkmale des Enthusiasmus sind:
- die Fixierung auf den erhöhten „Herrn der Herrlichkeit “ (2,8),
- eine überstarke Gegenwartseschatologie (4,6ff) und
- eine spiritualistische Soteriologie (6,13).
Für diese Entwicklung sind verschiedene Faktoren verantwortlich: einerseits soziale
Spannungen (1,26ff), vor allem jedoch andererseits sowohl eine Übersteigerung
paulinischer Ideen, die im wesentlichen hausgemacht ist, als auch eine Beeinflussung
durch religiöse Strömungen der Umwelt, namentlich der Mysterienreligiosität und
jüdischer Weisheitsspekulationen.
6.3 Der Anlass
Den Anlass des Briefes bildet das Auftreten christlicher Missionare, die nach
Einschätzung des Apostels „ein anderes Evangelium“ verkünden (1,6f). Sie fordern die
Beschneidung (6,12 u.ö) und Gesetzesgehorsam (4,21 u.ö.), freilich kaum eine strenge
Observanz (5,3; 6,13), wohl aber die kultische Beachtung eines Festkalenders (4,10),
die Einhaltung von Speisevorschriften und Reinheitsgeboten (2,11-16) und die
Befolgung der ethischen Weisungen der Tora. Außerdem bestreiten sie die Legitimität
des paulinischen Apostolats, und zwar wegen der Beschneidungs- und Gesetzesfreiheit
seines Evangeliums, wegen der angeblichen ethischen Indifferenz seines Evangeliums
(Gal 2,17) und wegen seiner angeblichen Abweichungen vom Evangelium der
Urgemeinde.
Aufgrund der Verkündigung der Gegner stehen die Galater im Begriff, die
Beschneidung einzuführen (5,2f), Gesetzesobservanz zu praktizieren (4,21) und einen
Dienst an den „Weltelementen“ zu beginnen, der vor allem in Kalenderfrömmigkeit
besteht (4,9-12).
7.5 Der theologische Duktus des Römerbriefes
1. Das traditionelle Präskript (Absender – Adressat – Gruß) nutzt Paulus zu einem
Selbst-Portrait: Er schreibt als Apostel Jesu Christi, der das Evangelium Gottes
verkündet (1,1-7). Die Anspielung auf das traditionelle Bekenntnis zum Davids- und
Gottessohn Jesus (1,3f) signalisiert den Römern seine Rechtgläubigkeit und tiefe
Verankerung im Urchristentum.
2. Das traditionelle Prooemium (Dank – Bitte – Vorgeschichte – Anlass – Ziel) nutzt
Paulus, um sich den Römern als kompetenter, engagierter, authentischer
Gesprächspartner zu empfehlen (1,8-16) und das Thema seines Briefes zu formulieren:
„Im Evangelium wird die Gerechtigkeit Gottes offenbart – aus Glauben, zum Glauben“
(Röm 1,17).
3. In einem ersten Schritt (Röm 1,18 – 3,20) begründet Paulus, weshalb sich Gottes
Gerechtigkeit als heiliger Zorn über Juden und Heiden ereignet. Alle Menschen haben
gesündigt. Sünde muss verurteilt werden. Sünde ist Ungerechtigkeit, die aus einer
Ablehnung des Gottseins Gottes springt. Die Heiden sündigen, indem sie gegen ihr
Gewissen, die Juden, indem sie zudem gegen das Gesetz handeln. Das Gesetz kann die
Juden nicht retten, seine Gerechtigkeit besteht in der Verurteilung der Übertreter.
„Alle, Juden wie Griechen, stehen unter der Herrschaft der Sünde“ (Röm 3,9).
http://www.ruhr-uni-bochum.de/imperia/md/content/nt/nt/dasneuetestament-aufbauundentstehung/schulepaulus.pdf (Archiv-Version vom 06.07.2014)