Und Hesekiels Beschreibung der Vision ist so detailliert, weil jede Einzelheit etwas mitzuteilen hat, nicht als Reportage, sondern als Mahnung, als Erinnerung. Um den gewünschten Effekt bei seinen Zuhörern zu erzielen, zitiert Hesekiel nämlich Stellen der Bibel, die für sein Publikum eine besondere Botschaft enthielten.
Nehmen wir – als Ausgangspunkt - die sehr technisch anmutende und von Däniken und Blumrich auch technisch gedeutete Stelle über die Flügel der Engel, die den leuchtenden Thronwagen begleiteten: "Mit ihren Flügeln berührten die Gestalten einander." (38)
Das, so wusste Hesekiel, und das wussten auch seine Zuhörer, ist eine Stelle aus dem ersten Buch der Könige, in der die Ausstattung des Allerheiligsten in Salomos Tempel beschrieben wird: "Beide Engel waren gleich groß, nämlich 5 Meter, und sahen genau gleich aus. Salomo ließ sie mitten im Allerheiligsten aufstellen, und zwar so, dass sich ihre ausgebreiteten Flügel in der Mitte berührten." In der Beschreibung von Salomos Tempel finden wir auch die Räder, über die Hesekiel so genau berichtet. Sie stammen aus der Beschreibung der eisernen, mit „Löwen, Ochsen und Cherubim (=Engeln)“ verzierten Stühle, die Salomo im Tempel aufstellen ließ. (39) Ohne Zweifel ist das die Quelle für die vier Tiere und den Thron Gottes.
Kaum sieht Hesekiel das unheimliche, blitzende Phänomen, kaum beginnt er, es seinen verängstigten Zuhörern zu beschreiben, da wissen jene schon:
Aha! Es geht um den Tempel, es geht um das Allerheiligste, in dem Gott wohnt; kurz, Hesekiel wird uns etwas über die Zukunft Jerusalems mitteilen.
Denn die Vision Hesekiels ist nichts anderes als eine Beschreibung des Allerheiligsten des Salomonischen Tempels, von Wolkenglanz umgeben und in den Himmel gerückt. Und die Zuhörer wissen: Der Herr ist nicht nur in Jerusalem, er ist bei uns. (40)
Das zeigt Hesekiel noch einmal, indem er Gott auf einem „Gewölbe aus leuchtendem Kristall“ stehen lässt, den damit zitiert er die Erscheinung Gottes am Sinai aus dem 2. Buch Mose, 24. Kapitel: „Da steigen Moses und Aaron, Nadab und Abihu und siebzig von den Ältesten Israels hinauf und sahen den Gott Israels. Unter seinen Füßen war es wie ein schöner Saphir und wie die Gestalt des Himmels.“ Was uns also wie die Beschreibung von technischen Details anmutet, ist in Wirklichkeit keineswegs eine neutrale Beschreibung, sondern ein Satz, der theologische Aussagen transportiert. Weder die Stiere (Ochsen), Löwen und Cherubine, noch die Räder und die Position der Flügel, noch das gewölbte Kristall sind originäre Schöpfungen Hesekiels. Im Gegenteil: Das „Raumschiff“ ist eine Collage aus Bibelstellen, die alle auf eines verweisen – den Tempel in Jerusalem.
http://www.beepworld.de/members/ufo-bw/hesekiel.htm (Archiv-Version vom 22.10.2010)