@richardalpert Nun, da es scheinbar immer eine Diskussion über meine Einstellung gibt, bin mal so frei und werde das als zusätzliche Ergänzung posten. Vielleicht erklärt das etwas besser meine Intentionen und meine Ansichten, was aus der laufenden Diskussion zugegeben etwas schwierig sein dürfte:
Ich möchte darüber berichten, wie ich es geschafft habe von der Wachtturm-Irrlehre der Zeugen Jehovas weg zu kommen, wie ich jetzt zu den brachialen Thesen stehe, wie falsch sie sind und wie ich überhaupt da hineingeraten konnte. Dazu ist nötig, dass ich ein wenig aushole:
Angefangen hat alles, als ich noch klein war, sprich so ca. 3 Jahre. Bei uns zu Hause klingelte es an der Haustür und da standen 2 Zeugen Jehovas. Meine Mutter bat sie herein und ließ sich ihr Anliegen erklären. Sie tat es in erster Linie aus Neugier, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie keine Ahnung davon, was die Zeugen Jehovas überhaupt wollen, denn es hieß immer nur "lass bloß die Tür zu, wenn es schellt und 2 Leute davorstehen, dann ist der Verein der Halbdummen wieder unterwegs und damit gibt man sich nicht ab ...".
Hätte sie doch bloß den wohlgemeinten Rat beherzigt! Doch es sollte anders kommen. Meine Mutter kaufte einen Wachtturm und ein Erwachet sowie eine Bibel, denn wir besaßen bis zu diesem Zeitpunkt keine. Sie machte aus lauter Begeisterung mit den "Schwestern" einen Termin für die darauf folgende Woche - da auch mein Vater dabei sein sollte. In der Zeit bis dahin las sie die Zeitschriften und sie schlug die angeführten Bibelstellen in der Neuen-Welt-Übersetzung nach - mit leider nachhaltigen Folgen.
Nun kam also der Termin und mein Vater gesellte sich widerwillig dazu, denn er kam gerade von der Arbeit und hatte keine Zeit sich "vorzubereiten". Nun brachte man eine zweite Bibel, 2 "Vorsatz"-Bücher sowie für uns, damals noch 2 Kinder, je ein "Mein Buch mit biblischen Geschichten" mit. Man besprach dann das Thema im allgemeinen und begann das erste Kapitel im "Vorsatzbuch" mit meinen Eltern zu betrachten.
Los ging es damit, dass die eine Schwester zu Beginn des Studiums aus ihrer Tasche ein Kopftuch zog, bevor sie das Eröffnungsgebet sprach und das Studium "leitete". (Eine Maßgabe der WTG besagt, dass wenn Frauen ein Studium leiten, an dem ein Mann beteiligt ist, sie zur Einhaltung des biblischen Gebots, dass die Frau dem Mann untertan sein soll, als Zeichen der Unterordnung die Frauen ein Kopftuch tragen müssen!) Man besprach in einer ebenfalls fast zweistündigen Session das Thema "Wir sind in den Vorsatz eines liebevollen Schöpfers mit einbezogen".
Meine Mutter war derart angetan von der gesamten Thematik, dass sie meinen Vater zu einem festen Heimbibelstudium überreden konnte. Für uns Kinder wurde ein separater Termin mit "spezialisierten" Brüdern vereinbart, die mit uns 3 Mal die Woche das "Geschichtenbuch" betrachten und uns mit den anderen Kindern aus der Versammlung vergesellschaften sollten.
Um uns die "Vorbereitung" auf den Stoff zu erleichtern - schließlich konnten wir gerade einmal ein paar Buchstaben, die dazu reichten, unseren Namen zu schreiben und Mama und Papa - bekamen wir das Buch auf Kassette ausgeliehen. Diese Kassetten waren mit dem Text sowie einer beängstigenden "Geräuschkulisse" bespielt, die passend zu den Bildern gewählt war und diese erklärte! (Ab da bekam ich ein kindliches Bild von Dämonen und eine panische Angst im Dunkeln zu schlafen!!!)
So kam dann also unser Termin und wir wurden zum "Studium" von einem jungen Ehepaar abgeholt. Das Studium fand bei ihnen zu Hause statt und das wie gesagt 3 Mal die Woche. Man schlug damit direkt die Brücke, uns mit in die Zusammenkünfte zu nehmen. Meiner Mutter war ebenfalls daran gelegen, möglichst jede Zusammenkunft zu besuchen. Leider ging das nicht lange gut, denn sie störte die Zusammenkunft immer mit Zwischenfragen - die leider nicht ins Programm passten!
Man wies sie also an, sich alles zu notieren und erst nach der Beendigung der Zusammenkunft ihre Fragen zu stellen. Außerdem setzte man sie nach ganz hinten neben die Schwester, die mit ihr studierte, um brennende Fragen sofort zu beantworten. Meinem Vater war es in der ganzen Zeit zum Glück nur möglich, zum Gedächtnismahl und einem Tagessonderkongress zu kommen, da er sonst immer lange gearbeitet hat und so keine Zusammenkunft besuchen konnte - oder wollte ...
Naja, uns fiel es sehr schwer, erst den ganzen Nachmittag still zu sitzen und uns mit denen unterhalten zu müssen und dann abends oder vormittags noch mal 2 Stunden! Das war hart. Wenn man rumgeblödelt hat, dann hat es eins gegeben! Erst von denen! Und wenn man dann weinend zur Mama gerannt kam, gabs da auch noch eine!
"Kinder darf man sehen - aber nicht hören!" Das war das Motto meiner Mutter, und da sie mit sich selbst beschäftigt war, hatte sie natürlich keine Zeit für uns und war froh, uns bei den "lieben" Brüdern parken zu können! Naja, und so ging es bis ich 11 war. Mit meiner Mutter wurde das Studium nach über 5 Jahren "ergebnislos" eingestellt, denn sie konnte das Rauchen und ein paar andere weltliche Laster nicht lassen und so blieb sie bis zu ihrem Tod vor kurzem "freundschaftlich" mit der Versammlung als "Langzeitinteressierte" verbunden.
Mein Vater beendete sein "Studium" bereits wieder nach 4 Wochen, denn auch ihm "verbot" man das Rauchen sowie die Erfüllung seiner zu diesem Zeitpunkt letzten Reserveübung bei der Bundeswehr. Wenn er tatsächlich aufrichtig zu dieser Sache und Jehova eingestellt sei, dann würde er sofort gegen den "Marschbefehl" Einspruch einlegen und verweigern!
Ab da war Schicht im Schacht für die Zeugen Jehovas bei meinem Vater! Er stellte die Bedingung gegenüber meiner Mutter auf, dass wenn sie ihn mit dem Kram in Ruhe ließe, sie freie Hand hätte bezüglich der Zeugen Jehovas, ihr und uns! Das wurde genutzt! Da sie ja kläglich versagte, wurden wir - mittlerweile 3 Kinder - um so härter in der "Wahrheit" erzogen! Was sie nicht schaffte, das machten die Zuegen Jehovas der örtlichen Versammlung. Und so vergingen die Jahre. Man ertrug im kindlichen Glauben, das Richtige zu tun, die Hänseleien, den Spott und die Schläge der satanischen Kinder dieser Welt - einfach weil man sich auf die Seite Jehovas stellte und für Jehova einsetzte!
Andererseits kam dazu, dass wenn man bei denen (den Zeugen Jehovas) nicht spurte, es auch da Prügel gab! Aber aus Gründen, die die Sache mit sich brachte. Es war die Methode, uns zu "motivieren", denn es gab "Lernaufgaben", die gewissenhaft erfüllt werden mussten. So mussten wir beispielsweise ein Lied auswendig lernen, das da hieß "Bete Jehova in der Jugend an", oder wir mussten die Bibelbücher der Reihe nach aufsagen können. Erst das AT, dann das NT und dann alle zusammen.
Außerdem bekamen wir Bibelverse vorgesagt, die wir ebenfalls nach Ansage der Bibelstelle aufsagen mussten. Das erfolgte unter anderem auch in der Zusammenkunft. Dann hieß es ganz unvermittelt "... und der Der Bekehrte aus Bayern sagt uns jetzt, was in Sprüche 27:8 steht!" Dann kam das Mikrofon. So ging das! Naja, diese Art der "Unterweisung" machte einen weich und gefügig und man machte aus Angst vor entsprechenden Konsequenzen selber Schritte sich "weiterzuentwickeln".
Mit 12 ließ ich mich in die Theokratische Predigtdienstschule eintragen und mit 13 wurde ich "ungetaufter Verkündiger". Mit 16 ließ ich mich in Kaiserlautern auf dem Bezirkskongress im Fritz-Walther-Stadion taufen und "gab mich Jehova hin" (letztlich der WTG und Satan, aber das wusste ich erst Jahre später). Ich entwickelte "theokratischen" Eifer, indem ich Dauer-Hilfspionier wurde. Ich bereitete mich extrem gründlich auf die Zusammenkünfte vor, um möglichst viele und gute Antworten geben zu können. Ich wurde fanatisch!
Selbst in der Schule konfrontierte ich die Lehrer bei jeder Gelegenheit mit dem Thema, so dass nach einiger Zeit und zahllosen Gesprächen der Schule mit meiner Mutter ein Schulpsychologe sich meiner annahm - ohne Erfolg! In der Versammlung bekam ich "Aufgaben" wie den Mikrofondienst, die Technik, das Vorlesen in den Zusammenkünften sowie Darbietungen in der Dienstzusammenkunft!
Mit 18 wurde ich dann Dienstamtgehilfe und bekam weitere Vorrechte unter anderem als Ordner auf Kongressen. Als ich dann mit 22 schließlich Ältester war, begann ich zu sehen, was für Fehler und Unschlüssigkeiten die Lehre der WTG beinhaltete und extrem wurde es Ende der 90er, als eine gravierende Änderung durch "neues Licht" in Bezug auf das Jahr 1914 ("die Generation, die den Anfang gesehen hat, wird auch das Ende sehen") kam und mir ganz langsam bewusst wurde, das ist ein neuer Versuch (nach 1975) das Ende jetzt auf unbestimmte Zeit zu verschieben und offen zu lassen.
Ich musste Brüder und Schwestern, die deswegen extrem unangenehme Fragen stellten, zurechtweisen und abmahnen - doch warum? Ich hatte selbst keine Antwort! Als ich dann ebenfalls begann, öffentlich zu hinterfragen, wurde ich in einer Ältestenbesprechung als Ungläubiger abgekanzelt, und wenn ich nicht umgehend auf Kurs käme, würden mir alle Dienstämter aberkannt. Ich hinterfragte weiter und wurde aller Ämter enthoben, worauf ich mich zurückzog. Ich war dann sieben Jahre "untätig", bis ich mich entschloss, einen Schlussstrich unter die Sache zu setzen und alles von der anderen Seite aus aufzurollen!
Ich zog mich dann nach und nach zurück, wurde untätig und bekam nach einem langen Gespräch mit dem Bezirksaufseher Bruder Günther Bahr meine Ämter und meine Stellung als Ältester aberkannt. Es gab eine Änderungsmitteilung an die Gesellschaft, das Vereinsregister und eine Bekanntmachung in der Dienstzusammenkunft. War mir aber egal, denn ich besuchte ja eh keine Zusammenkunft mehr und Kontakt zu Brüdern hatte ich auch keinen mehr.
Ich wollte dann aber wissen, wer hat denn jetzt recht bzw. wer ist denn jetzt die wahre Religion? Also ging ich daran, mir die verschiedensten christlichen Orientierungen anzuschauen und musste feststellen, dass da noch nicht das passende für mich dabei war. Dann kam ich durch eine Reportage den Agnostikern auf die Spur - was ich besser sein gelassen hätte, denn es fing ein erneuter Spießrutenlauf an.
Aber es hilft mir ungemein, auf diesem Portal meine gemachten Erfahrungen zu verarbeiten und vor allem aus einer neuen Perspektive und neuem Licht zu sehen. Besonders in meiner Zeit als Ältester hatte ich die schrecklichsten Erfahrungen machen müssen. Es sind Begebenheiten, die sich tatsächlich so ereignet haben.
Da gab es z.B. einen älteren Bruder, der in einem "geteilten Haus" lebte. Er war um die 60 und nervenkrank. Er hatte verschiedene Besuche in einer Nervenheilanstalt hinter sich und musste starke Psychopharmaka einnehmen. Irgendwann kam er auf den Bruder zu, der ihn zu den Zusammenkünften abholte, und sagte ihm, bei ihm würden merkwürdige Dinge vor sich gehen, die ihn panisch werden ließen. Der Bruder ging der Sache nach, blieb über Nacht bei ihm, befragte die ungläubige Ehefrau (die nichts mitbekommen hatte, weil sie in einer Wirtschaft arbeitete und das bis tief in die Nacht). Aber alles ohne Erfolg.
Irgendwann kam der Bruder wieder in die Anstalt, weil er einen "Anfall" hatte. Daraufhin kam der Bruder, der ihm helfen wollte, zu uns und schilderte uns den Vorfall. Wir besuchten mit 2 Ältesten daraufhin den Bruder in der Anstalt und sprachen auch mit dem behandelnden Arzt, der uns davon berichtete, das "Herr X an merkwürdigen Halluzinationen leiden" würde. Als Bruder X wieder einigermaßen klar war, sprachen wir mit ihm und er schilderte uns Merkwürdiges. So hatte er nachts immer wieder von seinem ausgebauten Speicher lautes Poltern und Klopfen gehört. (Info: Sein Sohn hatte sich dort 25 Jahre zuvor erhängt.) Und er dachte, da es eine Ferienwohnung war, seine Frau hätte diese vermietet.
Also ging er hoch, um um Ruhe zu bitten. Doch da war niemand. Er tat das als Nebenwirkung seiner Medizin ab. Als er dann aber in seinem Schlafzimmer Stimmen hörte und trotz geschlossenem Fenster und geschlossener Tür starke Luftzüge wahrnahm, bekam er es so mit der Angst zu tun, dass er "cholerisch" wurde. Nachdem er wieder aus dem Krankenhaus zu Hause war, wollten wir auf Nummer sicher gehen und besuchten ihn.
Und da passierte tatsächlich das, was er uns beschrieben hatte. Wir 3 (2 Älteste und er) haben also angefangen, laut zu beten und haben dabei den vermeintlichen Gottesnamen Jehova sehr oft gebraucht. Das ging fast 2 Stunden und irgendwann war der "Spuk" vorbei. Ich erinnere mich an hallendes Gelächter, eine dunkel flüsternde Stimme sowie immer von einer anderen Seite kommende Lüftzüge. Nach einer gewissen Zeit gab es einen lauten Schlag und eine Schublade flog aus einer Kommode und seitdem war Ruhe.
Ich schrieb diese Erfahrung und deren Beendigung dem Tun Jehovas zu. Schließlich haben wir gebetet und die Passage mehrmals laut gelesen, wo Jesus Dämonen ausgetrieben hat. Ich war überzeugt, damit einen Beweis zu haben, dass die WTG die wahre Religion ist. Heute, mit all meinem Hintergrundwissen, weiß ich, dass ich da den Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben habe.
Solche Fälle mussten dann dokumentiert werden und gingen dann an Selters. Gehört hat man dann nichts mehr davon. Verwechseln darf man das nicht mit einem Exorzismus, denn hier war die "Heimsuchung" räumlicher und nicht körperlicher Natur!
Ein weiteres Erlebnis kenne ich vom Hörensagen. Der Kreisaufseher Bruder Litti schilderte uns in der Ältestenversammlung einen Fall, der "handfester" zuging. Hierbei war eine junge Schwester betroffen, die meinte, nachts, wenn sie im Bett lag, bedrängt zu werden. Sie hatte immer das Gefühl, dass jemand neben oder direkt hinter ihr liegen würde. Erst tat sie es als Einbildung ab. Später wurde es so schlimm, dass sie eine vermeintliche Hand merkte, die über ihren Oberschenkel strich und dann kam das Spüren von einem Atem im Nacken dazu.
Sie rief sofort den Kreisaufseher an bzw. den Ältesten, bei dem er untergekommen war, und man beseitigte das Problem auf ähnliche Weise. Hier war jedoch eine sich "bewegende Zudecke" das Zeichen der Verflüchtigung. Die junge Schwester zog danach mit 2 anderen ledigen Schwestern in eine WG ...
Als kurzer Abriss. Ich habe seit meinem Ausstieg kein Wort mehr mit meiner Familie gewechselt....