@snafu Wie ich sehe ist mein Antwort-Post auf deinen Beitrag vom 28.6. seinerzeit doch nicht mehr abgeschickt worden, daher noch einmal die Zusammenfassung:
Snafu, du machst einen entscheidenden Fehler in deiner Argumentation. Du deutest an, Abramelin
(sowie andere vermeintliche „Satanisten“ vor-LaVeyscher Zeit) hätten sich deshalb nicht als solche
und ihre Ansichten deshalb nicht als „Satanismus“ bezeichnet, weil sie im Zuge dessen mit
Repressionen zu rechnen gehabt hätten. Damit nimmst du aber in Anspruch, zu wissen, was diese
Personen tatsächlich gedacht haben – das kannst du aber nicht; das Wissen um die Gedanken dieser Personen ist allein ihr Privileg. Wir können nur anhand von gegebenen Indizien Vermutungen
anstellen, was diese Personen gedacht haben. Bei allen von dir genannten Beispielen für
„Satanisten“ hapert es nun einmal an ausreichenden Indizien, dass sie sich tatsächlich als Satanisten gesehen haben. Dieses Urteil können wir nur dann fällen, wenn die entsprechenden Individuen sich tatsächlich explizit als solche bezeichnet haben.
Im Bezug auf die von dir genannten Personen/Gruppierungen ist wohl eher der Wunsch Vater des
Gedanken, nicht der Beweis. Abraham von Worms/Abramelin bspw. als einen Satanisten, oder
zumindest den Inhalt seines Werks als Satanismus zu klassifizieren, nur weil er die höllische
Hierarchie beschreibt, ist ziemlich absurd – dementsprechend müssten sämtliche Dämonologen,
auch die im kirchlichen Dienste, zu Satanisten erklärt werden. Das würden sie sicherlich harsch
zurückweisen, würde man sie mit diesem Vorwurf konfrontieren. Weiterhin wundert es doch sehr,
warum es Abramelin stets vorsieht, zunächst Gott um Schutz und Beistand zu bieten, sowie man
Dämonen und böse Geister beschwöre, wenn Abramelin doch angeblich „satanistische“ Praktiken
beschreibe.
Und auch bei Aleister Crowley, aus dessen Werken man ohnehin so ziemlich alles herauslesen kann, wonach es einem herauszulesen beliebt, ist nie ein explizites satanistisches Bekenntnis zu lesen. Dass er den Satan lobpreise wäre längst noch nicht ausreichend, ihn als „Satanisten“ zu deklarieren.
Demnach wäre auch Bakunin als solcher einzuordnen, wenn er in seinem Aufsatz „Gott und Staat“
schreibt: „Aber da kam Satan, der ewige Rebell, der erste Freidenker und Weltenbefreier. Er
bewirkt, daß der Mensch sich seiner tierischen Unwissenheit und Unterwürfigkeit schämt; er befreit
ihn und drückt seiner Stirn das Siegel der Freiheit und Menschlichkeit auf, indem er ihn antreibt,
ungehorsam zu sein und die Frucht vom Baum der Erkenntnis zu essen.“
Um das Problem hier noch einmal auf den Punkt zu bringen: Es ist nur dann möglich, etwas als
„satanistisch“ oder auch proto-satanistisch zu bezeichnen, wenn eine Definition dessen gegeben ist,
was genau dieser Begriff eigentlich umfasst. Im Bereich der Literatur (Baudelaire, Byron, Shelly
etc.) hat der Begriff eine andere Bedeutung („Verklärung des Bösen und des Krankhaften“) als im
Bereich der Religion. Um eine solche Definition für den Begriff im religiösen Bereich zu finden,
bedarf es einer Person oder Gruppierung, die sich explizit als Satanismus/Satanisten/Satanistisch
versteht – und nach dem mir bekannten Quellenstand ist das nun einmal erst durch LaVey der Fall
gewesen, damit ist seine Definition auch der Maßstab, der bei späteren Untersuchungen angelegt
werden muss. Es ist ja nun nicht LaVey vorzuwerfen, wenn möglicherweise schon zuvor
existierende, in ihrem Selbstverständnis als „Satanisten“ zu klassifizierende Personen schlicht und
einfach zu feige gewesen sind, sich der Welt auch als solche mitzuteilen. Bereits seit der spätestens
mit dem 19. Jahrhundert stark voran geschrittenen Säkularisierung und der Entstehung zahlreicher
neuer religiöser Bewegungen hätten derartige Gruppen, so sie denn existiert hätten, mehr als genug Zeit gehabt, rechtzeitig vor LaVey ihren Satanismus zu verklären.