Der Da Vinci Code
21.07.2006 um 10:00
Wer regiert die Welt?
von Karin Fagetti
(Auszüge)
Der Roman«Sakrileg» schafft, was Hunderten von Sachbüchern vor ihm nicht gelang. Er mobilisiertmillionenfach Wahrheitssucher. Vor allem auch junge Menschen lassen sich inspirieren ...
Da erzählt einer, Jesus sei gar kein Single gewesen. Vielmehr habe dieserProphet das Weibliche bewundert, mit Maria Magdalena eine erotische Beziehung unterhaltenund mit ihr eine Tochter gezeugt, deren Nachfahren bis heute inkognito unter uns lebten...
Obwohl ( ... ) Leser sehr skeptisch sind, pflügen sie sich so fleissig wieschon lange nicht mehr durch den wuchernden Garten der vermeintlichen Ur-Wahrheit – lesenden Hippie-Bestseller «Der Herr der Ringe», die wissenschaftlichen Theorien von Männernwie Robert Anton Wilson, «Im Namen Gottes» von David A. Yallop oder verschlingen dieGeschichte der «Päpstin», die auf dem Kreuzweg ein Kind geboren haben soll.
Angetrieben vom Wunsch, endlich die Wahrheit zu erfahren, endlich herauszufinden, werim Geheimen die Geschicke der Menschheit führt, stürzen sich vor allem auch junge Sinn-und Wahrheitssucher mit Hammer und Meissel auf das christliche Fundament unsererGesellschaft.
«Ich war gefesselt von den Büchern ( und ), weil man das Gefühlhatte, die Wahrheit zu erfahren», sagt der 25-jährige Dimitrija Mitrovic, dem schon alsserbisch-orthodox aufwachsender Knabe die Widersprüche zwischen Glauben und Wissenmissfielen. «Und die Frau ist immer im Hintergrund, unbedeutend, ja sogar unerwünscht ...
Dan Brown spielt gekonnt auf der Klaviatur der zum Megatrend gewordenenThematik Religion und Spiritualität. Schon seit längerem würde wieder vermehrt nach derEntstehung des Christentums gefragt, sagt der St. Galler Religionslehrer UlrichScherrmann.
Die «Sakrileg»-Geschichte ist eine fiktive Reise «back to thebasics» und rasch erzählt:
Der Symbologe Robert Langdon jagt mit der KryptologinSophie nach dem Heiligen Gral. Auf diesem Weg erfährt Sophie die wahre Identität ihrerFamilie, die wahre Bedeutung Maria Magdalenas und des Heiligen Grals. Sie erfährt, dassvon Leonardo Da Vinci über Victor Hugo, Claude Debussy und Jean Cocteau allesGrossmeister der Geheimloge «Prieuré des Sion» gewesen sein sollen, deren Aufgabe dieGeheimhaltung des Heiligen Grals sei. Auch die Schweizerische Grossloge «Alpina», dieDachorganisation der Schweizer Freimaurerlogen, wird ins Spiel gebracht.
Zentralin dieser Geschichte sind die Frauen. War Maria Magdalena Jesus' Geliebte bzw. Frau? Istdas «göttlich Weibliche» von der Kirche systematisch unterdrückt worden? Ist der HeiligeGral eine Anerkennung «der Macht des Weiblichen»?
«Die Sache ist interessant,aber unwichtig geworden»
«Die Menschen haben wichtigere Probleme zu lösen»
«Esist nicht so schlimm, wenn man nicht alles weiss.»
(Aussagen Jugendlicher)
Nur für Lukas ist Jesus' göttlicher Glanz leicht verblasst: «Jetzt ist er eigentlichein normaler Mensch.» Gerade das sei gut und richtig, fallen ihm die anderen ins Wort,die sich durchaus vorstellen können, dass sie das in ihrem Glauben stärkt und nichtschwächt.
Dass Brown mit der Maria-Magdalena-Geschichte aber einen wunden Punktder Kirchengeschichte trifft, bestätigt Silvia Schroer, katholische Professorin für AltesTestament an der christkatholischen und evangelisch-theologischen Fakultät derUniversität Bern. «Maria von Magdala wird in allen Evangelien als wichtigste JüngerinJesu erwähnt. Dass die Beziehung zwischen Maria und Jesus erotisch war, ist keinzentrales Thema der biblischen Tradition, aber in Joh. 20 mindestens angedeutet.» Vielwichtiger als die unterdrückte Erotik sei für die historische und feministische Forschungdie unterdrückte Autorität als Apostolin und Leitfigur der Kirche, meint Schroer. «DieAutorität wurde ihr auf subtile Weise entrissen. Die Kirchenmänner machten aus Maria einereuige Prostituierte, obwohl davon kein Wort in der Bibel steht.» Schroer bezeichnet dasals den wohl grössten Skandal und das grösste und weitreichendste Unrecht derKirchengeschichte.
Schützenhilfe bekommt sie vom Theologen Hans Küng, der inseinem Buch «Das Christentum» die Frauen als die Verlierer der Geschichte bezeichnet:«Lange Zeit hat man wie selbstverständlich die kirchlich gewünschte Unterordnung derFrauen als göttliche Offenbarung und heilige Tradition legitimiert, und einigeewiggestrige Kleriker tun dies noch heute.»
Ob «Sakrileg» und «Illuminati» derKirche, der Aufklärung oder letztlich doch nur dem Bankkonto des Autors einen Punktsiegbescheren, kann niemand sagen. Aber die Frage, ob diese Bücher gut oder schlecht seien,bringt zurzeit nicht nur Verschwörungstheoretiker in Wallung. Vatikankardinäle und das imBuch als katholische Guerilla gezeichnete Opus Dei melden sich zu Wort. DerGlaubenskongregations-Sekretär im Vatikan, Angelo Amato, fordert alle Katholiken auf, denam Donnerstag in den Kinos startenden Film «The Da Vinci Code» zu boykottieren ...
Viele glauben, dass sich diese Aufregung von alleine legen werde. Die Kirche habeschon andere Krisen überstanden, meinen die Kantonsschüler. Vielleicht mache geradedieser Umstand sie zu einem Faszinosum. Im Internet kursiert unter Bloggern der Witz, indem Jesus im Himmel schallend lacht, als er erfährt, dass es den «Fischerverein», den ervor über 2000 Jahren gründete, noch immer geben soll. Sein Niedergang kann sich zurzeitkaum wer vorstellen. Zuerst wollen ohnehin alle ins Kino, selber denken, sichFantastereien hingeben und sich nicht von nervigen Predigern das Vergnügen madig machenlassen.
..gekürtzt ...