Fragen zur arabischen Kultur.
01.09.2009 um 13:59
Hallo, ihr alle...ob Gut oder Böse... ;-)
Ich habe jetzt zu diesem Thema nur die ersten zwei Seiten gelesen und sprudel schon über vor Gedanken. Ich glaube, es wird ein sehr langer Beitrag!
Zuerst Folgendes (ob es geglaubt wird oder nicht, müßt ihr entscheiden): Ich bin Deutsche, habe zur muslimischen Welt kaum Kontakte und zur arabischen Welt (gibt es da jeweils nur eine, nicht zu fassen..."Ironie") ebenfalls nicht (leider..."keine Ironie"). Ich fühle mich keiner bestimmten Partei besonders zugehörig, versuche in meinem Alltag offen durch's Leben zu gehen, läster ebenfalls über Menschen, die ich nicht mag (auch wenn das wenige sind), bin also weder heilig, noch besonders gut. Ich werde jetzt nicht direkt auf Deine Fragen vom Anfang eingehen, theothis, weil ich denke, es gibt keine Antwort... ich will nur Denkanstöße geben...
Ich sitze also hier am PC, mache mir so meine Gedanken und empfinde viele der sogenannten "westlichen" Brüder und Schwestern bzw. der muslimischen als zu - ich nenn es mal - unneugierig an dem Nachbarn, auch untereinander! Und ich denke, wir sind auf dieser Erde alle Nachbarn, haben nur vergessen, den Gartenzaun zu entfernen und schöne Blumenbeete zwischen den Grundstücken anzupflanzen.
ABER: Ich habe leicht reden. Ich habe nie gehungert, ich habe nie gesehen, wie meine Verwandten erschossen oder gequält wurden, ich habe Eltern, die man wahrscheinlich als Mitläufer betrachten kann und die aus meiner "westlichen" Sicht das Glück hatten, in einem Land zu leben, das seit jetzt ca. 60 Jahren relativ friedlich ist (wobei ich auch weiß, daß in deutschen Gefängnissen oder auf deutschen Straßen die Menschenrechte nicht immer eingehalten werden). Ich durfte zur Schule gehen. Ich hatte Kleidung. Ich halte mich für einigermaßen intelligent und habe wohl ein bestimmtes Level an Bildung. D.h. ich habe BILDER im Kopf, egal, ob die stimmen oder nicht.
Und nun zu einigen vielleicht auch provokanten Thesen/Gedanken:
1. Terror
Als erstes ist mir wichtig, daß ihr auch bei meinen nachfolgenden Sätzen nicht denkt, ich verherrliche Gewalt. Ich selber mag sie gar nicht, und gehe vor allen Dingen körperlicher Gewalt lieber aus dem Weg. Trotzdem versuche ich, die Meldungen über Terror zu verstehen...weil ich Verstehen für den Anfang von Dialog halte.
Die "westlichen" Länder sind meiner Ansicht nach sehr auf das Leben im Hier und Jetzt fixiert, warum aber kann es nicht sein, daß ein Terrorist nach Höherem für sich selber strebt. Nehmen wir das Legen einer Bombe mal psychologisch als Selbstbefreiung aus Haß, spirituell als "meinem Gott" näher kommen? WICHTIG: Immer aus der Sicht eines Terroristen, nicht aus meiner! Das lasse ich mal so stehen...
Dann: Als ich die Nachricht vom 11.09. im Fernsehen sah und es klar war, daß es sich um Terror handelte, ging mir etwas durch mein Herz, auch wieder aus meiner wahrscheinlich recht liebevollen Welt entsprungen. Ich empfand Mitleid! Für die Täter! Weil sie so sehr hassen, so sehr ihrem Gott, ihren Zielen nah sein wollten, daß für die reine Liebe und Neugier an den Mitmenschen, die sie töteten, kein Platz mehr war! Ich habe bisher nur einmal für ca. drei Minuten in meinem Leben gehaßt, einen mir nahen Menschen, und das waren die schrecklichsten drei Minuten meines Lebens: weil ich blind wurde! Ich mußte also beim Erkennen dieses wahrscheinlich fortwährenden Hasses der Täter eine Träne verdrücken...oder auch rauslassen. Auch das mal zum Nachdenken...
Drittens: In der Medienlandschaft kann man selten sicher sein, wie Bilder gemacht werden, außerdem erreichen uns Nachrichten schneller. Und es wird gefiltert: sowohl auf der terroristischen, als auch auf der achso friedlichen Seite. Die Menschen sind meiner Ansicht nach nicht grausamer als in früheren Zeiten, die Religionen und Kulturen sind ebenfalls egal: es haben sich nur die Waffen (konkret und medial!) und die Verbreitungsgeschwindigkeit geändert. Und Medien brauchen Katastrophen, weil Menschen voyeuritisch veranlagt sind (im Mittelalter ging man auf den Marktplatz, heute setzt man sich vor den Fernseher!).
Viertens: Ich halte Verurteilungen von hier aus für sehr, sehr fragwürdig, da es auch in der "westlichen" Welt genug Grausamkeiten gab, die noch nicht lange zurückliegen. Ein Beispiel: Die "arabische" Welt hat meines Wissens sehr viel zu unserem medizinischen Know-How beigetragen (und verzeiht mir den Begriff "uns", eigentlich ist auch dieser eine Abgrenzung, die ich ja gerade nicht mehr will, aber ich bin auch nur ein Mensch! (o: ). Dafür hatten wir z.B. Hitler, wie viele ja hoffentlich verinnerlicht haben, reichlich grausam. Und sagt jetzt nicht: Mir passiert das nicht, ich bin ja aufgeklärt! Dessen bin ich mir sicher, daß man das NIE voraussagen kann!... Oder wir hatten die Folterungen im Mittelalter, gemessen an der Zeit, in der es sogenannte arabische Hochkulturen gab, eine sehr kurz zurückliegende! Was ich sagen will: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!
Und fünftens: Bitte vergeßt nie, wie es bereits in einem Chat oder Forum zugeht, ist das nicht manchmal der Anfang eines Krieges, wenn es um persönliche Angriffe und nicht um Sachfragen geht, wenn in einen Menschen etwas hineininterpretiert wird, ohne daß man diesen Menschen kennt?
2. Zwangsheirat
Auch hier ist mir wichtig, daß ihr wißt: ich bin weder für die Zwangsehe, noch für das Verheiraten sehr junger Mädchen/Menschen.
ABER: Ich bin in einer zwar angeblich aufgeklärten, aber doch sehr christlich geprägten Gesellschaft groß geworden, die aus irgendwelchen Gründen bestimmte Moralvorstellungen entwickelt hat (ohne Wertung).
Erstens: Kann es nicht sein, daß ein Mädchen, das keine anderen Strukturen kennt, vielleicht ein Leben führt, das es erfüllt? Ich spreche dabei nicht einmal vom Glücklichsein oder die Selbstverwirklichung! Ich spreche davon, daß es in anderen Kulturen vielleicht nicht wichtig ist, sich selber zu verwirklichen, daß die Familie an erster Stelle steht, daß es um eine Art Sicherheit geht...und Sicherheit ist nicht immer gleich bedeutend mit angenehmen Erfahrungen. Eine Sicherheit können auch immer ähnliche Verhaltensstrukturen sein. Beispiel: Ein Kind, das in unserer Gesellschaft seelisch von seinen Eltern keine Zuneigung bekommt, hat eine Konstante. Vielleicht entwickelt es sich trotzdem gut, weil es lernt, zu kämpfen? Ich war mal zwei Monate in Nigeria, wo die Polygamie (auch bei Christen) noch verbreitet ist. Das Leben der Frauen untereinander ist teilweise die Hölle an Eifersucht, die Kinder der Ehefrauen mögen sich oft gar nicht, aber ich erlebte die Frauen als sehr stark, auch dem Mann gegenüber!
Zweitens: Erziehen nicht auch in der muslimischen Religion die Mütter ihre Söhne? Könnten sie sie dann nicht anders lenken?
Drittens: Obige Thesen gehen von dem aus, was ich unter sehr streng muslimisch zu kennen glaube; ich denke aber, daß es genauso Tausende von Familien gibt, die NIRGENDS auftauchen, die keine Zwänge auf ihre Kinder ausüben...
Viertens: Gibt es eine bessere oder eine schlechtere Moral? Wäre es nicht richtiger zu sagen, es gibt unterschiedliche Moralarten? Eltern, die als Muslime ihre Tochter verheiraten, empfinden das als richtig, vielleicht, weil es einem Halt gibt. Vielleicht empfinden sie es hier als schrecklich, als moralisch verwerflich, wenn man ein Mädchen mit 13 schon in Discos marschieren läßt (ich persönlich habe nichts dagegen, ich war mit 14 das erste Mal tanzen)? Vielleicht finden sie es verwerflich, wenn Frauen und Männer in eine gemischte Sauna gehen, weil es auch eine schöne Art des Geheimnisses sein kann, nicht alles von sich zu zeigen? Vielleicht ist ein Bikini für eine muslimische Frau so schlimm wie für eine christliche das Kopftuch? Warum ist Enthüllung besser als Verhüllung?
Fünftens: Das Alter der Mädchen! Wir sind erst ab ca. 100-150 Jahren so weit (vielleicht ist es auch gar nicht WEIT?), daß wir Kinder schützen, im Bereich Arbeit, im Bereich Sexualität. Aus biologischer Sicht ist eine Frau, soweit ich informiert bin, am besten geeignet, Kinder zu bekommen, wenn sie ca. 15-18 ist. Und auch hier wieder: Mädchen wurden in unserer christlichen Kultur ebenfalls bereits oft sehr jung verheiratet, als Mätressen gehalten... und es war normal. Ich persönlich habe mich mit 14 schon normal entwickelt gesehen, fühlte mich als normal denkendes Wesen, von den Eltern nur noch finanziell abhängig, aber nicht mehr im Geist! Wenn Ihr Euch zurückerinnert, Ihr nicht auch (egal, ob Männlein oder Weiblein!)???
Und dadurch, daß Frauen hier in dieser Gesellschaft immer länger warten, kann man provozierend sagen: Wir sterben aus und wir gebären mehr behinderte Kinder! Ich weiß, jetzt geht gleich die Diskussion los, ob behinderte Kinder lebenswert sind, auch das Bejahe ich! Wir sind aber aus Sicht der Natur fast die einzige Spezies, die Behinderung in der eigenen soziologischen Gesellschaft trägt. Und: diese Diskussion kann man ja an anderer Stelle weiterführen.
Kann es also nicht auch etwas Gutes haben, früh zu heiraten oder früh Kinder zu bekommen?
So, an dem Artikel habe ich jetzt zwei Tage geschrieben und ich wünsche mir nur eines von den Leuten, die ihn komplett lesen:
Versucht in Eurer kleinen Welt zu Verstehen...und so auch auf Menschen, Taten, Verhalten und Aspekte zuzugehen, die Euch erst einmal fern zu sein scheinen! Auch wenn diese noch so grausam scheinen...!
Ich persönlich würde wahnsinnig gerne mehr über die arabische/muslimische Welt erfahren, genauso, wie ich gerne meiner fiktiven Oma Erna von gegenüber lausche... weil ich diese Welt MAG!
Ein Appell an Toleranz und Dialog???
Grüßle, flepi
P.S.: WOW, der ist lang geworden, ob den je jemand ganz liest? ;o)