Die Zeugen Jehovas
18.07.2005 um 09:45
Jehova - oder Vater?
Will man einen Text übersetzen, geht man natürlich von dem zugrundeliegenden Textbestand aus. Heute liegen uns dafür dankenswerterweise eine Vielzahl an Handschriften vor, aus denen wir diesen Textbestand mit großer Zuverlässigkeit erschließen können. (Die manchmal vorkommenden, kleinen Unterschiede kann man meist durch Vergleich mit anderen Handschriften klären.)
In der Frage, ob man im Neuen Testament "Jehova" übersetzen darf, ist die Antwort aber klar und eindeutig: Es gibt keine einzige Handschrift einer neutestamentlichen Schrift, in der der Name "Jehova" vorkäme. An sämtlichen Stellen ist von "kyrios" die Rede, Herr - die Anrede Gottes, die sich auch im Judentum jener Zeit durchgesetzt hatte. Selbst dort, wo aus dem Alten Testament zitiert wird und im hebräischen Text dieser altestamentlichen Texte der Gottesname steht.
Im Anhang der Neuen Welt-Übersetzung ist ausgeführt:
"Um nicht die Grenzen, die einem Übersetzer gesetzt sind, zu überschreiten und um uns nicht in die Exegese zu begeben, waren wir äußerst vorsichtig, den göttlichen Namen in den Christlichen Griechischen Schriften wiederzugeben" (S. 1644)
Dieser Satz führt Leser in die Irre, und fällt mir schwer, hier keine bewußte Täuschung anzunehmen. Eine Übersetzung gibt einen Text in eine andere Sprache wieder. Und kyrios ist nun mal eindeutig Herr. Dies mit "Jehova" wiederzugeben, überschreitet die Grenze einer Übersetzung nicht nur vorsichtig, sondern es reißt sie sozusagen in vollem Galopp nieder.
Da hilft es nicht weiter, daß man "ständig mit Sorgfalt die Hebräischen Schriften herangezogen" haben will. Diese enthalten ausschließlich den Text des Alten Testaments, in dem der Gottesname natürlich vorkommt. Ebensowenig ist es sachdienlich, auf die Verwendung des Gottesnamens in der griechischen Septuaginta abzuheben. Denn dabei handelt es sich um eine vorchristliche, also jüdische, Übersetzung der alttestamentlichen Schriften.
Sie vermag nichts darüber auszusagen, wie die Christen mit dem Gottesnamen umgegangen sind.
Offenbar verfügen die Autoren dieses Absatzes über eine außerbiblische Offenbarungsquelle. Anders kann ich mir nicht erklären, wie sie zu der felsenfesten Behauptung kommen: "Als Jesus sich in der Synagoge von Nazareth erhob, das Buch Jesaja entgegennahm und daraus die Stelle aus Kapitel 61, Vers 1 und 2 vorkam, sprach er Gottes Namen aus." In der Bibel - steht nichts davon. Vielleicht können es sich die Autoren nicht anders vorstellen, als daß Jesus den Namen ausgesprochen hat. Aber dann sollten sie genau dies auch schreiben.
Bemerkenswerterweise ist uns in allen vier Evangelien nicht ein einziges Mal überliefert, daß Jesus den Gottesnamen verwendet hat. Weil es zu jener Zeit unüblich gewesen war, hätte dies sicherlich für Aufsehen und Aufregung gesorgt. Der Name Gottes galt als heilig, man sprach ihn - nicht aus Geringschätzung, sondern aus Ehrfurcht - nicht aus. Im Unterschied zu so vielen anderen Themen ist der Name nicht ein einziges Mal Gegenstand eines Streitgesprächs mit den Pharisäern oder Schriftgelehrten. Nicht ein einziges Mal klagt man ihn der Gotteslästerung an, weil er den Namen ausgesprochen hat. Obwohl überliefert ist, daß er wegen anderer Dinge mehrfach ein dermaßen großes Aufsehen errecht hat, daß man ihn - die Tatsache unbeachtet, daß die Juden unter römischer Besatzung die Todesstrafe nicht mehr ausführen durften - in heller Empörung öffentlich steinigen wollte.
Jesus hat uns Gott vorgestellt, er hat viel von ihm geredet. Weiter ist uns auch überliefert, wie Jesus mit Gott geredet hat. Die Anrede, die Jesus dabei immer wieder wählt und die ganz klar an erster Stelle steht, ist nicht "Jehova". Sondern Vater . Jesus stellt uns Gott als den Vater im Himmel vor, an den wir uns wenden können und der uns gute Dinge geben will. Man stelle sich vor, wie der Vater voll Freude die Arme ausbreitet und seine Söhne und Töchter in die Arme schließen will und diese stattdessen von ferne stehen und ihn mit "Jehova Gott, Souverän des Universums..." anreden. Als die Jünger Jesus fragen, wie sie beten sollen, hat er ihnen das bekannteste Gebet der Christen genannt. Und auch dieses beginnt mit: "Unser Vater im Himmel..."
Wenn schon Jesus uns das nicht gelehrt hat, haben dann wenigstens sie, die ersten Christen, Gott mit Jehova angesprochen? Vielleicht bei Paulus? Schließlich sind viele seiner Adressaten Heidenchristen: Menschen, die inmitten heidnischer Götzen lebten. Menschen, die erst vor kurzem zum Glauben gekommen sind. Ermahnt er sie, den Gottesnamen zu verwenden?
Nein, auch hier: Fehlanzeige. In der Apostelgeschichte, in den Briefen, überall im Neuen Testament wird nur vom kyrios, von dem Herrn gesprochen. Vom Vater. Oder einfach von Gott. Bietet das Verwechslungsmöglichkeiten? Nein: Da Christen nur an den einen Gott glauben, ist auch das eindeutig.
Wäre es nicht geradezu unverzeihlich - der Lehre der Wachtturmgesellschaft gemäß - daß Paulus bei seinem Vortrag auf dem Areopag (Apostelgeschichte 17) "vergessen" hat, den zuhörenden Griechen den Namen des "unbekannten Gottes" bekanntzumachen? Schließlich hat er ihnen den gerade erst vorgestellt, und sie kannten ihn bisher noch gar nicht! Aber nein, das tut Paulus nicht. Er spricht schlicht von "Gott" und macht ihnen das Evangelium bekannt (Apostelgeschichte 17:30-31)
Was bedeutet das nun? Der Sprachgebrach der heutigen Christen, wenn sie von Gott als dem Herrn oder dem Vater sprechen, stimmt offensichtlich mit dem Sprachgebrauch der ersten Christen überein. Wenn die Autoren des Anhangs der Neuen Welt-Bibel behaupten, daß Gott "die größte Schmach" angetan würde, indem man seinen "besonderen persönlichen Namen" entfernt oder verschweigt, dann können sie diesen Vorwurf nicht allein "Übersetzern" machen. Dann müßten sie diesen Vorwurf zwangsläufig auch einem Paulus oder einem Petrus machen. Und letztlich sogar Jesus selbst.
Nein, dieser Gedanke ist absurd. Die einzige Alternative: Die Autoren bringen damit ihr persönliches Empfinden zum Ausdruck. Sie fühlen sich so, als würden sie Gott entehren. Tatsächlich aber existiert keine biblische Grundlage dafür, es heutigen Christen zum Vorwurf zu machen, wenn sie ihren Vater im Himmel auch einfach so anreden, geschweige denn es als falsch oder als ungeistlich abzuqualifizieren.
In wessen Namen werden wir gerettet?
Für die Bibel ist da die Antwort sehr klar. Und überraschenderweise ist es nicht der Name Jehova, sondern der Name Jesus! Petrus bekennt, vom heiligen Geist erfüllt, nicht nur, daß dies der Name ist, unter dem wir gerettet werden müssen, sondern auch, daß es keinen anderen Namen gibt.
"In Namen Jesu Christi von Nazareth, den ihr gekreuzigt habt, den Gott von den Toten auferweckt hat, durch ihn steht dieser hier gesund vor euch.
Das ist der Stein, von euch Bauleuten verworfen, der zum Eckstein geworden ist.
Und in keinem anderen ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, in dem wir errettet werden müssen."
(Apg 4: 10-12)
Das ist doch wohl unmissverständlich.
(Mit Textauszügen von Frank Bechhaus)
Jeara