@Lightstorm: Ich gebe dir in soweit Recht, dass es eine Gleichschaltung mehrerer Individuen innerhalb einer Gruppe gibt. Solange sie sich als Einheit mit der Gruppe identifizieren. In einer Gruppe fühlt sich das Individuum ohnehin stärker als alleine. Auch das ist bekannt. Gemeinsame Ziele für die es sich (vermeintlich) lohnt, möglicherweise auch zu sterben, verstärken dieses Gefühl des Zusammenhalts noch.
Dennoch verliert dabei sowohl das Individuum als auch die Gruppe den Blick für die Realität. Man sieht nur noch das, was einen innerhalb der Gruppe bindet. Sich als Teil einer verschworenen Gemeinschaft und ein gemeinsames Ziel. Alleine das wird zum alleinigen Lebenssinn. Alles andere ist Ausserhalb des Blickfeldes. Wird ausgeblendet.
Ich gebe auch buddel in einem Punkte Recht, nämlich dass der Islam in der Lage ist, Menschen gleich zu schalten. In ihrem Glauben sind Moslems alle gleich gesinnt. Das ist auch der Grund warum sie sich als Umma, als Glaubens-Gemeinschaft sehen. Tanzt einer aus der Reihe und geht eigenen Gedanken nach, wird er von seinen Glaubensbrüdern sogleich gemahnt: Bruder, wie kannst du so etwas sagen, das ist nicht mehr Islam usw. Das kann man ja selbst hier im Forum beobachten.
Bei uns im (bösen) Westen hat das Individuum einen größeren Stellenwert bekommen, hat größere Freiheiten sich im Laufe der Zeit erkämpft, kann sich freier entfalten und selbst verwirklichen. Das förderte (leider) auch den Egoismus. Offenkundig wird eben gerade diese Freiheit und Selbstverwirklichung des Einzelnen als mögliche Bedrohung angesehen, obschon diese Gesellschaft aus lauter Individuen an sich niemandem direkt schaden will. Aber anscheinend wird es so empfunden.
Fanatisierung und damit der undifferenzierte Aufbau eines gemeinsamen Feindbildes - damit haben wir es heute - auf beiden Seiten zutun. Auf der einen Seite der (böse) Islam. Auf der anderen Seite der (böse) Westen. Jeder sieht in der anderen Gruppe den (bösen) Feind. Warum?
Die größten, besten und dauerhaftesten Bündnisse entstanden durch Handelsbeziehungen. Das ist für mich der Beweis, dass unterschiedliche Ideologien, Kulturen, Religionen nicht automatisch Feinde sein müssen, sonst würde man auch keinen Handel miteinander führen.
Der Westen ist perse genauso wenig böse wie der Islam. Man vergisst, dass es sich um eine Menge von Individuen handelt und sieht eben nicht mehr den einzelnen, sondern alle als einheitliche Gruppe. Allein das ist schon ein Denkfehler. Selbst der Islam ist keine Einheit, das beweisen die vielen Gruppierungen wie die Sunniten, Schiiten, Wahabiten, Aleviten usw.
Der Islam ist in seiner Struktur aber so, dass er eine Einheit im Glauben anstrebt. Eine Gleichschaltung der Denkweise bis hin in alle Lebensbereiche jenseits von Individualität und Selbstverwirklichung erfolgt durch die allgemeingültigen islamischen Vorschriften wie Kleiderordnung, Speiseordnung, das gemeinsame Fasten, gemeinsame Waschungen und gemeinsames Gebet. Eine Frau, welche ihr Kopftuch ablegt in einer solchen Gemeinschaft, eckt an. Jemand der im Ramadan nicht mitfastet, eckt an. Wer anders denkt, eckt an.
Der Islam ist aber eben gerade weil er ein so durchorganisiertes Lebensmodell in allen Bereichen darstellt wiederum sehr interessant. Was hat der Westen dagegen zu bieten? Wir haben den Absolutismus durchlebt, wir haben den Faschismus durchlebt, zT. den Sozialismus bzw. Kommunismus und unser derzeitiger Kapitalismus zerbröckelt auch langsam und zeigt erste Anzeichen von Schwäche. Das Modell Islam funktioniert zumindest und ist bis in alle Lebensbereiche durchdacht. Es ist eben nur mit unserer Vorstellung von Freiheit, Individualismus, Entfaltung und Selbstverwirklichung nicht recht vereinbar.
Ich persönlich betrachte eine zunehmende Individualisierung und Selbstverwirklichung des Einzelnen aber für die Gruppe, die Gesellschaft an sich für eher hinderlich. Der innere Zusammenhalt, das Zusammengehörigkeitsgefühl, das "wir" geht dabei verloren. Nun bin ich aber ein Freidenker und Freiheitsliebender Mensch und sage: Das Wohl des Einzelnen kommt letztlich auch der gesamten Gemeinschaft zugute. Das erfolgt aber eben nur, wenn der Einzelne sich auch in der Gemeinschaft entfalten kann und sich in diese mit seinen Fähigkeiten einbringen kann. Und das wird uns hier im allgemein so freien Westen gerade besonders schwer gemacht.