Die Kirche als Fälscher, Mörder, Dieb und Brandschatzer
06.09.2011 um 21:55
es wurde zu oft der Glauben als Institution genutzt, und damit "Macht" demonstriert.
der jüngste Fall: siehe unten
ich finde es erschreckend, dass in solchen Einrichtungen, welche kirchlichem Hintergrunds sind, solche Taten passieren. Und man jetzt immer und immer wieder davon liest, über was für einen langen Zeitraum Kinder von Geistlichen misshandelt, sexuell missbraucht und psychisch fertig gemacht worden sind... Soll das der wahre Christenglauben sein?
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Missbrauchsopfer einer Jesuitenschule
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"Hoffnung auf Befreiung war ein Irrtum"
Von Nina Magoley
Sechs Jahrzehnte lang wurden Schüler am Bonner Aloisius-Kolleg von Jesuitenpatres missbraucht. Mit sexueller Gewalt, aber auch mit brutalen Schlägen traumatisierten die Täter ihre kindlichen Opfer. Viele leiden heute noch. Ein Betroffener erzählt.
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RJ. sitzt zum verabredeten Zeitpunkt bereits im Café vor einer Apfelschorle. Ein kräftiger Händedruck zur Begrüßung, der graue Schnurrbart sauber gestutzt, das Haupthaar bereits gelichtet. Im sorgfältig gebügelten, blau-weiß gestreiften Hemd gibt J. einen stattlichen Mann ab. Doch in den Augen des 63-Jährigen liegt etwas Verletzliches. Ernst und aufmerksam blickt er drein, nur selten wird in der nächsten Stunde die Spur eines Lächelns über sein Gesicht huschen. Die Anstrengung, die ihn dieses Treffen kostet, ist deutlich spürbar.
Seine persönliche Leidensgeschichte findet sich auch im 230 Seiten starken Abschlussbericht zu den Missbrauchsfällen am Aloisiuskolleg (AKO), den die Kölner Rechtsprofessorin Julia Zinsmeister im Februar 2011 vorlegte. 23 Personen, heißt es darin, - 18 Patres und fünf weltliche Mitarbeiter - hätten sich in einem Zeitraum von 60 Jahren der "körperlichen Züchtigungen, sexueller Übergriffe und entwürdigender Erziehungsmaßnahmen" schuldig gemacht.
"Er hämmerte wie ein Furie auf mich ein"
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+ Die Jesuitenschule in Bonn
"Allein zu meiner Zeit waren es fünf Patres und Lehrer gleichzeitig", beginnt J.. Im Jahr 1959 war der gebürtige Bonner elf Jahre alt. Schläge und Ohrfeigen seien zu dieser Zeit alltäglich gewesen im Unterricht am Aloisius Kolleg, erinnert er sich, "das war normal". Gefürchtet dagegen waren die Fausthiebe des Lateinlehrers Pater J. Eines Tages war auch der Junge R. an der Reihe. "Er kam wie eine Furie auf mich zu“, erinnert sich J., "und hämmerte mit beiden Fäusten wie von Sinnen auf meine Schädeldecke ein“. Aus der engen Schulbank gab es kein Entrinnen, und die Schreie des Jungen hätten die Wut des Paters "nur noch mehr in eine Art Extase gesteigert“. Eingeschüchtert und verängstigt hätten die anderen Schüler auf ihren Plätzen gesessen und den Gewaltexzess mitansehen müssen.
"Du wirst die Schläge wohl verdient haben"Mit dröhnendem Kopf lief der Elfjährige in der nächsten Pause nach Hause. Die Mutter reagierte entsetzt, der Vater informierte noch am selben Tag den Direktor der Schule. Dem gelang es dann offenbar, die Eltern davon zu überzeugen, dass man die Sache auf sich beruhen zu lassen sollte. "Zum einen war es für viele Eltern etwas ganz Besonderes, dass ihr Kind auf diese angesehene Eliteschule ging. Zum anderen herrschte in der damaligen Zeit eine Vorstellung von Erziehung, die eher in die Richtung ging: ‚Du wirst die Schläge wohl verdient haben‘.“ Die nächsten Tage verbrachte das Kind mit einer Gehirnerschütterung zuhause im Bett. Die Prügelattacke des Paters war nicht die erste, die der Elfjährige erlebte. Regelmäßig habe der Ordensbruder Kindern solange mit den Fäusten auf den Kopf getrommelt, bis er nicht mehr konnte.
Für J. sollten die Schläge noch weitere Folgen haben: Wegen einer angeborenen Schiefstellung des rechten Auges hatte er als Kind jahrelang ein Augenpflaster getragen. Inzwischen war der Fehler fast korrigiert, das einst schielenden Auge blickte praktisch geradeaus. In den Wochen nach den Schlägen auf den Kopf aber rutschte es zusehends wieder ab, seither blickt es immer weit nach rechts. "Als junger Mann hatte ich furchtbare Komplexe deswegen“, sagt J., die Unsicherheit habe seinen beruflichen Werdegang massiv beeinflusst. Der Prügel-Pater aber habe fortan immer erst gefragt, ob ein Junge eine Kopfverletzung habe, bevor er losschlug.
Drei Brüder wurden zu Missbrauchsopfern
Bis vor wenigen Monaten wusste kaum eins der Opfer, dass es damals nicht allein war. "Niemand hat sich damals getraut, darüber zu reden“, sagt J.. Besonders Opfer sexueller Gewalt, so schreibt auch Julia Zinsmeister in ihrem Bericht, fänden für das Erlebte meist keine Worte. Von tiefen Scham- und Schuldgefühlen erfüllt, dem Machtsystem der Täter ohnmächtig ausgeliefert, würden viele versuchen, das Schreckliche zu verdrängen. Als im Herbst 2010 das ganze Ausmaß des Mißbrauchs an Jesuitenschulen ans Licht kam, war RJ. einer der ersten, der sich mutig zu Wort meldete. Am "Eckigen Tisch", einer Opfervertretung, die sich zunächst in Berlin, dann auch in Bonn gründete, traf J. plötzlich die Schulkameraden von damals wieder. "In einer Arztfamilie fanden sich gleich drei Brüder, die allesamt sexuell missbraucht worden waren." Fast alle der Betroffenen stellten dabei gemeinsam fest, dass seit jenen Schrecken ihrer Kindertage kein Wort über das Erlebte über ihre Lippen gekommen sei, weder der Familie gegenüber noch sonst jemandem. "Bei unseren Treffen“, sagt J., "können Sie nun gestandene Männer weinen sehen.“
Frau und Kinder wussten meist nichtsAls Erleichterung empfinde er das "Coming out“ als Opfer aber dennoch nicht, sagt J.. "Es ist eine unglaubliche Anstrengung, sich all das wieder ins Gedächtnis zu rufen und darüber zu reden.“ Nach vielen Jahren des Verdrängens werde nun klar, "wie vielfach diese Erlebnisse das eigene weitere Leben beeinflusst haben, wie das alles für tiefe Ängste und Misstrauen gesorgt hat.“ Besonders unter den Opfern sexuellen Missbrauchs, die J. nun regelmäßig trifft, seien einige, die nach den ersten Veröffentlichungen des Skandals monatelang suizidgefährdet waren. "Besonders schwer ist es für viele, der eigenen Frau und den Kindern zu erklären, dass man damals Opfer solcher Taten geworden ist, ohne sich dagegen wehren zu können. Es ist ein großes Gefühl der Schwäche.“ Auch seine Ehefrau und die drei inzwischen erwachsenen Kinder, sagt J., wussten bis vor einem Jahr nichts von seinem Martyrium. "Im Nachhinein erklären sich für sie einige meiner Verhaltensweisen.“ Aber viel helfe das auch nicht. "Nach den Treffen des 'Eckigen Tischs' verbringe ich die Nacht meist schlaflos."
Entschädigung muss Orden Anstrengung kosten
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Der Jesuitenorden hat inzwischen angekündigt, den Opfern jeweils 5.000 Euro "Genugtuung" zu zahlen. "Ein Witz", sagen J. und seine Mitstreiter: "Das zahlen die Jesuiten aus der Portokasse.“ Es müssten vielmehr Summen sein, "die diesen zweifellos reichen Orden wirklich eine Anstrengung kostet“, finden die Opfer. 84.000 Euro fordern sie nun für jeden. "Eigentlich hatten wir uns untereinander auf eine wesentlich geringere Summe geeinigt", erklärt er. Doch dann passierte etwas Unerwartetes: Nachdem eine Journalistin des Bonner Generalanzeigers mehrfach engagiert über die Vorfälle am Aloisiuskolleg berichtet hatte, erhielten sie und zwei Missbrauchsopfer anwältliche Drohbriefe von einem führenden Jesuiten, der sich "beleidigt gefühlt" habe. Der Pater habe gedroht, die drei auf 75.000 Euro zu verklagen. "Wenn diesen Pater die Berichterstattung so beleidigt, was sollen wir denn dann erst fordern?", fragten sich die Betroffenen am Eckigen Tisch - und einigten sich auf 84.000 Euro.
"Bis heute hat sich niemand bei uns gemeldet""Dabei geht es gar nicht um irgendeine Summe", sagt J., „wir wollen endlich ein wirkliches Zeichen der Buße sehen“. Bis heute habe keiner der Jesuitenpater von selber Kontakt mit ihnen aufgenommen, „es ging bisher immer von uns Betroffenen aus“. Auch ein Schreiben an den Generaloberen der Jesuiten in Rom und eins an den Papst blieben bisher unbeantwortet.
J. nimmt den letzten Schluck aus seinem Saftglas, sein Gesicht sieht jetzt erschöpft aus. Er und die anderen Mitglieder des "Eckigen Tisch" haben viel erreicht - das Geheimnis, das mehr als ein halbes Leben lang dunkel auf ihren Seelen lastete, ist gelüftet - wenn auch unter Schmerzen. Es gibt eine Öffentlichkeit, die empört ist, und Medien, die darüber berichten. Doch für die Opfer selber hat eine Phase der Auseinandersetzung begonnen, die für manche fast noch schwerer ist als das, was hinter ihnen liegt. Erlösung - oder Erleichterung - kann es nur durch eine Geste der Täter geben. Doch die blieb bisher aus. "So hat sich unsere Erwartung, uns durch unser Sprechen endlich befreien zu können, als großer Irrtum herausgestellt."
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Stand: 06.09.2011
Quelle: http://www1.wdr.de/themen/panorama/jesuiten102.html
nur ein Beispiel von unzähligen