Schwulenverfolgung
John Atherton und John Childe, 1640 in Dublin wegen"Sodomie" gehenkt.Bis zum Hochmittelalter galt der Analverkehr im christlichen Bereichals Sünde, aber noch nicht als Verbrechen; folglich drohte maximal eine Kirchenbuße undein zeitweiser Ausschluss von der Eucharistie, aber noch keine weltlichen Maßnahmen. Vom13. Jahrhundert bis zur Aufklärung wurde Analverkehr zwischen Männern dann in fast ganzEuropa unter der Bezeichnung "Sodomie" durch weltliche Gesetze mit dem Scheiterhaufenbedroht, hier wird noch von der Sodomiterverfolgung gesprochen. Zu größeren Verfolgungenund jeweils Hunderten von Hinrichtungen kam es während des Spätmittelalters inNorditalien und Spanien sowie während des gesamten 18. Jahrhunderts auch in England,Frankreich und den Niederlanden.
Die Ideen der Französischen Revolution führtenin zahlreichen Staaten, die sich am französischen Code Napoléon orientierten, um 1800herum zur Abschaffung aller Gesetze gegen die "widernatürliche Unzucht" (so etwa in denNiederlanden, im Rheinland und in Bayern, Gesetze gegen Homosexualität). Preußen wandelte1794 mit der Einführung des Allgemeinen Landrechts die Todesstrafe in eineZuchthausstrafe um. 1871 wurde der preußische Paragraph in das Strafgesetzbuch desDeutschen Reichs aufgenommen und als Paragraph 175 in der folgenden Zeit immer häufigerangewandt.
Bis zur Reform des Paragraphen 175 im Jahr 1969 arbeitete die Polizeidabei mit Spitzeln in der schwulen Subkultur und geheimen Rosa Listen, auf denenzahlreiche Namen von homosexuellen Männern verzeichnet waren. Da Homosexualität verfolgtund bis in die 70er Jahre als psychische Erkrankung diagnostiziert wurde, konntenHomosexuelle auch auf unbestimmte Zeit freiheitsentziehend in einer forensischenPsychiatrie untergebracht werden. Ein Beispiel ist die "Behandlung" des britischenMathematikers Alan Turing im Jahr 1952.
Während der Zeit des Nationalsozialismuswurden ca. 10.000 Schwule in Konzentrationslager verschleppt, wo sie den rosa Winkeltragen mussten (Schwule während des Nationalsozialismus). Nur etwa 40 Prozent von ihnenüberlebten. Obwohl es kein Gesetz gegen die lesbische Liebe gab, verhaftete die Gestapoauch eine unbekannte Zahl von Frauen wegen ihrer Homosexualität und kennzeichnete sie inden Konzentrationslagern als "Asoziale" mit dem schwarzen Winkel.
In derBundesrepublik Deutschland bestand der Paragraph 175 bis 1969 in der von den Nazisverschärften Fassung weiter, was vom Bundesverfassungsgericht 1957 als rechtmäßiganerkannt wurde. Erst 1994 fiel er im Zuge der Rechtsangleichung mit der DDR weg.
In Österreich existierte der §209 ÖStGB mit ähnlichem Wortlaut wie der §175 StGB inDeutschland bis ins Jahr 2002, als er vom österreichischen Verfassungsgerichtshofaufgehoben wurde[5] und trat am 14. August 2002 außer Kraft [6]. Dennoch wurde Österreichim Anschluss mehrfach vom EGMR, der ebenfalls ausdrücklich die Menschenrechtswidrigkeitdes §209 feststellte, verurteilt[7], da man es untelassen hatte, menschenrechtswidrigVerurteilte zu rehabilitieren.
In rund 75 von 195 Staaten auf der Welt werdenHomosexuelle auch heute noch strafrechtlich verfolgt, so etwa in Jamaika, Simbabwe,Angola, Nepal, Nigeria und zahlreichen islamischen Staaten. In fünf islamisch geprägtenLändern wird Homosexualität mit dem Tode bedroht: im Jemen, im Iran, in Saudi-Arabien,Mauretanien und im Sudan.
Aber auch im Osten Europas, zum Beispiel in Serbien,Albanien und sogar in manchen der neuen EU-Länder ist die Lage der Menschenrechte zurzeitbedenklich: So werden in Polen und Lettland Demonstrationen für Toleranz gegenüberSchwulen und Lesben von offiziellen Stellen verboten oder teilweise mit massiver Gewaltkonfrontiert, die von den Kirchen und rechtsradikalen Nationalisten geschürt wird. InPolen sind in letzter Zeit Forderungen einiger führender Politiker laut geworden,Homosexuelle in Lager zu stecken bzw. aus Polen zu eliminieren. Im Jahr 2007 wurde überein Gesetz beraten, dass selbst die Erwähnung von Homosexualität für Lehrer unter Strafestellen soll. So wird auch verboten, aufzuklären, wie sich homosexuelle Männer vor Aidsschützen können. Lehrer die dagegen verstoßen, können aus dem Schuldienst entlassenwerden.[8]In der UNO versuchen der Vatikan und die islamischen Staaten gemeinsam, schondie Diskussion über die Menschenrechtslage für Schwule und Lesben zu verhindern.
In der Geschichte und in der Gegenwart waren auch Homosexuelle selbst oft großeFeinde und Verfolger anderer Homosexueller. So ist bekannt, dass es oft latentHomosexuelle sind, die aus Angst vor dem Bekanntwerden der eigenen Neigung, alle anderen,vor allem sich offen bekennende, Homosexuelle bekämpften und bekämpfen.
Wikipedia: Homosexualität