Osho
21.01.2014 um 16:18Hier eine Zugabe weils einfach grad gut passt ^^
Frage:
Was ist der Unterschied zwischen Passivsein und Mitfließen im Fluß?
OSHO:
Ein sehr großer Unterschied.
Nicht nur der Quantität, vielmehr der Qualität, der Richtung, der Ebene, der Ausmaße.
Es will sehr genau verstanden sein,
denn der Unterschied ist fein.
Die passive Einstellung kann so scheinen, als ob sie mit dem Fluß fließe.
Aber die passive Einstellung
fließt nicht mit dem Fluß,
schon allein, weil sie sich diese passive Haltung zulegen muß.
Die passive Einstellung ist auch eine Einstellung.
Um mit dem Fluß mitzufließen braucht es eine Nicht-Einstellung. Aber weil es so gleich aussieht,
wurden viele jahrhundertelang getäuscht.
Und Passivität zu kultivieren,
ist leichter als mit dem Fluß zu fließen.
Deinen Verstand auf Passivität zu trimmen, ist sehr leicht. Darum gab's in der Vergangenheit, und selbst heute,
Klöster, Mönche, sannyasins,
Menschen, die der Welt entsagten.
Und was versuchten sie wirklich zu tun?
Sie versuchten, ganz passiv zu werden.
Aber ihre Passivität ist Negativität.
Sie haben bereits eine Haltung gewählt.
Erstens — diese Leute waren zu aktiv in der Welt: jagend, wünschend, ehrgeizig.
Der Verstand war aktiv — ganz erfüllt von Wünschen, Hoffen, Zukunft. Dann wurden sie enttäuscht,
denn was immer du hoffst,
wird nicht erfüllt werden.
Alles Hoffen ist hoffnungslos,
alles Wünschen wird zur Enttäuschung.
Alle Erwartung trägt als Same Enttäuschung in sich.
Und so kommt früher oder später
jeder zu einem Punkt im Leben,
wo der aktive Verstand zur Hölle wird:
zuviel Aktivität, und keine Ergebnisse.
Rennen und rennen, um niemals anzukommen. Wenn du intelligent bist, ereignet sich das bald. Wenn du dumm bist, dauert es etwas länger, aber es kommt trotzdem so.
Wenn du sehr intelligent bist,
wirst du es schon jung begreifen.
Wenn du nicht so intelligent bist — dann im Alter. Aber früher oder später merkt es jeder,
daß ein Leben mit aktivem Verstand enttäuschend ist. Es führt nirgendwohin.
Es verspricht viel, aber es erfüllt niemals etwas.
Es hinterläßt einen üblen Geschmack im Mund,
ein Unerfülltsein im Wesen.
Man fühlt sich einfach müd und geschlagen.
Man fühlt, daß alles vergeblich war.
Und sobald der Verstand das fühlt,
flüstert er ein: Versuch das Gegenteil.
Denn der Verstand lebt in Polarität, in Gegensätzen. Er sagt: Du hast es mit Aktivität versucht.
Nun versuch es mit Passivität.
Du hast in der Welt so viel begehrt. Nun entsage. Du hingst am Geld. Entsage dem Geld.
Du hingst zu sehr am Haus.
Entsage dem Haus.
Du warst zu sehr verstrickt mit einer Frau, mit Kindern. Kehr ihnen den Rücken und flieh all dies.
Der Verstand empfiehlt, das Gegenteil zu versuchen. Und das scheint natürlich und logisch.
Du hast das eine versucht, es ging nicht,
nun mach das Gegenteil.
Vielleicht geht's mit dem Gegenteil.
Dies ist das Muster
des alten Typus Mönch, sannyasin:
das Kloster, der Himalaja.
Sie sind gelangweilt, also laufen sie vor dem tätigen Leben davon. Sie versuchen einfach das Gegenteil.
Dann versuchen sie, wunschlos zu sein,
aber der Versuch nicht zu wünschen, ist schon wieder ein Wunsch. Dann versuchen sie, die Welt zu verlassen.
Aber die bloße Anstrengung, die Welt zu verlassen, zeigt
ihre Bindung an sie.
Wenn du wirklich ungebunden wirst, warum überhaupt entsagen?
Du kannst etwas Bestimmtem nur entsagen, weil du zu verstrickt darin bist.
Dann fliehst du vor einer Frau -
aber das zeigt nur, daß dein Verstand immer noch von Frauen fantasiert.
Wohin du auch gehst,
du magst ins Gegenteil gehen,
du wirst aber trotzdem der gleiche bleiben.
Dies will verstanden sein:
Durch das Gegenteil wirst du nie etwas ändern.
Du scheinst dich verändert zu haben. Du bleibst der gleiche.
Und dies ist eines der wichtigsten Dinge,
die es zu verstehen gilt,
ansonsten bist du schon wieder in der Falle.
Nun besteht die Falle aus Passivität, aus Nichtwünschen, Entsagung, Ungebundensein, Gewaltlosigkeit.
Zuerst war die Welt deine Aktivität.
Nun ist die Welt für dich etwas Passives geworden. Aber du bist derselbe.
Nun wird Gott zu deiner Aktivität,
eine weitabgelegene Welt irgendwo in den Sternen, wo alles wunderschön ist.
Diese Welt ist häßlich -
nun wird die Schönheit hinaufgeträumt
in die andre Welt.
Das Objekt deiner Wünsche ändert sich, aber du änderst dich nicht. Erst warst du hinter Geld her,
nun bist du hinter Meditation her —
aber deine Gier ist dieselbe.
Erst warst du hinter den Dingen der Welt her, nun jagst du den Dingen der andern Welt nach. Aber das Nachjagen ist hartnäckig das gleiche.
Leute, die dich von außen anschauen, mögen sich täuschen lassen,
denn du schaust ganz verändert aus: du faßt kein Geld an,
du besitzt nicht mehr viel,
du lebst in einer Hütte oder unter einem Baum.
Du bist wie ein nackter Fakir.
Leute, die in der Welt sind, sie werden dich verehren, weil sie jetzt denken,
du hättest dein Wesen verändert —
derweil sie immer noch weltlich sind.
Wenn sie zu dir kommen, vergleichen sie sich mit dir. Und sie bilden sich ein, du müßtest voller Friede sein, denn du schaust so passiv aus.
Passivität kann sich den Anschein von Frieden geben.
Sie ist kein Frieden. Sie ist nur Passivität, etwas Abgestorbenes. Friede ist lebendig. Passivität ist tot.
Hier ein Beispiel:
Denk dich schwimmend in einem Fluß.
Du versuchst, gegen die Strömung zu schwimmen, kämpfst, du bist aktiv.
Dann treibt ein toter Körper den Fluß hinunter:
er kämpft kein bißchen, fließt nur flußabwärts.
Aber tot, ein lebloser Körper.
Leben kämpft, Tod ist passiv.
Und der Mensch, von dem ich sage, daß er wirklich mit dem Fluß fließt,
ist weder lebendig im Sinne von Kämpfen,
noch ist er tot wie ein Leichnam.
Er treibt mit dem Fluß, aber er treibt bewußt.
Er treibt nicht mit dem Fluß, weil er tot ist,
sondern weil er mitwirkt.
Er treibt mit dem Fluß, nicht weil er nicht kämpfen kann, sondern weil er zu der Erkenntnis kam,
daß Kampf unnütz ist —
und doch nicht ins Gegenteil verfallt.
Er treibt.
Er kommuniziert mit dem Fluß,
er ist eins geworden mit dem Fluß.
Manchmal wirst du ihn aktiv erleben,
und manchmal passiv.
Passivität und Aktivität
sind nicht zwei Pole zwischen denen er wählt — er hat beide akzeptiert.
Das meine ich, wenn ich sage:
treibend mit dem Fluß.
Manchmal wirst du ihn auf dem Markt finden, sehr tätig.
Manchmal wirst du ihn im Tempel finden, sehr untätig.
Aber nun hat er keine feste Form für sein Dasein. Er kann sich von Untätigkeit zur Tätigkeit,
von der Tätigkeit zur Untätigkeit bewegen.
Es gibt kein Hindernis,
er hat keinen Zaun um sich errichtet.
Er ist beweglich, fließend.
Sonst kann selbst Untätigkeit wieder ein Gefängnis werden.
Ich habe von einer chassidischen Geschichte gehört. Ein Mann wollte seinen Freund besuchen gehen. Der Freund war ein Bauer
in einem zwischen Hügeln sehr versteckten Tal.
Als der Mann sich dem Haus seines Freunds näherte, sah er etwas, das ihn sehr verwunderte.
Er sah eine kleine Wiese, nicht länger als eine Meile. Aber etwas Bestimmtes brachte ihn durcheinander. Auf dieser Wiese
wohnten tausend Vögel und Tiere zusammen. Tausende. Es war schwierig, sie zu zählen.
Es gab kein leeres Plätzchen, alles war voll besetzt.
Und der schöne Wald rund um die Wiese
war leer von Vögeln und Tieren.
Er konnte es nicht verstehn. Warum drängten sie sich so zusammen? Warum bewegten sie sich nicht im Himmel und unter den Bäumen? Der ganze weite Raum ist verfügbar.
Sie schauten sehr aufgeregt, angestrengt und verängstigt aus, kein bißchen gelassen.
Selbstverständlich braucht jeder seinen Raum, jeder braucht einen bestimmten Lebensraum. So wie jemand diesen Raum beeinträchtigt, kommt Gereiztheit auf.
Aber niemand hielt die Tiere und Vögel zurück, es gab nicht einmal einen Zaun.
Als er das Haus seines Freunds besuchte,
war die erste Frage, die er stellte, nach diesen Vögeln: Welches Mißgeschick hat sie befallen?
Der Freund sagte: Ich weiß es nicht genau,
ich war nämlich nicht dabei, aber ich hab davon gehört. Vor vielen, vielen Jahren
gab es einen Grundbesitzer,
einen sehr gewalttätigen und bösartigen Mann.
Er erfreute sich an folgendem Experiment:
Er errichtete einen hohen Zaun um die Wiese.
Er stellte Wächter rund um den Ort,
und er befahl den Wächtern:
Falls irgendein Vogel oder Tier zu fliehen versucht, tötet es sofort.
Er zwang Tausende von Tieren in dieser
Wiese zu bleiben, in diesem Gefängnis.
Und jahrelang hielt er es so.
So wie ein Tier zu fliehen versuchte,
wurde es getötet.
Nach und nach schickten sich die Tiere darein, sie gewöhnten sich an ihr Gefängnis.
Sie vergaßen ihre Freiheit,
denn Freiheit wurde mit Angst und Tod gleichgesetzt.
Dann starb der Besitzer.
Die Wächter verschwanden, der Zaun zerfiel. Nun gibt es niemanden, der sie zurückhält.
Weder die Wächter noch der Zaun sind da. Aber Vögel und Tiere
haben eine Zaunmentalität entwickelt.
Sie glauben, daß der Zaun da ist.
Sie sehen diesen Zaun sogar.
Er ist ihnen tief eingeimpft.
Er ist zur Konditionierung geworden.
Der Mann sagte:
Warum versucht niemand, sie zur Einsicht zu bringen?
Der Freund sagte: Viele Gutwillige haben es versucht, aber die Vögel wollen nicht hören.
Es steckt nicht nur in ihnen drin,
schon ihre Jungen kommen mit dieser Idee zur Welt. Es ist ihnen in Fleisch und Blut übergegangen,
es ist Teil ihres Bauplans geworden.
Die Jungen werden mit der Idee des Zauns geboren. Gutwillige haben es versucht, sie versuchen es noch. Und es wird dich überraschen:
die Vögel waren sehr bös,
und die Tiere haben die Gutwilligen angegriffen. Sie möchten nicht gestört sein.
Ja, sie haben eine Philosophie kreiert,
sie seien in Freiheit,
und die Welt draußen sei das Gefängnis.
Und doch versuchen es noch einige Gutwillige,
aber es scheint so aussichtslos,
sie davon zu überzeugen, daß sie frei sind,
und daß es keinen Zaun gibt,
und daß sie in den freien Himmel hinausschwärmen können.
Ich mochte diese Geschichte.
Das ist es, was Jesus, Baalschem, Moses, Mahavir, Buddha mit euch — den Vögeln und Tieren — gemacht haben. Aber ihr habt eine Zaunmentalität entwickelt.
Ihr glaubt ihnen nicht.
Entweder kämpft ihr oder werdet gleichgültig.
Aber beides gehört zum gleichen Zaun, zum Verstand.
Stell dir einen Holzzaun vor.
Eine Latte ist weiß und eine schwarz.
Und wieder eine weiß und eine schwarz.
Ein aus Brettern gemachter Zaun, angemalt in zwei Farben. Ein Brett weiß, eins schwarz: das ist der Verstand.
Eine Vorstellung passiv, eine aktiv;
yin,yang; richtig, falsch; gut, schlecht;
Die Welt, das nirvana —
alle gehören zum gleichen Zaun.
Und du wählst und wählst.
Manchmal wählst du Weiß,
dann wirst du das Weiß leid.
Dann bevorzugst und verehrst du Schwarz, aber das Schwarz ist genauso ein Teil deines Gefängnisses wie das Weiß.
Der Verstand ist aktiv, der Verstand ist passiv.
Beides sind Teile des Verstands.
Und was ich meine, wenn ich sage »Fließend mit dem Fluß« ist, über Passivität und Aktivität hinauszugehen,
über Weiß und Schwarz, Tag und Nacht, Liebe und Haß, Welt und Gott. Geh darüber hinaus.
Sieh den springenden Punkt.
Das Aktive wird zum Passiven,
und dann wird dies Passive wieder zum Aktiven.
So seh ich's:
Leute, die in der Welt sind, sind sehr aktiv. Tiefinnen denken sie stets daran,
sich von diesem Unsinn loszumachen.
Und ich kenne Mönche,
die ihr ganzes Leben im Kloster waren,
und wann immer sie sich zu mir bekannten, sagten sie, sie hätten das Gefühl,
ihr ganzes Leben verpaßt zu haben.
Sie träumen davon, in die Welt zurückzukehren.
Das Aktive möchte das Passive werden, das Passive möchte das Aktive werden. Wahl gehört zum Verstand.
Nicht zu wählen, ist mit dem Fluß zu fließen. Darum bestehen Chassidismus und ich darauf, die Welt nicht zu verlassen.
Laß ab von ihr und sei in ihr.
Das scheint schwierig,
nahezu unmöglich begreifbar für den Verstand.
Der Verstand begreift die Welt, die Abkehr -
weil beides zum gleichen Muster gehört.
Wenn ich sage: Sei in der Welt und nicht von der Welt, wird es dem Verstand ungemütlich.
Er kann es nicht verstehen. Was sagst du da?
Leute kommen zu mir,
und sie sagen, sie möchten gern sannyasins werden,
aber sie stehen in der Welt:
Und wie ist es möglich, ein sannyasin in der Welt zu sein? Vor allem in Indien scheint es völlig absurd.
Sannyasin ist jemand, der die Welt flieht.
Aber ich sage dir, sannyasin ist jemand,
der in der Welt lebt und doch nicht von der Welt ist.
Wenn ich den Leuten diese Dinge sage, schauen sie verwirrt drein. Sie sagen: Entweder dies oder das.
Ich sage: Beides zugleich.
Wenn du beides nimmst, Negatives und Positives zusammen, heben sie sich gegenseitig auf; du wirst neutral.
Dann bist du weder Mann noch Frau,
weder yin noch yang, weder Körper noch Seele.
Du hast die Dualität überstiegen,
du bist transzendental geworden.
Dies Transzendieren ist das Fließen mit dem Fluß.
Mit dem Fluß zu fließen ist die größte Kunst. Das ist aktiv und passiv sein, beides,
in tiefem Einklang mit der Schöpfung. Gewisse Dinge mußt du tun.
Schließlich mußt du leben, schließlich mußt du verdienen, zumindest mußt du atmen,
zumindest mußt du dich bewegen.
Man kommt nicht ohne Aktivität aus. Und du mußt dich auch entspannen. Sonst wird Aktivität unmöglich.
Sei also manchmal aktiv, manchmal passiv. Aber identifizier dich mit keinem von beiden. Bleib für dich.
Benütz Aktivität, benütz Passivität — und bleibe das Dritte.
Wie wenn du Kleider anziehst.
Manchmal helle, manchmal dunkle.
Wie du tagsüber arbeitest und nachts ausruhst.
Genau so. Benütz beide Dualitäten.
Sie sind Hilfsmittel. Aber identifizier dich nicht damit. Dann wirst du mit dem Fluß fließen.
Und dies ist die Botschaft des Chassidismus.
Chassidim sind die größten Menschen, die in der Welt gelebt haben,
ohne sich von ihr verderben zu lassen.
Es ist sehr leicht in den Himalaja zu gehn und unbestechlich zu werden.
Sehr leicht.
Denn es gibt keinen, dich zu bestechen. Mit den Bergen zu leben,
wird dich unschuldig werden lassen.
Aber diese Unschuld mag nur etwas Äußerliches sein.
Komm zurück in die Welt.
Die Prüfung findet auf dem Marktplatz statt. Dort wirst du erfahren,
ob du wirklich unschuldig wurdest,
denn wenn die Möglichkeit auftaucht, bestechlich zu werden,
nur dann allein wirst du fähig sein zu wissen, ob du immer noch bestechlich bist oder nicht. Die Stille des Himalaja kann dich täuschen. Sie hat tausende Menschen getäuscht.
Chassidim sagen: Leb auf dem Marktplatz. Beweg dich unter Menschen,
denn Menschen sind deine Umgebung.
Jemand fragte Sokrates:
Warum studierst du nicht in den Bergen,
zwischen Bächen, Bäumen, Vögeln, Tieren?
Der Mann sagte: Wir haben gehört von alten Weisen,
die sich in die Berge versteckten,
um dort zu leben und die Natur zu studieren.
Sokrates sagte: Meine Natur sind die Menschen.
Was können mich Bäume lehren?
Sie sind schön anzuschauen, aber was können sie mich lehren? Was können Berge mich lehren? Schön zum Ausruhn.
Was können Bäche mich lehren?
Meine Bäche, meine Berge, meine Bäume sind Menschen. Menschen sind mein Umfeld.
Er lebte sein ganzes Leben in Athen —
lebte und starb dort, unter Leuten.
Und er hat recht.
Der rechte Weise wird kein Weltflüchtiger sein. Er wird unter Leuten leben
und lernen, unbestechlich zu bleiben, wo alles darauf aus ist, ihn zu bestechen. Dann gelangst du zum höchsten Gipfel.
Und dieser höchste Gipfel benützt beide Dualitäten des Lebens. Und dieser höchste Gipfel bereichert dich sehr.
Ich bin einigen Menschen begegnet,
die ihr ganzes Leben im Wald verbrachten.
Sie sind sehr heilig, aber auch ein bißchen dümmlich, denn unter Bäumen mußt du einfältig werden,
das ist natürlich.
Du kannst nicht diese Intelligenz
eines Sokrates haben.
Du wirst zum Baum werden. Du wirst vegetativ.
Du wirst sehr rein ausschauen.
Aber diese Reinheit ist keine höhere Offenbarung. Diese Reinheit ist eher ein Rückschritt. Du fällst zurück. Ihr seid in eueren vergangenen Leben Bäume gewesen. Das habt ihr hinter euch gebracht.
Jetzt fallt ihr zurück.
Denk,
du wärest dreißig, fünfunddreißig Jahre alt —
du kannst zur Unschuld auf zweierlei Wegen kommen. Einer ist, irgendwie wieder zum Kind zu werden.
Aber dann wirst du auch töricht sein.
Unschuldig wirst du sein, aber auch töricht.
Dann gibt es noch eine andre Möglichkeit.
Durch Erfahrung zu wachsen und weise zu werden. Du reifst, du lernst.
Und zum guten Ende,
wenn du sehr alt geworden bist,
gelangst du zu deiner Kindheit.
Aber du gelangst nicht durch Rückschritt dahin.
Geh vorwärts. Laß den Kreis sich schließen.
Fall nicht zurück. Geh weiter und weiter.
Und eines Tags wirst du sehn: der Kreis ist geschlossen. Du bist alt und doch ein Kind.
Dann bist du nicht töricht.
Ein Weiser ist wie ein Kind,
und doch nicht wie ein Kind.
Ein Weiser ist beides.
Er ist ein Erwachsener,
wirklich Gewachsener, gereift.
Hat das Leben gelebt, hat es erfahren, ist reich geworden dadurch, und doch zu dem Verständnis gekommen,
daß Unschuld der einzige Weg ist zu sein,
der einzige Weg ist, göttlich zu sein.
Ein alter Mensch ist wieder in einer zweiten Kindheit. Er ist wiedergeboren.
Wenn ich sage, mit dem Fluß zu fließen, meine ich nicht, ein Treibholz zu werden. Ich meine nicht, eine Leiche
zu werden und mit dem Fluß zu treiben. Alle Leichen treiben mit,
darüber brauchen wir kein Wort verlieren. Wenn du tot bist, wirst du mit dem Fluß treiben, weil du dich nicht wehren kannst.
Erst warst du eingesperrt in Aktivität.
Nun bist du eingesperrt in Passivität.
Geh nie ins Gegenteil.
Bleib immer in beiden und dennoch jenseits. Beherzige stets, nie in die Extreme zu gehn, denn der Weg ist in der Mitte.
Buddha nannte seinen Weg den Mittleren Pfad. Und er hat recht.
Eines Nachmittags geschah dies.
Ein Papagei, ein wunderschöner Papagei, durfte alle Tage einmal frei herumfliegen.
Es war heiß, und das ganze Haus schlief fest. Der Diener kam und erlaubte dem Papagei, sich frei im Zimmer zu bewegen.
Der Hund des Hauses schlief gleichfalls fest. Der Papagei ging nah an den Hund,
an sein Ohr, und sagte: Rex!
Selbstverständlich kam Bewegung in den Hund - Rex! Er lief herum, schaute in alle Ecken.
Da er nichts fand, legte er sich wieder hin.
Der Papagei wartete.
Der Trick war erfolgreich. Er hatte den Hund genarrt. Also kam er wieder heran und sagte: Rex!
Wieder öffnete der Hund seine Augen,
schaute sich um, lief um das Haus
und war sehr enttäuscht.
Dann kam er hinter den Trick. Es gab niemanden dort,
alles schlief fest,
keine Ratte, nichts —
außer diesem Papagei. Vielleicht war der es.
So stellte er sich schlafend, mit einem blinzelnden Auge.
Wieder kam der Papagei.
Er versuchte seinen Trick ein drittesmal. Der Hund sprang ihn an.
Später konnte man den Papagei sagen hören: Das Dumme an mir ist,
daß ich nicht weiß, wann ich aufhören muß.
Und das ist die Schwierigkeit mit dir, mit allen Papageien. Wo aufhören?
Vom Aktiven gehst du zum Passiven.
Vom Passiven gehst du zum Aktiven.
Und du weißt nicht, wo aufhören.
Wenn du nur wüßtest aufzuhören, wenn du die Mitte wüßtest. Denn die Mitte transzendiert beides.
Es gibt einen Punkt, den du jeden Tag kreuzt,
wieder und wieder —
aber du weißt nicht, wo aufhören.
Es gibt einen Punkt, wo du von der Liebe zum Haß wechselst.
Du mußt den Punkt verpassen,
worin ein Buddha verweilt.
Gerade in der Mitte —
wo Liebe nicht mehr und Haß noch nicht ist —
wenn du vom Mitfühlen zum Ärger wechselst —
gerade dann berührst du den Punkt, worin ein Buddha verweilt.
Wenn du vierundzwanzig Stunden beobachtest, mußt du diesen Punkt wenigstens vierundzwanzigtausendmal berühren,
worin ein Buddha ist, wo Buddhaschaft ist.
Du gehst so schnell, du schwingst so schnell —
von einem Extrem ins andre gehst du.
Und du merkst nicht einmal,
wenn du den Punkt der Buddhaschaft berührst:
den Mittleren Weg, den Mittleren Pfad, die absolute Mitte.
Dort bist du plötzlich weder Mann noch Frau, weder lebend noch tot,
weder aktiv noch passiv.
Und diesen Punkt zu kennen, heißt alles kennen. Diesen Punkt zu kennen,
heißt alles kennen, was dir Religion geben kann. Es steht nicht in den Schriften.
Du kommst jeden Tag durch.
Du kommst an diese Kreuzung jeden Augenblick. So wie du von einer Polarität zur andern wechselst, mußt du da durchkommen.
Es gibt keinen andern Weg zum anderen Pol.
Aber du bewegst dich so schnell,
daß du nicht wachsam bist, wenn du diesen Punkt kreuzt.
Wenn ich sage: Fließend mit dem Fluß, meine ich: steig aus den Polaritäten aus,
und wähle den Fluß dazwischen. Kooperiere mit ihm, kommuniziere mit ihm. Sei der Fluß.
Das ist das ganze sannyas, wenigstens mein sannyas.

Frage:
Was ist der Unterschied zwischen Passivsein und Mitfließen im Fluß?
OSHO:
Ein sehr großer Unterschied.
Nicht nur der Quantität, vielmehr der Qualität, der Richtung, der Ebene, der Ausmaße.
Es will sehr genau verstanden sein,
denn der Unterschied ist fein.
Die passive Einstellung kann so scheinen, als ob sie mit dem Fluß fließe.
Aber die passive Einstellung
fließt nicht mit dem Fluß,
schon allein, weil sie sich diese passive Haltung zulegen muß.
Die passive Einstellung ist auch eine Einstellung.
Um mit dem Fluß mitzufließen braucht es eine Nicht-Einstellung. Aber weil es so gleich aussieht,
wurden viele jahrhundertelang getäuscht.
Und Passivität zu kultivieren,
ist leichter als mit dem Fluß zu fließen.
Deinen Verstand auf Passivität zu trimmen, ist sehr leicht. Darum gab's in der Vergangenheit, und selbst heute,
Klöster, Mönche, sannyasins,
Menschen, die der Welt entsagten.
Und was versuchten sie wirklich zu tun?
Sie versuchten, ganz passiv zu werden.
Aber ihre Passivität ist Negativität.
Sie haben bereits eine Haltung gewählt.
Erstens — diese Leute waren zu aktiv in der Welt: jagend, wünschend, ehrgeizig.
Der Verstand war aktiv — ganz erfüllt von Wünschen, Hoffen, Zukunft. Dann wurden sie enttäuscht,
denn was immer du hoffst,
wird nicht erfüllt werden.
Alles Hoffen ist hoffnungslos,
alles Wünschen wird zur Enttäuschung.
Alle Erwartung trägt als Same Enttäuschung in sich.
Und so kommt früher oder später
jeder zu einem Punkt im Leben,
wo der aktive Verstand zur Hölle wird:
zuviel Aktivität, und keine Ergebnisse.
Rennen und rennen, um niemals anzukommen. Wenn du intelligent bist, ereignet sich das bald. Wenn du dumm bist, dauert es etwas länger, aber es kommt trotzdem so.
Wenn du sehr intelligent bist,
wirst du es schon jung begreifen.
Wenn du nicht so intelligent bist — dann im Alter. Aber früher oder später merkt es jeder,
daß ein Leben mit aktivem Verstand enttäuschend ist. Es führt nirgendwohin.
Es verspricht viel, aber es erfüllt niemals etwas.
Es hinterläßt einen üblen Geschmack im Mund,
ein Unerfülltsein im Wesen.
Man fühlt sich einfach müd und geschlagen.
Man fühlt, daß alles vergeblich war.
Und sobald der Verstand das fühlt,
flüstert er ein: Versuch das Gegenteil.
Denn der Verstand lebt in Polarität, in Gegensätzen. Er sagt: Du hast es mit Aktivität versucht.
Nun versuch es mit Passivität.
Du hast in der Welt so viel begehrt. Nun entsage. Du hingst am Geld. Entsage dem Geld.
Du hingst zu sehr am Haus.
Entsage dem Haus.
Du warst zu sehr verstrickt mit einer Frau, mit Kindern. Kehr ihnen den Rücken und flieh all dies.
Der Verstand empfiehlt, das Gegenteil zu versuchen. Und das scheint natürlich und logisch.
Du hast das eine versucht, es ging nicht,
nun mach das Gegenteil.
Vielleicht geht's mit dem Gegenteil.
Dies ist das Muster
des alten Typus Mönch, sannyasin:
das Kloster, der Himalaja.
Sie sind gelangweilt, also laufen sie vor dem tätigen Leben davon. Sie versuchen einfach das Gegenteil.
Dann versuchen sie, wunschlos zu sein,
aber der Versuch nicht zu wünschen, ist schon wieder ein Wunsch. Dann versuchen sie, die Welt zu verlassen.
Aber die bloße Anstrengung, die Welt zu verlassen, zeigt
ihre Bindung an sie.
Wenn du wirklich ungebunden wirst, warum überhaupt entsagen?
Du kannst etwas Bestimmtem nur entsagen, weil du zu verstrickt darin bist.
Dann fliehst du vor einer Frau -
aber das zeigt nur, daß dein Verstand immer noch von Frauen fantasiert.
Wohin du auch gehst,
du magst ins Gegenteil gehen,
du wirst aber trotzdem der gleiche bleiben.
Dies will verstanden sein:
Durch das Gegenteil wirst du nie etwas ändern.
Du scheinst dich verändert zu haben. Du bleibst der gleiche.
Und dies ist eines der wichtigsten Dinge,
die es zu verstehen gilt,
ansonsten bist du schon wieder in der Falle.
Nun besteht die Falle aus Passivität, aus Nichtwünschen, Entsagung, Ungebundensein, Gewaltlosigkeit.
Zuerst war die Welt deine Aktivität.
Nun ist die Welt für dich etwas Passives geworden. Aber du bist derselbe.
Nun wird Gott zu deiner Aktivität,
eine weitabgelegene Welt irgendwo in den Sternen, wo alles wunderschön ist.
Diese Welt ist häßlich -
nun wird die Schönheit hinaufgeträumt
in die andre Welt.
Das Objekt deiner Wünsche ändert sich, aber du änderst dich nicht. Erst warst du hinter Geld her,
nun bist du hinter Meditation her —
aber deine Gier ist dieselbe.
Erst warst du hinter den Dingen der Welt her, nun jagst du den Dingen der andern Welt nach. Aber das Nachjagen ist hartnäckig das gleiche.
Leute, die dich von außen anschauen, mögen sich täuschen lassen,
denn du schaust ganz verändert aus: du faßt kein Geld an,
du besitzt nicht mehr viel,
du lebst in einer Hütte oder unter einem Baum.
Du bist wie ein nackter Fakir.
Leute, die in der Welt sind, sie werden dich verehren, weil sie jetzt denken,
du hättest dein Wesen verändert —
derweil sie immer noch weltlich sind.
Wenn sie zu dir kommen, vergleichen sie sich mit dir. Und sie bilden sich ein, du müßtest voller Friede sein, denn du schaust so passiv aus.
Passivität kann sich den Anschein von Frieden geben.
Sie ist kein Frieden. Sie ist nur Passivität, etwas Abgestorbenes. Friede ist lebendig. Passivität ist tot.
Hier ein Beispiel:
Denk dich schwimmend in einem Fluß.
Du versuchst, gegen die Strömung zu schwimmen, kämpfst, du bist aktiv.
Dann treibt ein toter Körper den Fluß hinunter:
er kämpft kein bißchen, fließt nur flußabwärts.
Aber tot, ein lebloser Körper.
Leben kämpft, Tod ist passiv.
Und der Mensch, von dem ich sage, daß er wirklich mit dem Fluß fließt,
ist weder lebendig im Sinne von Kämpfen,
noch ist er tot wie ein Leichnam.
Er treibt mit dem Fluß, aber er treibt bewußt.
Er treibt nicht mit dem Fluß, weil er tot ist,
sondern weil er mitwirkt.
Er treibt mit dem Fluß, nicht weil er nicht kämpfen kann, sondern weil er zu der Erkenntnis kam,
daß Kampf unnütz ist —
und doch nicht ins Gegenteil verfallt.
Er treibt.
Er kommuniziert mit dem Fluß,
er ist eins geworden mit dem Fluß.
Manchmal wirst du ihn aktiv erleben,
und manchmal passiv.
Passivität und Aktivität
sind nicht zwei Pole zwischen denen er wählt — er hat beide akzeptiert.
Das meine ich, wenn ich sage:
treibend mit dem Fluß.
Manchmal wirst du ihn auf dem Markt finden, sehr tätig.
Manchmal wirst du ihn im Tempel finden, sehr untätig.
Aber nun hat er keine feste Form für sein Dasein. Er kann sich von Untätigkeit zur Tätigkeit,
von der Tätigkeit zur Untätigkeit bewegen.
Es gibt kein Hindernis,
er hat keinen Zaun um sich errichtet.
Er ist beweglich, fließend.
Sonst kann selbst Untätigkeit wieder ein Gefängnis werden.
Ich habe von einer chassidischen Geschichte gehört. Ein Mann wollte seinen Freund besuchen gehen. Der Freund war ein Bauer
in einem zwischen Hügeln sehr versteckten Tal.
Als der Mann sich dem Haus seines Freunds näherte, sah er etwas, das ihn sehr verwunderte.
Er sah eine kleine Wiese, nicht länger als eine Meile. Aber etwas Bestimmtes brachte ihn durcheinander. Auf dieser Wiese
wohnten tausend Vögel und Tiere zusammen. Tausende. Es war schwierig, sie zu zählen.
Es gab kein leeres Plätzchen, alles war voll besetzt.
Und der schöne Wald rund um die Wiese
war leer von Vögeln und Tieren.
Er konnte es nicht verstehn. Warum drängten sie sich so zusammen? Warum bewegten sie sich nicht im Himmel und unter den Bäumen? Der ganze weite Raum ist verfügbar.
Sie schauten sehr aufgeregt, angestrengt und verängstigt aus, kein bißchen gelassen.
Selbstverständlich braucht jeder seinen Raum, jeder braucht einen bestimmten Lebensraum. So wie jemand diesen Raum beeinträchtigt, kommt Gereiztheit auf.
Aber niemand hielt die Tiere und Vögel zurück, es gab nicht einmal einen Zaun.
Als er das Haus seines Freunds besuchte,
war die erste Frage, die er stellte, nach diesen Vögeln: Welches Mißgeschick hat sie befallen?
Der Freund sagte: Ich weiß es nicht genau,
ich war nämlich nicht dabei, aber ich hab davon gehört. Vor vielen, vielen Jahren
gab es einen Grundbesitzer,
einen sehr gewalttätigen und bösartigen Mann.
Er erfreute sich an folgendem Experiment:
Er errichtete einen hohen Zaun um die Wiese.
Er stellte Wächter rund um den Ort,
und er befahl den Wächtern:
Falls irgendein Vogel oder Tier zu fliehen versucht, tötet es sofort.
Er zwang Tausende von Tieren in dieser
Wiese zu bleiben, in diesem Gefängnis.
Und jahrelang hielt er es so.
So wie ein Tier zu fliehen versuchte,
wurde es getötet.
Nach und nach schickten sich die Tiere darein, sie gewöhnten sich an ihr Gefängnis.
Sie vergaßen ihre Freiheit,
denn Freiheit wurde mit Angst und Tod gleichgesetzt.
Dann starb der Besitzer.
Die Wächter verschwanden, der Zaun zerfiel. Nun gibt es niemanden, der sie zurückhält.
Weder die Wächter noch der Zaun sind da. Aber Vögel und Tiere
haben eine Zaunmentalität entwickelt.
Sie glauben, daß der Zaun da ist.
Sie sehen diesen Zaun sogar.
Er ist ihnen tief eingeimpft.
Er ist zur Konditionierung geworden.
Der Mann sagte:
Warum versucht niemand, sie zur Einsicht zu bringen?
Der Freund sagte: Viele Gutwillige haben es versucht, aber die Vögel wollen nicht hören.
Es steckt nicht nur in ihnen drin,
schon ihre Jungen kommen mit dieser Idee zur Welt. Es ist ihnen in Fleisch und Blut übergegangen,
es ist Teil ihres Bauplans geworden.
Die Jungen werden mit der Idee des Zauns geboren. Gutwillige haben es versucht, sie versuchen es noch. Und es wird dich überraschen:
die Vögel waren sehr bös,
und die Tiere haben die Gutwilligen angegriffen. Sie möchten nicht gestört sein.
Ja, sie haben eine Philosophie kreiert,
sie seien in Freiheit,
und die Welt draußen sei das Gefängnis.
Und doch versuchen es noch einige Gutwillige,
aber es scheint so aussichtslos,
sie davon zu überzeugen, daß sie frei sind,
und daß es keinen Zaun gibt,
und daß sie in den freien Himmel hinausschwärmen können.
Ich mochte diese Geschichte.
Das ist es, was Jesus, Baalschem, Moses, Mahavir, Buddha mit euch — den Vögeln und Tieren — gemacht haben. Aber ihr habt eine Zaunmentalität entwickelt.
Ihr glaubt ihnen nicht.
Entweder kämpft ihr oder werdet gleichgültig.
Aber beides gehört zum gleichen Zaun, zum Verstand.
Stell dir einen Holzzaun vor.
Eine Latte ist weiß und eine schwarz.
Und wieder eine weiß und eine schwarz.
Ein aus Brettern gemachter Zaun, angemalt in zwei Farben. Ein Brett weiß, eins schwarz: das ist der Verstand.
Eine Vorstellung passiv, eine aktiv;
yin,yang; richtig, falsch; gut, schlecht;
Die Welt, das nirvana —
alle gehören zum gleichen Zaun.
Und du wählst und wählst.
Manchmal wählst du Weiß,
dann wirst du das Weiß leid.
Dann bevorzugst und verehrst du Schwarz, aber das Schwarz ist genauso ein Teil deines Gefängnisses wie das Weiß.
Der Verstand ist aktiv, der Verstand ist passiv.
Beides sind Teile des Verstands.
Und was ich meine, wenn ich sage »Fließend mit dem Fluß« ist, über Passivität und Aktivität hinauszugehen,
über Weiß und Schwarz, Tag und Nacht, Liebe und Haß, Welt und Gott. Geh darüber hinaus.
Sieh den springenden Punkt.
Das Aktive wird zum Passiven,
und dann wird dies Passive wieder zum Aktiven.
So seh ich's:
Leute, die in der Welt sind, sind sehr aktiv. Tiefinnen denken sie stets daran,
sich von diesem Unsinn loszumachen.
Und ich kenne Mönche,
die ihr ganzes Leben im Kloster waren,
und wann immer sie sich zu mir bekannten, sagten sie, sie hätten das Gefühl,
ihr ganzes Leben verpaßt zu haben.
Sie träumen davon, in die Welt zurückzukehren.
Das Aktive möchte das Passive werden, das Passive möchte das Aktive werden. Wahl gehört zum Verstand.
Nicht zu wählen, ist mit dem Fluß zu fließen. Darum bestehen Chassidismus und ich darauf, die Welt nicht zu verlassen.
Laß ab von ihr und sei in ihr.
Das scheint schwierig,
nahezu unmöglich begreifbar für den Verstand.
Der Verstand begreift die Welt, die Abkehr -
weil beides zum gleichen Muster gehört.
Wenn ich sage: Sei in der Welt und nicht von der Welt, wird es dem Verstand ungemütlich.
Er kann es nicht verstehen. Was sagst du da?
Leute kommen zu mir,
und sie sagen, sie möchten gern sannyasins werden,
aber sie stehen in der Welt:
Und wie ist es möglich, ein sannyasin in der Welt zu sein? Vor allem in Indien scheint es völlig absurd.
Sannyasin ist jemand, der die Welt flieht.
Aber ich sage dir, sannyasin ist jemand,
der in der Welt lebt und doch nicht von der Welt ist.
Wenn ich den Leuten diese Dinge sage, schauen sie verwirrt drein. Sie sagen: Entweder dies oder das.
Ich sage: Beides zugleich.
Wenn du beides nimmst, Negatives und Positives zusammen, heben sie sich gegenseitig auf; du wirst neutral.
Dann bist du weder Mann noch Frau,
weder yin noch yang, weder Körper noch Seele.
Du hast die Dualität überstiegen,
du bist transzendental geworden.
Dies Transzendieren ist das Fließen mit dem Fluß.
Mit dem Fluß zu fließen ist die größte Kunst. Das ist aktiv und passiv sein, beides,
in tiefem Einklang mit der Schöpfung. Gewisse Dinge mußt du tun.
Schließlich mußt du leben, schließlich mußt du verdienen, zumindest mußt du atmen,
zumindest mußt du dich bewegen.
Man kommt nicht ohne Aktivität aus. Und du mußt dich auch entspannen. Sonst wird Aktivität unmöglich.
Sei also manchmal aktiv, manchmal passiv. Aber identifizier dich mit keinem von beiden. Bleib für dich.
Benütz Aktivität, benütz Passivität — und bleibe das Dritte.
Wie wenn du Kleider anziehst.
Manchmal helle, manchmal dunkle.
Wie du tagsüber arbeitest und nachts ausruhst.
Genau so. Benütz beide Dualitäten.
Sie sind Hilfsmittel. Aber identifizier dich nicht damit. Dann wirst du mit dem Fluß fließen.
Und dies ist die Botschaft des Chassidismus.
Chassidim sind die größten Menschen, die in der Welt gelebt haben,
ohne sich von ihr verderben zu lassen.
Es ist sehr leicht in den Himalaja zu gehn und unbestechlich zu werden.
Sehr leicht.
Denn es gibt keinen, dich zu bestechen. Mit den Bergen zu leben,
wird dich unschuldig werden lassen.
Aber diese Unschuld mag nur etwas Äußerliches sein.
Komm zurück in die Welt.
Die Prüfung findet auf dem Marktplatz statt. Dort wirst du erfahren,
ob du wirklich unschuldig wurdest,
denn wenn die Möglichkeit auftaucht, bestechlich zu werden,
nur dann allein wirst du fähig sein zu wissen, ob du immer noch bestechlich bist oder nicht. Die Stille des Himalaja kann dich täuschen. Sie hat tausende Menschen getäuscht.
Chassidim sagen: Leb auf dem Marktplatz. Beweg dich unter Menschen,
denn Menschen sind deine Umgebung.
Jemand fragte Sokrates:
Warum studierst du nicht in den Bergen,
zwischen Bächen, Bäumen, Vögeln, Tieren?
Der Mann sagte: Wir haben gehört von alten Weisen,
die sich in die Berge versteckten,
um dort zu leben und die Natur zu studieren.
Sokrates sagte: Meine Natur sind die Menschen.
Was können mich Bäume lehren?
Sie sind schön anzuschauen, aber was können sie mich lehren? Was können Berge mich lehren? Schön zum Ausruhn.
Was können Bäche mich lehren?
Meine Bäche, meine Berge, meine Bäume sind Menschen. Menschen sind mein Umfeld.
Er lebte sein ganzes Leben in Athen —
lebte und starb dort, unter Leuten.
Und er hat recht.
Der rechte Weise wird kein Weltflüchtiger sein. Er wird unter Leuten leben
und lernen, unbestechlich zu bleiben, wo alles darauf aus ist, ihn zu bestechen. Dann gelangst du zum höchsten Gipfel.
Und dieser höchste Gipfel benützt beide Dualitäten des Lebens. Und dieser höchste Gipfel bereichert dich sehr.
Ich bin einigen Menschen begegnet,
die ihr ganzes Leben im Wald verbrachten.
Sie sind sehr heilig, aber auch ein bißchen dümmlich, denn unter Bäumen mußt du einfältig werden,
das ist natürlich.
Du kannst nicht diese Intelligenz
eines Sokrates haben.
Du wirst zum Baum werden. Du wirst vegetativ.
Du wirst sehr rein ausschauen.
Aber diese Reinheit ist keine höhere Offenbarung. Diese Reinheit ist eher ein Rückschritt. Du fällst zurück. Ihr seid in eueren vergangenen Leben Bäume gewesen. Das habt ihr hinter euch gebracht.
Jetzt fallt ihr zurück.
Denk,
du wärest dreißig, fünfunddreißig Jahre alt —
du kannst zur Unschuld auf zweierlei Wegen kommen. Einer ist, irgendwie wieder zum Kind zu werden.
Aber dann wirst du auch töricht sein.
Unschuldig wirst du sein, aber auch töricht.
Dann gibt es noch eine andre Möglichkeit.
Durch Erfahrung zu wachsen und weise zu werden. Du reifst, du lernst.
Und zum guten Ende,
wenn du sehr alt geworden bist,
gelangst du zu deiner Kindheit.
Aber du gelangst nicht durch Rückschritt dahin.
Geh vorwärts. Laß den Kreis sich schließen.
Fall nicht zurück. Geh weiter und weiter.
Und eines Tags wirst du sehn: der Kreis ist geschlossen. Du bist alt und doch ein Kind.
Dann bist du nicht töricht.
Ein Weiser ist wie ein Kind,
und doch nicht wie ein Kind.
Ein Weiser ist beides.
Er ist ein Erwachsener,
wirklich Gewachsener, gereift.
Hat das Leben gelebt, hat es erfahren, ist reich geworden dadurch, und doch zu dem Verständnis gekommen,
daß Unschuld der einzige Weg ist zu sein,
der einzige Weg ist, göttlich zu sein.
Ein alter Mensch ist wieder in einer zweiten Kindheit. Er ist wiedergeboren.
Wenn ich sage, mit dem Fluß zu fließen, meine ich nicht, ein Treibholz zu werden. Ich meine nicht, eine Leiche
zu werden und mit dem Fluß zu treiben. Alle Leichen treiben mit,
darüber brauchen wir kein Wort verlieren. Wenn du tot bist, wirst du mit dem Fluß treiben, weil du dich nicht wehren kannst.
Erst warst du eingesperrt in Aktivität.
Nun bist du eingesperrt in Passivität.
Geh nie ins Gegenteil.
Bleib immer in beiden und dennoch jenseits. Beherzige stets, nie in die Extreme zu gehn, denn der Weg ist in der Mitte.
Buddha nannte seinen Weg den Mittleren Pfad. Und er hat recht.
Eines Nachmittags geschah dies.
Ein Papagei, ein wunderschöner Papagei, durfte alle Tage einmal frei herumfliegen.
Es war heiß, und das ganze Haus schlief fest. Der Diener kam und erlaubte dem Papagei, sich frei im Zimmer zu bewegen.
Der Hund des Hauses schlief gleichfalls fest. Der Papagei ging nah an den Hund,
an sein Ohr, und sagte: Rex!
Selbstverständlich kam Bewegung in den Hund - Rex! Er lief herum, schaute in alle Ecken.
Da er nichts fand, legte er sich wieder hin.
Der Papagei wartete.
Der Trick war erfolgreich. Er hatte den Hund genarrt. Also kam er wieder heran und sagte: Rex!
Wieder öffnete der Hund seine Augen,
schaute sich um, lief um das Haus
und war sehr enttäuscht.
Dann kam er hinter den Trick. Es gab niemanden dort,
alles schlief fest,
keine Ratte, nichts —
außer diesem Papagei. Vielleicht war der es.
So stellte er sich schlafend, mit einem blinzelnden Auge.
Wieder kam der Papagei.
Er versuchte seinen Trick ein drittesmal. Der Hund sprang ihn an.
Später konnte man den Papagei sagen hören: Das Dumme an mir ist,
daß ich nicht weiß, wann ich aufhören muß.
Und das ist die Schwierigkeit mit dir, mit allen Papageien. Wo aufhören?
Vom Aktiven gehst du zum Passiven.
Vom Passiven gehst du zum Aktiven.
Und du weißt nicht, wo aufhören.
Wenn du nur wüßtest aufzuhören, wenn du die Mitte wüßtest. Denn die Mitte transzendiert beides.
Es gibt einen Punkt, den du jeden Tag kreuzt,
wieder und wieder —
aber du weißt nicht, wo aufhören.
Es gibt einen Punkt, wo du von der Liebe zum Haß wechselst.
Du mußt den Punkt verpassen,
worin ein Buddha verweilt.
Gerade in der Mitte —
wo Liebe nicht mehr und Haß noch nicht ist —
wenn du vom Mitfühlen zum Ärger wechselst —
gerade dann berührst du den Punkt, worin ein Buddha verweilt.
Wenn du vierundzwanzig Stunden beobachtest, mußt du diesen Punkt wenigstens vierundzwanzigtausendmal berühren,
worin ein Buddha ist, wo Buddhaschaft ist.
Du gehst so schnell, du schwingst so schnell —
von einem Extrem ins andre gehst du.
Und du merkst nicht einmal,
wenn du den Punkt der Buddhaschaft berührst:
den Mittleren Weg, den Mittleren Pfad, die absolute Mitte.
Dort bist du plötzlich weder Mann noch Frau, weder lebend noch tot,
weder aktiv noch passiv.
Und diesen Punkt zu kennen, heißt alles kennen. Diesen Punkt zu kennen,
heißt alles kennen, was dir Religion geben kann. Es steht nicht in den Schriften.
Du kommst jeden Tag durch.
Du kommst an diese Kreuzung jeden Augenblick. So wie du von einer Polarität zur andern wechselst, mußt du da durchkommen.
Es gibt keinen andern Weg zum anderen Pol.
Aber du bewegst dich so schnell,
daß du nicht wachsam bist, wenn du diesen Punkt kreuzt.
Wenn ich sage: Fließend mit dem Fluß, meine ich: steig aus den Polaritäten aus,
und wähle den Fluß dazwischen. Kooperiere mit ihm, kommuniziere mit ihm. Sei der Fluß.
Das ist das ganze sannyas, wenigstens mein sannyas.