Der Koran hat Recht, die Bibel nicht?
27.07.2005 um 12:40
Der Koran hat recht...die Bibel nicht...
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Muslime haben das Recht erhalten, ihren Glauben in Europa zu leben, d. h. sich
zum Gebet zu versammeln und Allah zu preisen. Alles andere was das tägliche
Leben angeht, wird von ihrer europäischen Umwelt bestimmt, d. h. zB, vom
Broterwerb, vom Leben draussen auf den Strassen, vom Fernsehen (wenn man
dies will), von Gesetzen und Richtlinien, die das europäische Leben sichern. Es
ist sicherlich schwierig für Menschen aus orientalischen Lebenskreisen, das
schnelle Leben im Takt der Uhr hier in Europa, das schlechte Wetter, die
anderen Nahrungsmittel, das Bild, was sich einem bietet, auf die Schnelle
aufzunehmen und sich daran zu gewöhnen und seinen Platz hier in der
Gesellschaft zu finden, sollte man ihn denn suchen. Aber, jeder hat die Zeit, die
er braucht, bekommt Hilfe finanzieller Art zum Lebensunterhalt, bekommt die
Möglichkeit, sich in seiner neuen Welt zurechtzufinden....Warum wird ein
Muslim zum Attentäter? Hat der Koran doch recht?
Hier mal eine Lebensgeschichte, die eventuell aufzeigen könnte, warum wir uns
so viele Fragen stellen im Bezug auf den Koran, den Islam und seine vielen
Gläubigen aus aller Herren Länder:
Nachbarsjunge, Gotteskrieger
Ein Amsterdamer Gericht verurteilte diese Woche den Mörder des
Filmemachers Theo van Gogh. Wie wurde Mohammed Bouyeri zum Täter?
Annieke Kranenberg hat sein Leben recherchiert
Mohammed Bouyeri ist im September 2001 ein gern gesehener Gast bei der
»Nachbarschaftsplattform«, der Bürgervertretung des Amsterdamer Viertels
Slotervaart. Endlich kommt da ein junger »Marokkaner«, der mitreden will, wenn
es um Mitbestimmung, Bürgerrechte und Pflichten geht. Endlich einer, der sich
heimisch zu fühlen scheint in der typisch niederländischen Kultur von Gespräch
und Verhandlung. Normalerweise erscheinen ältere, weiße Bürger zu den
Versammlungen des Stadtviertels. Doch die Bevölkerung von Slotervaart besteht
zu 90 Prozent aus Migranten der ersten, zweiten und dritten Generation.
Mohammed, geboren in Holland und wie die Eltern Inhaber der doppelten
Staatsbürgerschaft, fällt auf. Er spricht deutlich und artikuliert, und er zeigt sich
kooperativ. Die Klagen über »marokkanische« Jugendliche, die man für viele
Probleme im Viertel verantwortlich macht, hört er sich geduldig an. Der Ton sei
damals sicherlich nicht diskriminierend gewesen, sagt ein Beamter der
Gemeinde heute, aber man habe auch nicht drum herumgeredet: »Die Migranten
kriegten des Öfteren den Schwarzen Peter zugeschoben.«
Langsam verändert sich Mohammeds Haltung. Als eines Tages im Frühjahr
2003 die Marokkaner wieder mal angegriffen werden, reagiert er aggressiv, ruft
laut den Propheten an und spricht die Worte des islamischen
Glaubensbekenntnisses: »La ilaha illallah« – »Kein Gott außer Allah«.
»Wir wurden alle ganz still«, sagt der Gemeindebeamte. »Bei der letzten
Bürgerversammlung, zu der Mohammed am 23. Juni 2003 erschien, rief er dann
an die sechs Mal den Propheten an.« Ein Mitarbeiter der
Nachbarschaftsplattform spricht mit der Polizei über Mohammeds Verhalten:
Was ist los mit dem Jungen? Läuft da vielleicht etwas schief? Ja, hört er, es
bestehe Grund zur Besorgnis; so sehr, dass selbst der Geheimdienst
benachrichtigt worden sei.
Mohammed war dabei, sich zu radikalisieren. Wer sah das eigentlich nicht?
Am 2. November 2004, kurz nach halb neun Uhr früh sitzt Mohammed Bouyeri
auf einem Damenfahrrad und folgt Theo van Gogh. Der Filmemacher und
Kolumnist radelt jeden Morgen auf der gleichen Route in sein Büro.
Mohammed Bouyeri feuert 15 Kugeln ab. Van Gogh, berichten Augenzeugen,
fleht laut um Gnade. Mit einem Krummschwert, einer so genannten Kukri-
Machete, schneidet Bouyeri ihm die Kehle durch. Dann nimmt er ein Messer,
spießt ein mitgebrachtes Blatt Papier auf und bohrt es seinem Opfer in den
Bauch. Das Papier, so stellt sich heraus, ist ein Brief, »in Blut getauft« und
gerichtet an die rechtsliberale Politikerin Ayaan Hirsi Ali: »Mit Ihren
Feindseligkeiten haben Sie einen Bumerang geworfen, und Sie wissen, dass es
nur eine Frage der Zeit ist, bis der Bumerang Ihr Schicksal besiegeln wird«, hat
Bouyeri geschrieben. Ayaan Hirsi Ali hatte zusammen mit van Gogh den Film
Submission gedreht, in dem ein nackter Frauenkörper, beschrieben mit
Koranversen, zu sehen war.
Bevor die Polizei Bouyeri festnehmen konnte, hatte er sein ganzes Magazin leer
geschossen. In dem Schusswechsel wurde niemand lebensgefährlich verletzt,
Bouyeri wurde ins Bein getroffen. Beim Abtransport ins Krankenhaus sagte ein
Polizist: »Du kannst von Glück sprechen, dass sie dich nicht erschossen
haben.« Bouyeris eisige Antwort: »Genau das habe ich gewollt.«
Gut acht Monate später, am 12. Juli 2005, erklärt Bouyeri dem Gericht in
Amsterdam noch einmal, er habe als Märtyrer sterben wollen. »Ich kann nur
sagen, sollte ich jemals freikommen, ich würde es wieder tun.« Er habe van
Gogh nicht ermordet, weil der Muslime öffentlich immer nur »Ziegenficker«
genannt habe, sondern weil van Gogh den Propheten und den Islam beleidigt
habe. »Ich habe mich niemals persönlich beleidigt gefühlt. Ich habe aus
Überzeugung, um meines Glaubens willen gehandelt. Hätten mein Vater oder
mein Bruder solche Sachen gesagt, ich hätte genau dasselbe getan.« Bislang
sieht es danach aus, als sei Bouyeri ein Einzeltäter. Den Islamisten, mit denen
er sich traf, konnte keine Beteiligung am Mord nachgewiesen werden. Als
»Terrorist« gilt Mohammed Bouyeri nach einem neuen Terror-Paragrafen
dennoch; seine Tat, so das Urteil von Dienstag, dem 26. Juli, habe bezweckt,
die Bevölkerung zu ängstigen und den Rechtsstaat zu erschüttern.
Marokko. Während in Amsterdam der Prozess gegen Mohammed Bouyeri läuft,
reist die Familie nach Oudja, eine Stadt im Nordosten Marokkos, nahe der
Grenze zu Algerien, wo sie ein Haus hat. Die Familie – Vater, Stiefmutter,
sechs Schwestern und ein Bruder – will nicht mit der Presse sprechen. Sie hat
sich auch geweigert, an den Untersuchungen der Polizei mitzuarbeiten. Vater
Hamid und Mutter Habiba stammen aus einem Flecken, tief im marokkanischen
Rif-Gebirge. Ein Sandweg führt vorbei an Schluchten, Kakteen, Kindern, die im
Schatten sitzen. Manchmal verkaufen sie Feigen. Hoch über einem
ausgetrockneten Flussbett steht das Haus des Vaters. Nur im Winter, wenn
Schnee auf den Bergkuppen liegt, strömt Wasser.
»Bisher kam die Familie jeden Sommer hierher«, sagt Mohammed, ein
gleichnamiger 35-jähriger Cousin von Bouyeri. Er ist einer der wenigen
Angehörigen in Marokko, der es wagt, mit Presseleuten zu reden. Nach dem
Mord an van Gogh wurden hier alle Marokkaner mit dem Namen Bouyeri zum
Verhör geladen. Auch junge Frauen, heißt es auf dem Markt von Oudja, wo
Hunderte von Packeseln in der Sonne warten.
Vater Bouyeri hatte die Berbergegend, wo nur zwei von 36 Gemeinden
Elektrizität haben und fast alle Frauen Analphabetinnen sind, vor 30 Jahren
verlassen. Hamid war einer der Gastarbeiter der ersten Generation. »Der hat in
niederländischen Fabriken geschuftet, bis seine Gelenke kaputt waren«, sagt
ein Bekannter. »Wenn er jetzt in der Moschee betet, dann bleibt er sitzen; mit
seinem kaputten Rücken kann er nicht knien.«
Im Jahr 2001 starb Mohammed Bouyeris Mutter an Krebs. Der Vater heiratete
die Schwester der Mutter, Tante Fatma. Das sei so Sitte, sagt der Cousin, der
ein diplomierter, aber arbeitsloser Kriminologe ist und sein Brot jetzt als
Schreiber für die Analphabeten verdient. Den gleichnamigen Vetter Mohammed
hat er vor zwei Jahren zuletzt gesehen. Der sei damals »völlig normal« gewesen.
Auch über die Familie könne er nichts Negatives sagen. Es seien wohl
»komplexere Fragen«, die dafür gesorgt hätten, dass sich sein Vetter von der
niederländischen Gesellschaft entfremdete.
»Mohammed ist kein Islamist«, sagt er. »Der van Gogh hat Streit gesucht. Der
wusste doch, dass der Koran für eine Milliarde Menschen ein heiliges Buch ist.«
Das Opfer sei sein Vetter. Wie das? Um dies zu erklären, müsse er ein paar
Wochen reden, sagt der Cousin. Und macht einen Anfang: »Die europäischen
Staaten bilden sich so viel ein auf ihre Trennung von Kirche und Staat – und
dann sind es die christlichen Parteien, die bestimmen, wo es langgeht. Man
sagt, in Europa werde nicht diskriminiert, aber Parteien wie Le Pens Front
National oder die Leute von der Liste Pim Fortuyn in den Niederlanden dürfen
›Ausländer raus‹ rufen.«
Mohammed Bouyeri wächst in Amsterdam-West auf, in der Hart Nibbrigstraat.
In dem Viertel wurden in der Nachkriegszeit große Wohnkasernen gebaut; das
Grau des Betons dominiert noch heute. Im gleichen Mietshaus wohnt Rachid
Bousana, dem er später sein Selbstmord-Testament anvertrauen wird. Um die
Ecke wohnt der acht Jahre jüngere Samir Azzouz, der vor kurzem wegen des
Verdachts auf terroristische Anschläge auf das niederländische Parlament und
auf das Atomkraftwerk von Borssele vor Gericht stand und freigesprochen wurde.
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft gehören die jungen Männer zur
»Hofstadgroep«, zu der vom Geheimdienst so genannten Hauptstadtgruppe;
Bouyeri soll in ihrem Netzwerk die führende Rolle gespielt haben.
Und doch war er einmal ein unauffälliger Typ, der Alkohol trank, Joints rauchte,
Freundinnen hatte. »Mohammed war so wie wir«, sagt ein Nachbarsjunge, »so
einer mit Jeans und Turnschuhen, der auch mit Biertrinken ging.«
Das Viertel, in dem die Bouyeris leben, gilt als »soziale Zeitbombe«. Auch bei
Bouyeris kommen Sozialarbeiter zu Besuch. Mohammed lernt, mit den
Beamten zu verhandeln; er pocht auf seine Rechte, wenn die Polizei etwas von
ihm will. Seine Nachbarn halten ihn für intelligent, ein »Positivo« sei er gewesen,
ein gesellschaftlich Engagierter. Aber man sah auch, wie er auflief, frustriert
wurde.
1994 zum Beispiel – in der Zeit ist Mohammed ein aufgeweckter Realschüler –
gibt es Ärger, als ein alter Jugendtreff geschlossen wird. »Am letzten Abend
brach da die Hölle los«, sagt ein ehemaliger Jugendpfleger. Polizisten mussten
das Gebäude räumen; die Jugendlichen rannten in alle Richtungen; Polizei und
Hunde hinterher.
Ein neues Jugendzentrum kommt bei den Kids nicht an. Es gibt Brandstiftungen
und es bleibt unruhig, bis 1998 regelrechte Krawalle ausbrechen. Ganz in der
Nähe der Hart Nibbrigstraat, wo Mohammed, der inzwischen Informatik studiert,
noch immer wohnt, schlagen sich Polizisten und »marokkanische« Jugendliche.
Die »Schlacht am Allebéplatz« macht Schlagzeilen. Worauf die Stadtverwaltung
dem Nachkriegsviertel einen »Investitionsimpuls« sowie ein
»Sicherheitsnetzwerk« verordnet. Abends patrouillieren ältere Migranten als
»Nachbarschaftsväter«; das Justizministerium macht ein Büro im Viertel auf.
Und die Wohnungen, findet man, sollten renoviert werden. Auch der
Wohnkomplex 26, in dem die Familie Bouyeri seit 1985 wohnt.
Die Mietervereinigung von Komplex 26, die vor allem aus älteren Autochthonen
besteht, hat die Renovierungspläne schon abgesegnet, als Mohammed Bouyeri
zusammen mit anderen Jugendlichen Widerspruch einlegt. Was den jungen
Leuten nicht gefällt, ist die geplante Neueinteilung der Apartments. Infolge der
Sanierung würden die Wohnzimmer einsehbar werden: Die Frauen könnten nicht
mehr ungesehen in die Küche laufen. Ein Stadtrat spricht vom Kampf der
Kulturen. »Wartet nur, als Nächstes fordern die Muslime islamische Rundbögen
in ihren Zimmern«, sagen die Befürworter der Renovierung. Doch Mohammed
Bouyeri und seine Clique lassen sich nicht beeindrucken, bleiben bei ihrer
Ablehnung: kein Umbau. Darauf verkündet die Stadtverwaltung, man werde den
ganzen Komplex abreißen. Ein bereits angesetzter Termin wurde allerdings erst
einmal auf 2006 verschoben. »Die Jungs«, sagt der Stadtrat, »haben das wohl
als Affront verstanden. Sie wollten die Pläne verbessern, und als Dank droht
man mit Abbruch.«
Angesichts von »Verwahrlosung« und »Häufung von Problemfamilien«
beschließt die Gemeinde erneut, dass eine »soziale Investition« angesagt ist.
Jede Familie von Komplex 26 kriegt einen Sozialarbeiter zugewiesen, der
regelmäßig Hausbesuche macht. 90 Prozent der Betroffenen lassen sich darauf
ein. Mohammed Bouyeri will nicht, dass seine Familie mit dem Sozialarbeiter
spricht.
Nach einer Schlägerei mit einem Nachbarsjungen landet Mohammed Bouyeri im
Sommer 2001 für zweieinhalb Monate im Gefängnis. Kurz darauf stirbt seine
Mutter. Ein Wendepunkt, vielleicht das letztlich entscheidende Ereignis. Später
wird er in seinem Testament schreiben, er habe sich seit dem Tod seiner Mutter
»auf die Suche begeben, um die Wahrheit zu finden und zu erkunden«. Anders
als früher, geht er jetzt oft in die Moschee. »Das wirkte ganz gut auf ihn«, sagt
ein Junge, der eine Etage höher wohnte, »er hörte auf zu rauchen und
konzentrierte sich darauf, Arbeit zu finden. Er wollte auch den anderen Jungen
helfen. Wenn die auf der Straße rumhingen, sagte er, es sei besser auseinander
zu gehen, um nicht aufzufallen. Und er lobte mich, weil ich keine Probleme mit
der Polizei hatte; er fand es gut, dass ich meine Ausbildung als Fahrlehrer
abgeschlossen hatte.«
Im Herbst 2001 findet Mohammed Bouyeri Kontakt zur Nachbarschaftsplattform
Eigenwijks. Er meldet sich als freiwilliger Mitarbeiter, will versuchen, für sich und
seine Freunde einen eigenen Raum zu finden: »Die Jugendlichen hängen bloß
rum, man muss was für sie tun; wir brauchen ein eigenes Jugendzentrum.« Er
arbeitet Pläne aus, sitzt stundenlang vor dem Computer. Die Stadtverwaltung
müsse die Jugendlichen endlich ernst nehmen, schreibt er, »es reicht ja nicht,
so eben mal ’ne Büchse Geld aufzumachen, und dann wird alles gut«.
Mohammed Bouyeri und seine Freunde organisieren Fußballspiele, bereiten
»politische Jugenddebatten« vor, kochen für ältere Menschen. Er schreibt
Beiträge für das Gemeindeblättchen, will den Lesern die Welt der Jugendlichen
näher bringen. Er studiert drei Monate Sozialpädagogik, bricht das Studium aber
ab. Sein Plan für das Jugendzentrum scheitert. Die Stadträte finden, es gebe
schon genug Jugendzentren. Die jungen Leute reagieren scheinbar gelassen:
»Dann eben nicht.« Aber es war doch ein schwerer Schlag für sie, sagt der
Koordinator des Jugendzentrums heute.
Bouyeri bleibt noch ein halbes Jahr als Freiwilliger bei Eigenwijks. Er wird immer
religiöser. Einmal muss eine Sitzung abgebrochen werden, weil er im Zimmer
nebenan laut betet. Im Gemeindeblatt schreibt er zum Thema »Islam und
Integration«: »Das Wort integrieren bedeutet aufgenommen werden in ein
größeres Ganzes. Diese Bedeutung umfasst für mich das gesamte
islamistische Konzept der Unterwerfung (von Körper und Geist) unter die Eine
Macht, die das größere Ganze, das wir Universum nennen, geschaffen hat.«
Frauen, findet Mohammed dürften nur »in angemessener Weise« an den
Nachbarschaftsaktivitäten teilnehmen. Er gibt Frauen nicht mehr die Hand.
Dennoch denkt man bei der Nachbarschaftsplattform noch im Sommer 2003
daran, ihm eine Stelle anzubieten. Er ist schließlich der nette Junge, der den
Abwasch macht und älteren Leuten eine Tasse Kaffee bringt. Aber Mohammed
Bouyeri selbst hat Vorbehalte. Er will keinen Alkohol ausschenken, und er will,
dass männliche und weibliche Besucher des Zentrums in getrennten Räumen
empfangen werden.
Dann verschwindet er aus dem Zentrum; lässt sich auch im Stadtviertel kaum
noch sehen. Seine Kumpel stellen fest, dass aus dem »besorgten älteren
Bruder« ein distanzierter Mann mit Bart geworden ist. Der sagt jetzt »Salem«
statt »Hallo«, läuft schnell weiter, trägt anstelle der Jeans ein weites Gewand,
die Dschellaba. Er geht auch nicht mehr in die gemäßigte Moschee El Ouma,
die sein Vater besucht. Er besucht die umstrittene El-Tawheed-Moschee, die
etwa zehn Fahrradminuten weiter entfernt liegt. Im Kreis der Gläubigen von El
Tawheed, die jede Form von Freundlichkeit gegenüber Ungläubigen verurteilen,
findet er Geistesverwandte. Männer aus Ägypten, Algerien und Syrien, sagt ein
Marokkaner, der anonym bleiben will: »Die Männer kamen aus Frankreich und
Deutschland nach Amsterdam, um hier Vorträge zu halten, Kurse zu geben. Sie
bezogen sich auf die Ereignisse vom 11. September.«
In der Gemeinschaft der marokkanischen Einwanderer sieht man keinen Grund
zur Besorgnis. Es sei der Tod seiner Mutter gewesen, der Mohammed Bouyeri
so verändert habe, sagt man. Oder eine Reaktion auf die Schwester, die
»unkeusch« lebte; sie ging mit einem »Ungläubigen« aus. Bouyeri soll gesagt
haben, er könne seine Schwester »echt umbringen«. Doch einige Muslime
bewundern Mohammed Bouyeris neue Gläubigkeit: »Jedenfalls besser als eine
kriminelle Karriere.«
Mohammed Bouyeri zieht sich zurück in die Wohnung in der Marianne
Philipsstraat, die er im Januar 2001 gemietet hat. Er zahlt 278 Euro für
Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche. Er verfasst »offene Briefe«, unterzeichnet
mit dem Decknamen »Abu Zubair«, ruft jetzt Jugendliche zum Heiligen Krieg
auf: »Befreit euch selbst! Kommt raus aus den Koffieshops, den Drogenkneipen,
schließt euch an bei der Karawane der Märtyrer. Es ist nur eine Frage der Zeit,
bis die Ritter Allahs auf dem Innenhof des Parlaments einmarschieren; dort
werden sie die Flagge von TAWHEED hissen.« In der Wohnung treffen sich
extremistische Muslime. Zwölf aus der »Hauptstadtgruppe« müssen sich
inzwischen wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung vor Gericht verantworten. Die Hauptverhandlung soll im Herbst
stattfinden; dann wird auch Bouyeri noch einmal vor Gericht stehen.
Ihr Mentor ist ein charismatischer Mann namens Abu Khaled, ein syrischer
Geistlicher, der am Tag des Mordes an van Gogh über die Türkei durch die
Berge nach Syrien flüchtet und nach Auskunft seiner Familie jetzt dort im
Gefängnis sitzt. Abu Khaled predigt den Heiligen Krieg.
Als Anschauungsmaterial dienen Filme, auf denen Enthauptungen im Irak zu
sehen sind. Auf einer CD-ROM aus dem Besitz von Bouyeri ist eine von der
Gruppe selbst gemachte Animation zu sehen. Die Gruppe nennt sich selbst
»Löwen von Tawheed« und »Polder-Mudschahedin«. Im Film brüllen die Löwen
von Oranje-Nassau, man hört das Geräusch klirrender Schwerter, ein arabisches
Kampflied: »Die Gruppe des Unglaubens hat sich gesammelt, uns anzugreifen,
aber sie können uns nichts anhaben.« Dann sieht man das Logo des
niederländischen Geheimdienstes, die Abgeordnete Hirsi Ali, den ermordeten
Vorsitzenden der LPF, Pim Fortuyn, Justizminister Hein Piet Donner,
Innenminister Johan Remkes und den rechtspopulistischen Politiker Geert
Wilders.
Die Gruppe um Bouyeri bleibt unter sich, selbst die Moschee El Tawheed wird
nicht mehr besucht. Auch da, heißt es, taugen die Prediger nicht mehr. »Wir
dürfen uns nicht integrieren«, erklärt einer aus der Gruppe, »das wäre so, als
würden wir den Satan anbeten. Die Niederländer werden in ihren eigenen
Gesetzen ertrinken, weil die von Menschen gemacht sind. Der Einzige, der über
uns urteilen kann, ist Allah.«
Im Sommer 2004 schreibt Bouyeri weitere »offene Briefe«; seine Freunde
verbreiten sie im Internet. Dies Mal sind es Aufrufe zur Gewalt. Bouyeri setzt am
2. Juli einen Text über »Die Pflicht zum Töten derjenigen, die den Propheten
beschimpfen« ins Netz. Am 12. August folgt »Ein offener Brief an das
Niederländische Volk«, der von terroristischen Angriffen fantasiert: »Überall, in
den Straßenbahnen, in den Zügen, auf den Märkten sind Sie zum Ziel des
Angriffs geworden (…) Sie werden sich unter Gedärm und Eingeweiden, unter
Stücken von Menschenfleisch wiederfinden.«
Seine letzten »offenen Briefe« unterschreibt Mohammed mit dem neuen
Decknamen »Saifu Deen al-Muwahhied«. »Saifu Deen« bedeutet wörtlich: »das
Schwert des Glaubens«.
Ende des Sommers fragen sich einige Gemeindebeamte, die Bouyeri kennen,
was wohl aus ihm geworden sei. Man sehe ihn nicht mehr. Der einst vorbildliche
»Marokkaner«, der Junge, der Jugendpfleger hätte werden können, war
abgetaucht. Der Koordinator der Nachbarschaftsplattform Eigenwijks macht sich
Sorgen: Sitzt Bouyeri vielleicht in irgendeinem Trainingscamp in Afghanistan?
Ein Freund beruhigt ihn. Er habe Mohammed Bouyeri noch kurz zuvor gesehen;
er sei auf dem Fahrrad durch Amsterdam geradelt.
Aus dem Niederländischen von Elisabeth Wehrmann, erschienen in "Die Zeit".
Zusatz für al-chidr:
*Annieke Kranenberg ist Redakteurin der niederländischen Tageszeitung »De
Volkskrant«. Kranenberg und ihre Kollegen bekamen Zugang zur
Hinterlassenschaft Bouyeris, zu der auch der oben dokumentierte Kurzfilm
gehört.
Gruß
Die Reihenfolge ist:
Regnerisch kühl, Schaufensterbummel, Hundekot....Oo.NWIO-WBIN.oO