Entstehung der ersten Zelle
29.12.2014 um 18:45Bei späteren Forschungsaufenthalten im hohen Norden fand der Gelehrte mehr über das Eis und seine Bewohner heraus. Vor allem entdeckte er unter dem Mikroskop, dass Meereis wie ein komplizierter Bioreaktor wirkt. Das reine Wasser friert aus, doch zwischen den Kristallen bilden sich Blasen und Kanälchen, die mit einer hoch konzentrierten Salzlösung gefüllt sind. Darin entstehen zellähnliche Strukturen. „Winzige Gasbläschen rotieren und pulsieren wie kleine Herzen. Hauchfeine Membranen bewegen sich langsam im Eisgefüge, umschließen sich gegenseitig und formen neue Zellen“, beschreibt Trinks diese Phänomene. Die frühe Ahnung verdichtete sich für ihn seither zur Gewissheit: Leben entstand im Eis.http://www.focus.de/wissen/weltraum/odenwalds_universum/tid-26280/rekonstruktion-der-urgeschichte-wie-das-leben-auf-der-erde-entstand-meereis-wirkt-wie-ein-bioreaktor_aid_771465.html
Bei einem weiteren Rätsel der Lebensentstehung kamen die Biologen ebenfalls einen Schritt weiter. Die heutigen Organismen – mit Ausnahme einiger Viren – nutzen das riesige Molekül der Desoxyribonukleinsäure (DNS), um die Erbinformationen zu speichern. Die DNS sollte also schon in den ersten Zellen vorhanden gewesen sein. Allerdings ergab sich damit ein Henne-Ei-Problem. Denn eine Zelle besteht aus zwei Grundkomponenten, die sich gegenseitig voraussetzen: Zunächst aus dem Strang der DNS, die den Code zur Erzeugung von Proteinen beinhaltet, auf denen die restliche Zellmaschinerie beruht. Um aber die DNS herzustellen und abzulesen, werden Proteine benötigt, die als Enzyme funktionieren. Sie katalysieren in den Zellen die biochemischen Reaktionen. Anders gesagt: Für DNS werden Proteine benötigt, und für Proteine DNS.
Das Doppelleben der RNS
Dann fanden Biochemiker heraus, dass ein zweites Biomolekül, nämlich die der DNS verwandte Ribonukleinsäure (RNS), eine Doppelrolle spielt: Sie kann sowohl Erbinformation speichern als auch wie ein Enzym wirken, das biochemische Reaktionen lenkt. Dadurch vermag sie, ihre eigene Vervielfältigung zu steuern. Daher glaubten viele Experten, dass der Evolution von Mikroorganismen, die DNS im Zellkern tragen, eine von einfachen Molekülsystemen bevölkerte RNS-Welt vorausging.
Allerdings ist auch RNS ein sehr großes Molekül und deshalb nur aufwendig zu erzeugen. Deshalb glauben manche Forscher, dass eine dritte Spielart langkettiger Biomoleküle am Beginn des Lebens stand, nämlich die Threosenukleinsäure (TNS). Staat dem Zucker Ribose wie die RNS enthält sie den Zucker Threose. In vielen Eigenschaften gleicht die TNS der RNS. Dem Biochemiker John Chaput von der Arizona State University in Tempe gelang es unlängst, ein TNS-Molekül zu erzeugen, das eine bestimmte dreidimensionale Form annimmt und sich dadurch an spezielle Proteine binden kann. „Dies sind wichtige Schritte, um ein TNS-Enzym zu erzeugen, das chemische Reaktionen ebenso kontrollieren kann wie RNS.“ Allerdings ist die TNS kleiner und konnte deshalb in der „Ursuppe“, die auf der Ur-Erde schwappte, viel leichter entstehen.
In heutigen Lebensformen ist TNS nicht mehr vorhanden. Nun spekulieren Forscher, dass es in den ersten Zellen möglicherweise einen Mix an Erbsubstanzen gab, auf denen die genetischen Informationen gespeichert waren. „Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass die Natur viele verschiedene Dinge erprobte“, meint Chaput. Am Ende überlebte nur die DNS und in Teilbereichen des Lebens auch die RNS. Die Wissenschaftler sind aber zuversichtlich, dass sie mit ihren neuen biologischen und geologischen Methoden genügend farbige Fäden finden, anhand derer sich bestimmen lässt, wie der Lebensteppich auf der Urerde tatsächlich aussah.
Seite 4 / 4