Könnt Ihr Euch an den Tag des Mauerfalls erinnern?

Ich war 14 und die Erwachsenen haben sehr viel geredet:)Wir haben Bekannte in Dresden gehabt und sie immer mal besucht.Es war schon erschreckend die Grenze zu erleben.Meine Oma hat uns fast mal in Teufelsküche gebracht,denn sie hat ihre Schuhe in Zeitungen eingewickelt und das West-Zeitungen waren nicht erlaubt.

Ich habe mit den Kindern am 3. ein paar Videos angesehen,um ihnen noch mal in Bildern zu zeigen,warum dieser Tag wirklich ein Feiertag ist.Mir geht das immer wieder sehr nah.

Ja,sehr gut sogar,ich war 19 Jahre alt.
Ich bin abends gegen 23 Uhr Richtung Übergang Bornholmer Straße mit ein paar Freunden aufgebrochen,um mich eigentlich davon zu überzeugen,dass die Meldung,die ich selber erst kurz zuvor durch einen meiner Freunde erfahren habe,eine Ente war.
Von weitem hat man dann schon Freudenschreie und Lärm gehört,zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch den Eindruck,dass beide Teile der Stadt sich gefreut haben.
In Westberlin fuhr eine Frau auf ihrem Fahrrad an uns vorbei,die sich wieder umdrehte,als sie die Ostler in uns erkannte,zu uns kam und uns ihren gesamten Portemonnaieinhalt schenkte.
Ich hatte eigentlich ein sehr ungutes Gefühl.Damit,dass sie die Grenze öffnen,habe ich überhaupt nicht gerechnet,ich hatte auch keine Vorstellung davon,wie es nun weiter gehen soll.In der Nacht hatte ich auch Angst,nicht wieder zurück zu können,das war schon sehr verwirrend.Nach Jubeln und Schreien war mir nicht.
Beeindruckt war ich von den Auslagen der türkischen Gemüseläden (Bananen! ;)),daran kann ich mich auch noch erinnern.
Auf dem Rückweg standen in der Bernauer Straße LKW,die von der Ladefläche Kaffee,Bananen und Schokolade in einen Menschenauflauf warfen,der sich davor angestaut hatte.
Ich weiß nicht,wann ich mich davor zuletzt so geschämt habe.
Das sind so in Kürze meine Erinnerungen an diese Nacht.

Nö, ich war damals erst zwei Jahre alt.

Ich war damals auf der Universität in Groß Britannien und hatte das zunächst gar nicht richtig mitbekommen, bis ich am Abend im Pub von einem Kommilitonen angesprochen wurde. "jetzt wird Deutschland wohl wieder Reich..." sagte er auf Deutsch zu mir. Ich war verwirrt, weil ich das im Sinne von "wohlhabend" verstanden hatte und antwortete: "Aber Deutschland ist doch reich."
Nun ja, wenige Tage später tauchten dann die ersten Trabbis und Wartburgs in Cambridge auf. Eines Morgens fragte mich ein Lehrer aus Leipzig im Wartburg in mühsamen Englisch nach dem Weg. Ich antwortete auf Deutsch, und er war äußerst beeindruckt. Auf seine Frage, wo ich denn so gut Deutsch gelernt hätte, gab ich zu, Deutscher zu sein.
Alles was mit Deutschland zu tun hatte, kam im Laufe der nächsten Wochen in Mode. Die Zeitungen brachten große politische Hintergrundartikel, in unserem Stammpub gab es deutschen Wein ("Liebfraumilch - buy the glass!") und meine englischen Freunde fingen an, Deutsch zu lernen.
Mein Mitbewohner, ein Ire, erklärte mir, er wolle unbedingt Thomas Mann im Original lesen können.
Ich konnte ihm nur viel Erfolg dabei wünschen.

@Jantoschzacke
Hallo
Ich war 8 oder 9. Kann mich noch genau daran erinnern, das wir vor dem Fernseher saßen. Und uns freuten. Das wir jetzt entlich auch ungeschoren rüber durften. Da mein Daddy schon ein halbes Jahr vor dem Mauerfall rüber ist. Und uns nur noch nachholen wollte. Ich wusste was es mit Ost und West auf sich hat. Hat man ja auch gelernt in der Schule. Nicht nur Sorbisch und Russisch :D
Meine Mutter war früher schon öfter drüben. Da durften sie in Westberlin einkaufen gehen. Und wir Kinder haben immer was bekommen. Wie lecker die Kinderschokolade und Ü-Eier waren. Wir hatten uns sehr gefreut auf den Westen.
Auf jedenfall waren wir so aufgekratzt ,das wir diese Nacht nicht schlafen konnten.

Das sind alles sehr spannende Geschichten von Euch. Es ist sehr interessant was jeder so in Erinnerung hat von dieser Zeit. Ich wünschte ich selber könnte mich an mehr erinnern, aber leider hab ich das Meiste vergessen.

Heureka1975 schrieb:waren nicht erlaubt

war da überhaupt was erlaubt in der DDR ?

( Bin Wessi, deshalb verzeih die Frage :) )

@KönigIsakim

KönigIsakim schrieb:war da überhaupt was erlaubt in der DDR ?

In gewissen Grenzen, es war fuer viele teilweise schon alles andere als unproblematisch zum großen sozialistischen Bruder Sowjetunion zu fahren... da kommst du sogar heutzutage sogar leichter nach Israel...

Edit: Uh, jetzt habe was von Urlaub gelesen, statt erlaubt...

Naja, Westfernsehen konnte man schon empfangen und schauen, nur sollte man damit nicht grade einen strammen Parteisoldaten geraten... wobeis im Tal der Ahnungslosen kein solches Problem gab.
Warst Du generell in der Parteiorganisation, der Armee oder aehnlichen Strukturen eingebunden, wars besser fuer die Gesundheit komplett darauf zu verzichten.

An Zeitungen und aehnliches kam man ohnehin noch schwerer ran.

krijgsdans schrieb:Naja, Westfernsehen konnte man schon empfangen und schauen, nur sollte man damit nicht grade einen strammen Parteisoldaten geraten...

Wobei es an sich nicht fuer die gemeine Bevoelkerung verboten war zu schauen.

Ich war damals 30 Jahre alt und mußte zur Nachtschicht. Nach der Rede von Schabowski hab ich spontan Urlaub genommen und bin mit dem Wartburg nach Helmstedt gefahren. Es war schon ein komisches Gefühl an den Grenzübergang Marienborn/Helmstedt zu kommen und diese riesige Abfertigungsanlage und die Sperren zu sehen. Ich bin dann auf einer Fahrspur auf ein Abfertigungsgebäude zu, dort standen DDR- Grenzer und winkten die Autos einfach durch. Ohne irgendwelche Kontrollen bin ich dann weiter nach Helmstedt gefahren. Überall standen winkende Menschen und Helmstedt war voll von Trabbis, Wartburgs und Ladas.

Der Tag, an dem man sein Erlebnisbad der Gefühle durchmachte, erlebt mit all seinen Facetten.

@Anja-Andrea

Anja-Andrea schrieb:und Helmstedt war voll von Trabbis, Wartburgs und Ladas

Der herrliche Geruch sozialistischer Errungenschaften... :troll: