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Sarrazin: Hart aber fair?

11.785 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Ausländer, Migranten, Sarrazin ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 11:49
@Lomax
Zitat von LomaxLomax schrieb:Die hier Geborenen sind Deutsche.
Bei doppelter Staatsbürgerschaft kann ihnen bei entsprechenden Vergehen ohne weiteres die deutsche entzogen werden, da eine zu befürchtende Staatenlosigkeit (die niemals Folge sein darf da sie nicht zulässig ist) in dem Falle nicht gegeben ist.


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 11:51
@Lomax
Zitat von LomaxLomax schrieb:Damit reduzierst du die deutsche Sattsbürgerschaft zu irgendeinem Wisch auf irgendeinem Lappen.
Ist er doch eh nur noch und von daher sehe ich da keine Probleme


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 11:53
Zitat von ValentiniValentini schrieb:Ist er doch eh nur noch und von daher sehe ich da keine Probleme
Na dann hat sich die ganze Problematik in 30-40 Jahren von selbst erledigt. :D


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 11:54
Hier mal zum nachlesen für die die es nicht kennen:
http://www.buzer.de/gesetz/4752/a65993.htm

Der §55 ist wie gemacht für die Ausweisung von Verweigerern. Ein guter § auf dem Weg zu vernünftigen Einwanderungsregeln


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 12:02
@Valentini

Und an welcher Stelle soll das Gesetz "wie gemacht" für Integrationsverweigerer sein?
Denkst Du konkret an Punkt 1?
Auszug:
Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
Ist öffentliche Sicherheit gefährdet, sobald die deutsche Sprache nicht erlernt wird, ist sie es beim Glauben an den Islam?


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 12:03
@Valentini

Eine Sache wollte ich aber doch noch erwähnen.

In absehbarer Zukunft werden die hiergeborenen Migranten nur noch die deutsche Staasbürgerschaft haben. Nix da mit doppelter und dann entziehen, wenn sie sich der Integration verweigern.


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 12:09
Zitat von LomaxLomax schrieb:Nix da mit doppelter und dann entziehen, wenn sie sich der Integration verweigern.
hehe ,der war gut ,vorallem bei solch einem wie ich ,der voll imprägniert ist :)


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 12:11
schaut euch mal diese frau doktor an...politologin und sozialwissenschaftlerin,wie man mit zahlen jongliert ;)

Youtube: Dr. Naika Foroutan jongliert mit Zahlen.
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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 12:14
Deutschland schafft mich ab

Debatten, wie Thilo Sarrazin sie führt, haben mich als türkischstämmige Intellektuelle muslimifiziert. Was ist in diesem Land nur schiefgelaufen?

Typisch türkische Hirtin? Nein, unsere Autorin mit ihren Tieren auf ihrem Hof in der Lüneburger Heide

Und wieder stehen »muslimische Migranten« im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Dieses Mal dank Thilo Sarrazin und seinem Buch Deutschland schafft sich ab . Allerdings ist er nicht der Erste, für den die Worte muslimisch und migrantisch offenbar dasselbe bezeichnen. Das geht schon seit Jahren so. Vielleicht gibt es in unseren neuen biometrischen Pässen bereits eine Rubrik dafür? Einmal Migrant, immer Migrant. Einmal Muslim, immer Fremder. Wie jeder weiß, bedeutet das unter anderem, bildungsfern und -faul zu sein. Als Mädchen bereits unters Kopftuch, dann in die Ehe gezwungen zu werden. Muss ich mal nachdenken, ob das so stimmt…
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In Frankfurt am Main bin ich geboren und teilweise auch aufgewachsen, nämlich zwischen dem Senckenberg-Naturkundemuseum mit seinen Dinosaurierskeletten, einem geheimnisumwobenen Skorpionkeller in der Myliusstraße und dem Springbrunnen auf dem Campus der Universität. Meine beiden Eltern sind nämlich Wissenschaftshistoriker mit Leib und Seele. Als ich klein war, übte mein Vater mit mir in der Küche anhand von Töpfen und Stühlen die Bewegungen des Planetensystems. Das gereichte mir später zum Nachteil, als ich zur Lehrerin sagte, auch unser Sonnensystem sei in Bewegung; offizielles Grundschulwissen besagte, die Sonne stünde fix. Meine Mutter wiederum schleppte mich in Museen, ohne Baedeker, dafür aber mit ihrem furchteinflößenden Gedächtnis im Gepäck. Wenn an den Wänden Bilder längst verstorbener Adliger hingen (Otto der Furchtsame, Isabella die Hartherzige, oder wie sie alle hießen), begrüßte sie jeden von ihnen wie einen alten Bekannten. Auch sie sorgte in der Grundschule für Ärger, weil sie sich immer über die Farben der Schülertoiletten lustig machte: Rosa für die Mädchen, Hellblau für die Jungs. Dieses Apartheidsystem der Geschlechter war ihr ein Gräuel, ebenso wie meinem Vater, der mir, sobald ich nur einen Hammer halten konnte, sämtliche Inhalte seiner Werkbank überließ. Bildungsunwillig und patriarchal klingt das nicht.

Ja, könnte Sarrazin da sagen, aber das sind halt einzelne Gegenbeispiele. Die gibt’s immer. Heißt nicht, dass die allgemeinen Aussagen komplett falsch sind… – Doch, das sind sie! An diesem Muslim-Diskurs, wie er von Sarrazin und zig anderen Protagonisten unserer Medienlandschaft geführt wird, ist alles falsch. Grundfalsch. Weil er für Millionen von Menschen wenige, grobe Rubriken entwirft – die bereits nach genau jenen Bildern und Vorurteilen modelliert sind, die bestätigt werden sollen. Migrant, Muslim, Deutscher, Fremder – dieser Diskurs trennt einzelne Bevölkerungsteile säuberlich voneinander, stellt sie einander gegenüber und hetzt sie sogar gegeneinander auf. Dieser Diskurs ist falsch, weil er keinen Raum lässt für das Eigenrecht gelebten Lebens und die bescheidene Erkenntnis aller empirisch arbeitenden Soziologen: Wirklich angemessen wäre nur eine Karte im Maßstab 1:1.

Vielleicht reichen die wenigen Sätze über meine Jugend bereits, damit Sie mir glauben, dass meine Eltern und ich zwar Muslime sind – aber eben nicht von der schlimmen Sorte, die man ständig im Fernsehen sieht. Solche also, die kein Deutsch lernen wollen, Bomben gegen Andersgläubige einsetzen, Hartz IV abzocken und in ihrer Freizeit Zwangsverheiratung praktizieren. Wir also sind nicht »so«. Aber bitte glauben Sie mir auch etwas viel Wichtigeres: Ganz viele andere Muslime sind es eben auch nicht! Überhaupt würde ich die These wagen: Muslime sind beinahe normale Leute. Stärkere These: Individuen sogar! Mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Berufen, mit Träumen und Ängsten…

Eigentlich selbstverständlich, doch man kann diese Dinge gar nicht oft genug wiederholen, auch wenn ihre Behauptung dadurch nicht wahrer, sondern eher noch absurder wird. Leider muss man sagen, dass ich in letzter Zeit einen Gutteil meines Geldes damit verdiene, diese Behauptung bis zur Absurditätsgrenze und darüber hinaus zu wiederholen. In Bibliotheken und Akademien halte ich Vorträge und lese aus meinen Büchern. Ein schrecklicher Moment jedes Mal, wenn die Diskussion fürs Publikum freigegeben wird. Mit der geballten Frustration von vierzig Berufsjahren schleudert mir in egal welcher Kleinstadt eine pensionierte Hauptschullehrerin die Kopftuchfrage an meinen (unbedeckten) Kopf. Ein Herr mit einem blauen Sakko zitiert eine Koranstelle, die völlig aus dem Kontext gerissen ist, doch seiner Meinung nach Mohammeds Blutrünstigkeit belegt. Eine Zuhörerin mit weißen Haaren hat eine Tabelle für mich zusammengestellt, die links die Vorzüge des Christentums und rechts die Mängel des Islams aufführt. Wenn sie mir den Zettel überreichen will und ich ihn ablehne, wird sie erst richtig auftrumpfen: »Wusste ich’s doch!« Einerseits würde sie mich gern bekehren, andererseits bereitet es ihr doch auch Befriedigung zu sehen, dass diese Heidin noch nicht so weit ist.

Und es sind ja nicht nur die Verbitterten, die Rentner, die Eiferer, die einen mit diesem Sammelsurium von Vorurteilen konfrontieren. Durch fast alle Milieus zieht sich das, auch bei Leuten mit höherer Bildung ist man davor nicht sicher. In den letzten Monaten riefen mich unabhängig voneinander zwei langjährige, links-liberale Freunde an und verlangten, ich solle mich bitte endlich einmal eindeutig von familiärer Gewalt und Terrorismus distanzieren. Aus dem Nichts heraus nehmen mich Menschen zu frauenfeindlichen Versen im Koran und zum Kopftuch ins Kreuzverhör. Auf einer Gartenparty kommt eine Buchlektorin aus dem Staunen nicht heraus, als ich ihr von meinem kleinen Gnadenhof für Schafe und Hühner erzähle: Das sei aber ungewöhnlich, denn »die Orientalen« liebten doch keine Tiere. Ich versichere ihr, es gebe Tierfreunde auch unter »den Orientalen«. Mir zuliebe sage ich dann auch etwas zu kriegerisch klingenden Versen im Koran und ein, zwei, drei Sätze über das Kopftuch.

Immerhin bin ich tatsächlich, also auch eigenem Verständnis nach, Muslimin. Bin als solche aufgewachsen und hatte schon im Koran gelesen, bevor der Herr im blauen Sakko danach fragte. Andere Leute trifft ihr neues Muslim-Sein noch härter. Nach dem Sturz des Schahs sind viele intellektuelle Iraner vor dem Regime der Mullahs nach Deutschland geflohen. Viele politisch links stehende Türken und Kurden kamen hierher, weil sie von den politisch-ideologischen Kämpfe in der Heimat fast zerrieben wurden. All diese Menschen, ihre Kinder und Kindeskinder gelten jetzt als Muslime. Meine sturzatheistische Zahnärztin ist in den Augen vieler Patienten eine Muslimin. Jener kurdischstämmige Freund, der sich einst über meinen Silberschmuck in Form von Fatimas Hand lustig machte, läuft heute unter »Muslim«. Auch Sarrazin übrigens interessiert sich eigentlich nur für zwei Bevölkerungsgruppen: für die muslimischen Migranten und die gleichsam »echten« Deutschen, nämlich die ohne Migrationshintergrund. 45 Prozent aller in Deutschland lebenden Muslime besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft, sind also Deutsche. Wo sollen die hin? Gibt es im Kopf von Sarrazin und Konsorten keinen Platz für sie? Ist man denn entweder Muslim oder Deutscher?

Nach klassischem Verständnis heißt Religionsfreiheit, dass erstens jeder das Recht hat, seinen jeweiligen Glauben zu praktizieren. Zweitens, dass er das Recht hat, an die Inhalte gar keiner Religion zu glauben. Vielleicht ist es an der Zeit, ein drittes Recht zu verteidigen: das, über die eigene Religion zu schweigen. Nicht ständig als Mitglied einer bestimmten Religion adressiert zu werden. Das Recht, selbst zu bestimmen, in welchen Kontexten die eigene Religionszugehörigkeit von Bedeutung ist und wann nicht. Der Mehrheit kommt dieses Recht natürlich so selbstverständlich zu, dass sie es nicht erst in Anspruch nehmen muss; niemand würde auf die Idee kommen, eine deutsch-deutsche Sachbearbeiterin als »evangelisch« oder »katholisch« zu etikettieren, wenn sie nicht gerade bei einer Kirche angestellt ist. Doch für Minderheiten gelten eigene Regeln, hier wie in anderen Kontexten. Nur sie sind es, die sich erklären müssen oder über die man entsprechend aufklärt. »Unser schwuler Freund Ole.« – »Meltem Dikkaya. Sie ist Sachbearbeiterin und Muslimin.«

Als Frau wird man nicht geboren, zur Frau wird man gemacht, schrieb einst Simone de Beauvoir als Credo des Feminismus. Laut herkömmlicher islamischer Auffassung wird jeder Mensch als Muslim geboren. Meine Erfahrung ist allerdings anders: Auch zum Muslim wird man gemacht. Egal, ob man will, egal, was man gelernt hat. Wenn man einen bestimmten Teint hat, eine »typische« Nase, einen »einschlägigen« Namen, Eltern aus einem der verdächtigen Länder. Von einem Prozess der Ethnisierung sprechen Soziologen: Eine ursprünglich religiöse Kategorie wird zur ethnischen Beschreibung. Ich nenne es: Muslimifizierung. Manchmal begehe ich dabei den Fehler, von »den« Deutschen zu sprechen. Was natürlich falsch ist. Es gibt diese hingebungsvollen Lehrerinnen, die alle Kinder gleichermaßen unterstützen, es gibt Menschen, die seit Jahrzehnten in der interkulturellen Arbeit aktiv sind und die derzeitige Entwicklung so fassungslos betrachten wie ich. Es gibt »die« Deutschen so wenig wie es »die« Muslime gibt. Das Problem ist: Für eine steigende Zahl anderer Deutscher sind Muslime nie Teil des gemeinsamen Wir, sondern immer die anderen. »Sie« machen »uns« zu »denen«.

Und tatsächlich, ob »wir« dies ursprünglich wollten oder nicht, wir rücken enger zusammen. Auf Facebook chatten wir darüber, wie sehr uns die Islam-Debatte auf die Nerven geht. Sobald drei, vier türkischstämmige Ingenieure, Ärzte und Rechtsanwälte zusammen in einem Raum sind, werden sie anfangen, einander von ihren Auswanderungsfantasien zu erzählen. »Ja, früher«, heißt es meistens, »da konnte man noch ins multikulturelle Holland. Jetzt wählen die Holländer Geert Wilders.« In Österreich wurden die Rechten mit 17 Prozent in den Nationalrat gewählt. In Frankreich wirft Sarkozy zunächst die Burka-Trägerinnen, jetzt auch die Roma den Stammtischen zum Fraß vor und regt an, bestimmten straffällig gewordenen Immigranten ihre französische Staatsbürgerschaft zu entziehen. Auswandern – gerne. Aber wohin? Man muss bedenken, dass solche Auswanderungsgespräche unter Akademikern geführt werden, also Menschen mit Beruf und Bildung, die sich ausdrücken und ihren Teil von Anerkennung erkämpfen können. Ich mag mir kaum vorstellen, wie sich Muslimifizierung für eine Gruppe testosteronbefeuerter Jugendlicher mit der Berufsprognose Langzeitarbeitslosigkeit anfühlt. Was haben sie, woran können sie sich festhalten?

Denn tatsächlich geht es um Anerkennung und um das Vorenthalten derselben. Nicht nur um Anerkennung für eine einzelne Leistung, sondern um die Anerkennung als Subjekt eines eigenen Lebens. Als eine Person, die arbeitet, lebt, liebt, denkt; die Pläne hat, die sie verwirklichen will, und Überzeugungen, die ihr etwas bedeuten. In einer modernen Demokratie sind wir alle Gleiche unter Gleichen – in dem Wissen, dass jeder sein eigener, besonderer, den anderen weder über- noch untergeordneter kleiner Kosmos ist. In abstrakter Hinsicht sind wir alle gleichermaßen dafür zu respektieren, dass wir in konkreter Hinsicht besonders sind. Jeder von uns. Es ist für das Selbstverständnis eines modernen Menschen zentral, nicht nur Exemplar einer sozialen Kategorie zu sein, sondern Individuum – und von anderen auch als solches wahrgenommen zu werden. Diese Art von Anerkennung ist fürs Soziale so lebenswichtig wie die Luft zum Atmen, und Entwicklungen wie die Muslimifizierung drohen sie abzuschnüren.

Dass dennoch die Frage der muslimischen Religionszugehörigkeit fast schon zur öffentlichen Obsession geworden ist, verdankt sich zu einem Teil jenem Identitätsgeschwätz, das viele Leute als Multikulturalismus missverstehen. Angeblich fußt Multikulturalismus auf kulturellen Identitäten, doch das ist Unfug. Multikulturalismus ist das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft unter gleichberechtigten Bedingungen. Identität ist eine Schablone, die man Menschen aufdrückt, mit denen man sich nicht von Mensch zu Mensch unterhalten will. Stattdessen glaubt man über deren »Kultur« ja bereits so viel zu wissen oder hat noch so viele interessierte Fragen! Die Antworten soll dann jemand liefern, der die entsprechende »kulturelle Identität« besitzt. Doch nicht jeder, der einen arabischen Namen trägt, kann aus dem Stand den Koran rezitieren oder interpretieren, ebenso wenig wie sich die neue Kollegin ostasiatischer Abstammung automatisch für den Reiskocher in der Kantine interessiert.

Zum Teil handelt es sich also auch einfach um blanken Rassismus. Während meines Studiums, in unseren philosophischen Seminaren, diskutierten wir über Diskriminierung, Menschenrechte und Universalismus, lasen die Theoretiker des Postkolonialismus. Rassismus, dachte ich damals, richte sich nur gegen Gruppen, denen ich selbst nicht angehörte. Man kann geradezu von Hochmut sprechen: Mit dem deutschen Pass in der Tasche fühlte ich mich auf der sicheren Seite; unter anderem empörten mich die eingeschränkten Rechte von Asylbewerbern. Als »Deutsche« engagierte ich mich also für die »Betroffenen«. Erst in den letzten Jahren musste ich einsehen, dass es auch Rassismus gegen Muslime gibt. Wieder der Hochmut: gegen »Leute wie mich«! Im Internet gibt es Dutzende von Foren, die sich allein der Warnung vor dem Islam widmen. Sie nennen uns »Musels«, schimpfen mich »Moscheebraut«, auch »Moslem-Heuchelbraut« oder »Halal Hilal«. Zwei Mal haben sie meinen Wikipedia-Eintrag gefälscht, sie kommentieren meine Kleidung (»eigentlich ziemlich westlich«) und verbreiten das Gerücht, ich hätte mein Philosophie-Studium nicht zu Ende geführt.

Doch, das habe ich. Aber was habe ich davon? Bei der Wahl meines Studienfachs und meines Berufs hatte ich mich gegen die Religion als Profession, gegen ein Muslim-Sein von Beruf, sondern für die praktische Philosophie und das Schreiben darüber entschieden. Die Entwicklung der letzten Jahre geht über diese Entscheidung einfach hinweg.

Denn, um die Geschichte meiner Jugend zu Ende zu erzählen: Nach meinem katholischen Abitur studierte ich Philosophie in Frankfurt. Jürgen Habermas lehrte dort, er wirkte auf die internationale Philosophengemeinschaft wie ein Magnet. Sämtliche großen Denkerinnen und Denker kamen zu Besuch, und so konnte man mit der gesamten Welt philosophieren, ohne Frankfurt je zu verlassen; wir lebten wie Kant in Königsberg. Mit der Berufung von Axel Honneth hielt ergänzend Hegel Einzug – und der Fußball. Wenn das Honneth-Kolloquium im Park Fußball spielte, gab es zwei Mannschaften: Kant und Hegel. Letztere warf Ersterer »abstrakten Universalismus«, Erstere Letzterer einen »Hang zum Konservativismus« vor. Dieser Streit war ernst, ebenso wie die Begeisterung für den Fußball. Eine Studentin soll sogar vorgeschlagen haben, sich auch im Seminar an Fußball-Ritualen zu orientieren: »Toll, wie die nach dem Spiel ihre Trikots tauschen. Wie wäre es, wenn auch wir unsere T-Shirts auszögen und tauschten, wenn einer von uns ein besonders gutes Argument vorgebracht hat?«

Diese Studentin soll ich gewesen sein. Ich erkenne sie nicht wieder. Oder ist es vielleicht umgekehrt so, dass ich gegenüber der Person fremdele, die ich selber heute bin? Die Diskussionen, in die ich heute verwickelt werde, handeln nicht von der Postmoderne oder von Hegels Rechtsphilosophie. Hier werden nach guten Argumenten keine Trikots getauscht, sondern es liegt Aggressivität in der Luft. In der Bibliothek des philosophischen Instituts stand ein fünfbändiges Werk zur Bedeutung des Verbs »sein« in sämtlichen bekannten Sprachen. Solch feine Differenzierungen lernten wir. Heute bin ich damit beschäftigt, falsche Koranzitate abzuwehren und mich vom Terrorismus zu distanzieren. Ich »bin« schließlich Muslimin. Obwohl ich hier geboren und aufgewachsen bin, »bin« ich muslimische Migrantin. Ich frage mich, ab wann da etwas schiefgegangen ist und wie man es wieder hinbiegen kann.

http://www.zeit.de/2010/36/Muslimifizierung?page=all


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 12:22
@Warhead
Der ganz tiefe Griff ins Polemikklo.Das erinnert mich doch an was...(...) "Wir erleben hier die Machtergreifung der (...) Faschisten,sie werden den Staat abschaffen, Kriminalität fördern (...)"
(...) und genau das machen Faschisten,sie diffamieren,sie treten nach,sie hetzen und verbreiten absurde Unwahrheiten die sie als Fakten anpreisen,reicht das nicht,und das tut es selten,wird die Gegenseite als antidemokratisch und faschistisch bezeichnet.
Nun wüsste ich nicht weshalb man mit Leuten denen jegliche Liberalität abgeht und die jegliche demokratischen Rechte stantepede erschiessen würden hätten sie nur die Möglichkeit,weshalb man ihnen das Recht der freien Rede zusgestehen sollte,sie produzieren ja ohnehin nur dreiste Lügen
Nein wir haben ihn nicht vergessen den kleinen Hetzer
Danke für die gelungene Beschreibung der derzeitigen PC-Fanatiker.


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 12:22
@muadhibnnadiri

Ich auch :D


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 12:25
Zitat von lambrettalambretta schrieb:Mir ist zum Glück kein Gesetz bekannt, das zur Integration verpflichtet.
Demnach kann ich auch kein Gesetz anwenden, weil sich jemand Integration widersetzt.
Nein, aber es gibt auch kein Gesetz, Integrationsverweigerern trotzdem alle möglichen Vorteile und Rechte ein zu räumen.
Wer sich beispielsweise komplett weigert, Deutsch zu lernen oder sich an die deutschen Gesetze zu halten und lieber seine eigenen Vorstellungen von ,,Ehre" und damit verbundenen Aktionen wie Messerstechereien oder Schlägereien auslebt, wer meint, er müsste nicht an der deutschen Gemeinschaft mit arbeiten und sich nicht im geringsten ändern - der signalisiert damit, dass er von der deutschen Gesellschaft nichts wissen will, sie ablehnt.

Da sehe ich auch nicht ein, warum man dieser Person dann beispielsweise trotzdem finanzielle Unterstützung zukommen lässt, für die ALLE arbeitenden Menschen in diesem Land, egal welcher Herkunft, aufkommen.
Ich unterstütze gerne Leute, die sich um Integration bemühen, tatkräftig und ich überlege mir auch, wie ich ihnen entgegenkommen kann, wie ich sie motivieren und animieren kann.
Auch bei bisherigen Integrationsverweigerern ist ,,meine Tür immer offen", wie man so schön sagt.

Aber ich sehe nicht ein, warum jemand, der nur von ,,Scheiße Deutscheland" reden kann und nicht die geringste, eigene Bemühung zur Integration zeigt, von mir unterstützt werden sollte.

Ich kann die Tür zeigen und sie aufhalten, aber hindurch gehen muss jeder selbst.


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 12:25
Zitat von lambrettalambretta schrieb:Und an welcher Stelle soll das Gesetz "wie gemacht" für Integrationsverweigerer sein?
Zur Not eben neue Gesetze schaffen, dafür ist die Gesetzgebung da.
Zitat von KcKc schrieb: Da sehe ich auch nicht ein, warum man dieser Person dann beispielsweise trotzdem finanzielle Unterstützung zukommen lässt, für die ALLE arbeitenden Menschen in diesem Land, egal welcher Herkunft, aufkommen.
!!!!!!!! Das wird viel zu selten erwähnt.


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 12:26
Von warhead:
Zitat von melgonmelgon schrieb:und genau das machen Faschisten,sie diffamieren,sie treten nach,sie hetzen und verbreiten absurde Unwahrheiten die sie als Fakten anpreisen,
Und das ist kenngezeichnend für Faschisten?
Wohl eher eine Definition von jemandem, der das Wort gern in den Mund nimmt.
In der Reich'schen Massenpsychologie des Faschismus ist die Erklärung eine gänzlich andere.


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 12:30
@melgon
Zitat von melgonmelgon schrieb:Zur Not eben neue Gesetze schaffen, dafür ist die Gesetzgebung da.
Zu Not also? Wie groß ist sie denn die heraufbeschworene Not?
Wozu Gesetzgebung da ist? Dazu, sie zu akzeptieren, und nicht dazu, eine Neuerung zu fordern, sobald sie einem nicht passt.
Das Gesetz zu dehnen und zu strecken, wie es einem passt, tun komischerweise die, für die die neue Gesetzgebung geschaffen werden soll, und jene, die angeblich "verbessern" möchten.
Da gibt's keinen Unterschied zwischen beiden Seiten.


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 12:34
@lambretta
Zitat von lambrettalambretta schrieb:Wozu Gesetzgebung da ist? Dazu, sie zu akzeptieren, und nicht dazu, eine Neuerung zu fordern, sobald sie einem nicht passt.
Wenn der Umstand es erfordert, beispielsweise, weil sich die Gesellschaft in erheblichen Grade verändert hat, dann müssen auch Gesetze dementsprechend angepasst werden. Zudem ist kein Gesetz vollkommen, sodass es auch vorkommt, dass Nachbesserungen vollzogen werden müssen.


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 12:36
@Kc
Zitat von KcKc schrieb:Nein, aber es gibt auch kein Gesetz, Integrationsverweigerern trotzdem alle möglichen Vorteile und Rechte ein zu räumen.
Rechte werden niemandem extra eingeräumt, sie stehen jedem zu.
Bei sozialen Leistungen müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden - wie z.B. eine Bedürftigkeit. Wer sie erfüllt, bekommt sie.
Da darf es für Dich auch keine Rolle spielen, für wie tüchtig Du jemandes Bemühen um Integration erachtest.
Es ist schon sehr bedenklich, dass für Dich nicht gleiches Recht für jeden gilt.


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 12:39
@lambretta
Zitat von lambrettalambretta schrieb:Es ist schon sehr bedenklich, dass für Dich nicht gleiches Recht für jeden gilt.
Wenn ein Arbeiter in einem Unternehmen absolut nicht einsieht, die Arbeit zu verrichten, die der Arbeitgeber ihn anbietet und sie also nicht ausführt, dann hat er auch kein Recht darauf, für diese (nicht geleistete Arbeit) bezahlt zu werden.


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 12:43
@andreasko

Gerade du, als Ur-Deutscher, solltest der deutschen Sprache mächtig sein.

Zwichen haben Abitur und machen Abitur sollte es einen Unterschied geben, den sogar du merken dürftest. Wenn du auf deinem Propa-Video nix dazu sehen kannst, solltest du dir die Videos der Sendung nochmal anschauen. Da wirst auch du bemerken, dass sie kurze Zeit später "MACHEN" Abitur sagt.


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Sarrazin: Hart aber fair?

06.09.2010 um 12:45
@lambretta

Für mich gelten gleiche Grundrechte und Menschenrechte für jeden Menschen, egal woher er kommt, wie er aussieht, woran er glaubt oder was er für eine Einstellung hat.

Alle anderen Rechte, davon abgesehen, hinterfrage ich nach ihrem Sinn.

Es hat für mich zum Beispiel keinen Sinn, jemanden zu fördern, der gleichzeitig eine ,,Leck mich"-Haltung an den Tag legt und nicht im geringsten bereit ist, für die Förderung etwas zu leisten.

Wir sind eine Gemeinschaft. Die Gemeinschaft funktioniert nur, wenn die Mitglieder bereit sind, sich gegenseitig im Rahmen ihrer Möglichkeiten etwas zurück zu geben.
Wenn einige Mitglieder der Gemeinschaft sich diesem partout verweigern, nicht weil sie körperliche Gebrechen oder geistige haben, sondern weil sie einfach keine Lust haben, etwas zu leisten, dann finde ich das schon sehr bedenklich. Und wer sich dann noch drüber lustig macht, wie andere für ihn arbeiten, bei dem sehe ich eben nicht ein, wozu ich ihn finanziell unterstützen soll?

Er möchte nichts für mich leisten - meinetwegen.
Er möchte nichts für die Gemeinschaft leisten - von mir aus.
Er möchte trotzdem Unterstützung - nö, läuft nicht.


Wie schon gesagt, ich kann jemandem die Tür zur Integration zeigen, ich kann sie auch aufhalten und ihm helfen. Aber hindurch gehen muss er selbst.


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