Systemkrise 2008/2009
15.11.2008 um 16:41
Bevor hier nur über Verschwörungstheorien diskutiert wird, anbei ein Artikel aus der Realwirtschaft. Also nichts, was mit Verschwörungen zu tun hat, sondern ein offizieller Artikel von wallstrett-online.de. Auch in der Finanzwelt spricht man offen über die Möglichkeit eines Krieges als reaktion auf die Finanzkrise:
Retten die „G20“ die Welt?
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Zum ersten Mal treffen sich die G20-Länder in Washington an diesem Wochenende, um ein neues Welt-Finanzsystem mit neuen Regeln zu beraten, um der globalen Finanzkrise Herr zu werden und um zukünftige globale Finanzkrisen zu vermeiden. Bush machte zwar schon im Vorfeld deutlich, dass er von zu viel staatlicher Regulierung nichts hält; positiv zu bewerten ist aber, dass nun auch die Entwicklungsländer mit im Boot sind, um die Welt zu retten, denn ohne sie geht es nicht. Obama blieb dem Treffen in Washington noch fern, da er erst die offizielle Amtseinführung am 20. Januar abwarten will, bevor er tätig wird. Er wird in den nächsten Tagen die Minister und die Regierung benennen. Obama setzt dabei offensichtlich auf die neue „Frauen-Power“. Ein heißer Kandidat für den Posten des Außenministers ist Hillary Clinton. Wer es auch immer sein wird; es stehen auch außenpolitisch der USA große Herausforderungen bevor wie vor allen das weiter Vorgehen bei der Iranfrage.
Es gibt Gerüchte, wonach Israel den Iran noch vor der offiziellen Amtseinführung von Obama als US-Präsident den Iran angreifen wird, um Obama vor vollendete Tatsachen zu stellen. Hinter dem Plan stecken Seilschaften des Pentagons und dies ist sicherlich auch ein Ansinnen von dem noch amtierenden „Ruinator“ Bush. Dies würde den Weltbörsen dann den letzten Dolchstoss verpassen. Aber auch die Beziehungen zu Russland müssen verbessert werden. Denn was die Weltbörsen jetzt am wenigsten gebrauchen können, ist eine Aufrüstungsspirale aufgrund eines „Stationierungswettlaufs“ von Raketen unweit der russischen Grenze. Auch hier ist eine Politik mit Augenmass gefragt und kein neuer „kalter Krieg“. Das wichtigste für die Weltbörsen ist immer noch die „Friedensdividende“, die bei einem neuen „kalten Krieg“ gefährdet wäre. Aber auch Terroranschläge oder ein Attentat auf Obama würden die Börsen in einen Schockzustand bringen, wenn sie gelingen sollten.
Ich empfehle Obama im Übrigen einen Saunabesuch zusammen mit Medwedew in Russland, um auf neue entspannende Gedanken zu kommen. Es ist für den Weltfrieden von großer Bedeutung, dass die Chemie zwischen den beiden Präsidenten der Großmächte stimmt und dass sie sich gegenseitig mit Respekt auf Augenhöhe begegnen. Auch wäre es wünschenswert, wenn Obama den Versuch unternimmt, Russland die strategische Partnerschaft anzubieten nach dem bewährten Motto: „If you canŽt beat him join him!“ Die USA werden mit Iran/Irak, Afghanistan und vor allem dem neuen Pulverfass Pakistan (als Atommacht) genug zu tun haben. Eine Konfrontation mit Russland würde ins Leere laufen und verheerende Auswirkungen haben. Die Tage des georgischen Präsidenten Saakaschwilli dürften gezählt sein. In der Ukraine wird am 7. Dezember das Parlament neu gewählt. Ukraine und Georgien wollen schnell in die NATO, was zu zusätzlichen Spannungen mit Russland führen wird. Die USA sollten Russland jetzt die WTO-Mitgliedschaft auch NATO-Mitgliedschaft sowie eine strategische Partnerschaft anbieten. Dann kommen wir viel schneller aus der Krise heraus. Alles andere, insbesondere Protektionismus und die Betonung nationaler Interessen, würden die Krise jedoch verstärken. 1929 lässt grüssen!
Daher gab es am Freitag einen auch einen neuen EU-Gipfel in Nizza mit Russland im Boot, um nach dem Georgienkrieg wieder den Dialog mit Russland zu eröffnen, was sicherlich der richtige Weg ist. Denn Europa braucht Russland zumindest im Energiesektor genauso stark wie umgekehrt Russland Europa benötigt. Dieser von Sarkozy koordinierte Dialog ist zwar jetzt gerade in der Not unabdingbar; Ich erwarte nicht viel als Ergebnis, da die Umsetzung der neuen Gesprächsbereitschaft erst im nächsten Jahr folgen wird.
Die Wall Street spielt weiter „Jo-Jo“ und scheint nicht viel von den neuen G20-Treffen zu halten. Der Dow Jones brach am Freitag zunächst intraday von 8800 auf 8500 Indexpunkte ein, um sich dann wieder auf das Ausgangsniveau von 8800 Indexpunkten zu erholen. Zum Schluss gab der Dow Jones aber wieder um 3,8% auf 8497 Indexpunkte aufgrund schwacher Einzelhandelzahlen, die auf eine Rezession hindeuten, nach. Wenn der Dow Jones wieder nachhaltig unter 8000 Indexpunkte fallen sollte, droht ein neuer Absturz. In diesem Fall sollten auch alle Aktien an den Ostbörsen unter Tradinggesichtspunkten verkauft werden. Am Donnerstag konnte dieser Absturz noch einmal knapp vermieden werden. Nach einem kurzen Abtauchen unter die charttechnisch bedeutsame 8000er-Marke stieg der Dow Jones ohne wesentliche Nachrichten um über 6% auf über 8800 Indexpunkte. Hier scheint wieder das „Plunge Protection Team“ ganze Arbeit zu leisten, um die Shortseller in die Schranken zu weisen. Deratige Short-Sueezes (Eindecken von Leerverkäufen) könnten wir in den nächsten Tagen öfters erleben. Bei unter 7900 und erst recht unter 7500 Indexpunkten kommt aber wahrscheinlich eine weitere Kapitulationsphase an der Wall Street (und dann auch an den Emerging Markets), wobei ein Iran-Krieg oder die Insolvenz von General Motors der auslösende Faktor sein könnte.
Der DAX konnte am Freitag zwar noch um 1,31% auf 4710 Indexpunkte steigen; er dürfte am Montag aber wieder nach der schlechten Wall Street-Vorgabe mit einem Gap nach unten eröffnen. Der DAX brach schon am Freitag nach einem fulminanten Start nach der schwachen Wall Street-Eröffnung von 4800 auf 4700 um 100 Indexpunkte ein. Der Kursanstieg von Continental um über 30% intraday und zum Schluss um 26% erinnert auf den VW-Fall. Der Kurs von VW dürften in den nächsten Tagen auf unter 350 € einbrechen und den DAX nach unten ziehen. Aber auch Shortseller werden im Moment abrasiert. Es bleibt also höchst turbulent an den Weltbörsen und alle Anleger befinden sich ebenso wie die Finanzmärkte in permanenten Stresstest.
Nach dem Kurssturz um 10% wurde die Moskauer Börse am 12. November schon wieder geschlossen. Der Brent-Ölpreis fiel auf ein neues Jahrestief von 57 USD/Barrel, worunter besonders Ölwerte litten. Der Ölpreis brach schon im Oktober um 40% ein, worunter nun ganz Russland leidet. Gazprom will im nächsten Jahr auch die Gaspreise nach Europa vermindern, was die Inflation nach unten bringen dürfte. Auch LUKoil fiel auf ein neues Jahrestief von 24 €, ist aber mit einem KGV von 3 unterbewertet. Für das 4. Quartal 2008 werden aber erstmals seit Jahren wieder reale Quartalsverluste im Ölsektor erwartet, während das 3. Quartal noch positiv erwartet wird. Das Hauptproblem ist jetzt in ganz Russland – auch bei den Oligarchen – die Refinanzierung und Umstrukturierung der Anleihen. Schon bei einem Ölpreis von 70 USD/Barrel wird der Haushalt in Russland in 2009 defizitär. Zudem schwächte sich der Rubel weiter ab, was zwar die Importe verteuert, aber die Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Produkte stärkt. Die staatliche VEB Bank will jetzt neben Banken auch Industrieunternehmen mit Notkrediten stützen. Die Finanzkrise ist jetzt eindeutig mit aller Wucht auch in Russland angekommen.
Der Kurs von dem Düngemittelhersteller Uralkali fiel am 12. November sogar um 60%, auf unter 4 € nachdem eine Schadenserstaklage wegen der Überflutung einer Mine aus dem letzte Jahr neu aufgerollt wurde. Am 14. November erholte sich der Kurs schon wieder um 15% auf 5,86 € - ein Eldorado für Trader! Die Nerven der Langfrist-Anleger werden im Moment hart strapaziert. Jetzt werden neben den Oligarchen und den Banken auch einige russischen Unternehmen wie die Evraz Group mit staatlichen Krediten der VEB Bank versorgt, damit die Auslandsanleihen bedient werden können und es zu keinem Default kommt. Da nützt es auch wenig, dass die Moskauer Börse mit einem durchschnittlichen KGV von 3 die billigste der Welt.
Auf dem Eigenkapitalforum in Frankfurt/M. vom 10.-12. November wurde bekanntgegeben, das nun auch erstmals Banken aus Weißrussland ein IPO im nächsten Jahr planen. Vielleicht es das , was wir brauchen: mehr Mut und Zuversicht gerade in die Krise! Mein ESI-Seminar „Go East – In der Krise liegt die Chance - war am 12. November so gut besucht wie noch nie, so dass der ESI-Seminar-Indikator ein „strong sell“ anzeigte.
Man kann nur hoffen, dass auf dem G20-Gipfel der Rahmen geschaffen wird, der trotz offensichtlicher Weltwirtschaftsrezession wieder mehr Vertrauen in den Markt bringt. „Geld muss fliessen“, sonst versiegt die Wirtschaft. Kalifornien gibt im Moment noch die Richtung vor: es brennt überall und die Brandursache ist unklar. Ähnlich sieht es auf den globalen Finanzmärkten aus. Man kann also nur hoffen, dass die G20 der Welt und den Weltbörsen mehr Hoffung geben. Und man kann nur hoffen, dass ich Obama und Medwedew nicht allzu sehr von der Rüstungslobby vereinnahmen lassen wie es die Vorgänger noch taten. Auch hier besteht die Chance für einen Neubeginn einer Abrüstungs- und nicht Aufrüstungsspirale, die sich keine der beiden Großmächte im Moment erlauben kann und die ins Verderben führt. Obama ist die Chance für einen Neuanfang und einem Paradigmawechsel. Die USA sind im Moment sehr verwundbar und müssen aufpassen, dass die Dinge nicht völlig aus dem Ruder laufen. Die harten Realitäten sind unangenehm, aber man muss sich ihnen stellen.
Obama, sei daher wachsam, was der Bush-Clan jetzt bis zur Amtsübergabe am 20. Januar noch im Schilde führt - auch was die Iranfrage angeht. Und rette jetzt General Motors mit weiteren 25 Mrd. USD, da wir sonst einen zweiten „Lehmann Brothers Fall“ verkraften müssen und weit über 200.000 Arbeitsplätze dann verloren gehen. Dann sind wir schneller in einem 1929-Sezenario als uns lieb ist. In Kalifornien brennt es lichterloh, an den Weltfinanzmärkten und der Realwirtschaft auch!
Es wird in jedem Fall sehr volatil bleiben. Welche Aktien Sie jetzt kaufen oder verkaufen sollen, können Sie der täglich aktualisierten Ostbörsen-Hotline 09001-8614001 (1,86 €/Min.) entnehmen. Bestellen Sie auch jetzt den kostenlosen Newsletter bei www.andreas-maennicke.de
TV-Hinweise: Am 7. November wurde Andreas Männicke in der 3SATBörse um 21.30 Uhr über die Chancen in Russland nach dem Crash befragt. Das Interview kann jetzt runtergeladen werden unter www.3sat.de/boerse. Das letzte TV-Interview von Andreas Männicke über Russland war am 14. November um 11.15 Uhr in NTV/Telebörse(www.teleboerse.de) anlässlich des EU-Gipfels in Nizza. Das nächste TV-Interview mit Andreas Männicke über Russland wird am Montag, den 17.11.08 um 07.05, 11.19, 12.19, 15.49 und 17.19 Uhr in Bloomberg TV (www.bloomberg.com) ausgestrahlt.
Autor: Andreas Männicke
Andreas Männicke ist Geschäftsführer der ESI East Stock Informationsdienste GmbH (www.eaststock.de), Herausgeber und Chefredakteur des EAST STOCK TRENDS, freier Mitarbeiter vom Emerging Markets Portal und Berater für Vermögensverwalter im Bereich Osteuropa. Er hat eine über 15 jährige Erfahrung mit den aufstrebenden Kapitalmärkten in Osteuropa und ist ein gefragter Interviewpartner in den Medien (u.a. bekannt aus NTV/Telebörse, N24, 3 SAT Börse, Bloomberg TV).
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