An die strafwütigen Marcozurücksender und an
@sensibel,
@Befen und
@alle:
Doors schreibt an zaphod:
"Danke, Dein Beitrag gibt mir die Hoffnung, dass nicht alle Allmy-User auf stammtischartigem BILD-Ramentern steckengeblieben sind."...
als würde da jemand die geringe Akzeptanz seiner Meinung mit Verbalinjurien kompensieren wollen...
Oberflächlich betrachtet scheinen die wohlfeilen Sätze Zaphods eine internationale juristische Realität zu verkünden, misst man sie aber am tatsächlichen Ablauf des diskutierten Falls, so wird ihre Aussagekraft schnell reduziert:
-Völlig ignoriert hat Zaphod das Alter des Beschuldigten, der nicht nur nach Jugendstrafrecht beurteilt werden müsste, sondern dessen Strafverfahren auch besonderen Vorschriften unterliegt:
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Marco hat vom 12.4 bis 19.12 in türkischer Untersuchungshaft verbracht, also über 8 Monate.....-Bei jugendlichen Untersuchungshäftlingen schreibt das deutsche Recht in § 72 Abs. 5 JGG die besonderes schnelle Bearbeitung des Verfahrens vor.
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Untersuchungshaft darf in der Regel nur bis zu einem halben Jahr andauern. Ansonsten ist eine besondere Begründung durch das Oberlandesgericht nötig (§§ 120, 121, 122a StPO).
Gerade in Jugendstrafverfahren gegen in Untersuchungshaft sitzende jugendliche Beschuldigte soll besonders zügig bearbeitet werden. In Haftsachen ist also hier eine weitere Steigerung im Vergleich zum allgemeinen Beschleunigungsgebot gefordert. Die angenommenen besonderen Wirkungen der U-Haft auf Jugendliche, sowie eine besonders schelle Sanktionierung, die im Jugendstrafrecht erreicht werden soll, begründen dies.
Darüberhinaus war im Falle Marcos die im deutschen Recht vorgesehene
Verhältnismäßigkeit nicht beachtet worden:
Damit meine ich nicht nur allgemeine Abwägungen zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschuldigten und dem staatlichen Strafanspruch ( Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 5 EMRK, Art. 25 GG) , sondern gegen den Verhätnismäßigkeitsgrundsatz wurde insbesondere im Hinlick auf mögliche mildere Maßnahmen- als die zu vollstreckende Untersuchungshaft - verstoßen....
Nach §116 StPO sind im Einzelfall Meldeauflagen, die Zahlung einer Kaution oder auch die Abgabe von Reisedokumenten vorgesehen...bei Jugendlichen außerdem Maßnahmen nach §71 JGG.
Allein dieses Vorgehen der türkischen Gerichtsbarkeit, das in diesem speziellen Fall (einen anderen kenne ich nicht) ..eben nicht dem internationalen bzw. deutschen Standard entspricht, sondern recht willkürlich mit dem Leben eines Jugendlichen umgegangen ist , gebietet es, an der Unvoreingenommenheit und auch Rechtsstaatlichkeit eines Verfahrens gegen den jungen Mann so zu zweifeln, dass man die Anwesenheit Marcos beim Prozess nicht empfehlen kann. Darüberhinaus spielen psychologische Gründe eine Rolle, die eine erneute Konfrontation des Jugendlichen, mit der in seinem Fall zweifelhaften Rechtsstaatlichkeit, nicht empfehlen können.
Auf mich wirkt der Fall so, als sei auf dem Rücken des Jugendlichen - für den die Unschuldsvermutung gelten muss - ein Konflikt zwischen deutschen Medien, deutscher- und türkischer Gerichtsbarkeit ausgetragen worden.
Im übrigen möchte ich noch anmerken, dass einem ehemaligen Jugendschöffen die besondere Rechtssituation Jugendlicher eigentlich bekannt sein müsste.