20.000 russische Polizisten gegen 3000 Demonstranten
25.03.2007 um 17:32
Trotzki war ein ganz netter "Hund", wie ihn Lenin auch nannte.
WYSCHINSKI: Siesagten, dass im Dezember 1935 auch ein zweiter Brief eintraf. Erzählen Sie darüber.
RADEK: Diesen Brief erhielt ich in den ersten Dezembertagen, das war schon keinepolitische Mitteilung mehr, wenn auch programmatisch prinzipieller Natur, sondern es warein Entwurf eines Programms dieser zweiten Variante.
WYSCHINSKI: Da wir gestern davongehört haben, glaube ich, wird auch das Gericht keine Einwände dagegen haben, man mussdas Wesentliche sagen.
RADEK: Das Wesentliche ist erstens die internationalePerspektive. Sie besteht darin, dass der Sieg des deutschen Faschismus eine Periode derFaschisierung Europas und den Sieg des Faschismus einleitet, in den andern Ländern eineNiederlage der Arbeiterklasse und das Fehlen revolutionärer Perspektiven bis zuirgendeinem Umschwung, den irgendein internationaler Krieg hervorrufen kann, das isterstens. Zweitens war das Wesentliche, dass zwei Varianten aufgestellt wurden.
WYSCHINSKI: Davon war gestern die Rede.
RADEK: Die erste Variante war eine fürihn nicht reale Variante - ohne Krieg an die Macht zu gelangen.
WYSCHINSKI: Das heißtohne Niederlage.
RADEK: Also blieb als reale Variante übrig, auf Grund der Niederlagezur Macht zu gelangen. Und dieses Zurmachtgelangen auf Grundlage der Niederlage bedeutetefür ihn, dass während Trotzki dort und wir hier in Moskau bis zu dieser Zeit von einemökonomischen Rückzug auf der Basis des Sowjetstaates gesprochen hatten, so kam in diesemBrief eine grundlegende Wendung zum Ausdruck. Denn erstens meinte Trotzki, dass alsResultat der Niederlage territoriale Zugeständnisse unvermeidlich sind, wobei er bestimmtdie Ukraine nannte. Zweitens war von einer Aufteilung der UdSSR die Rede. Drittens sah ervom ökonomischen Standpunkt aus solche Folgen der Niederlage voraus: nicht nur solltendie für die kapitalistischen Staaten wichtigen Industrieobjekte in Konzession gegebenwerden, sondern auch wichtige ökonomische Objekte, welche die kapitalistischen Elementenamhaft machen würden, sollten ihnen übergeben, als Privateigentum verkauft werden.Trotzki rechnete mit Obligationsanleihen, d. h. der Zulassung des ausländischen Kapitalszur Ausbeutung jener Betriebe, welche formell in den Händen des Sowjetstaates verbleiben.
Auf dem Gebiete der Agrarpolitik stellte er vollkommen klar die Frage, dieKollektivwirtschaften müssen aufgelöst werden, und machte den Gedanken geltend, dass dieTraktoren sowie die anderen komplizierten landwirtschaftlichen Maschinen den Einzelbauernzwecks Wiederherstellung einer neuen Kulakenschicht zur Verfügung gestellt werdensollten. Schließlich wurde die Frage der Notwendigkeit einer Wiederherstellung desPrivatkapitals in der Stadt vollkommen klar gestellt. Es war klar, dass von derRestauration des Kapitalismus die Rede war.
Neu war in diesem Briefe im politischenSinn die Fragestellung der Macht. Trotzki sagte in dem Brief: Von einer Demokratie kannkeine Rede sein. Die Arbeiterklasse hat 18 Jahre Revolution hinter sich und hat einenRiesenappetit; nun soll der Arbeiter teils in Privatbetriebe, teils in staatlicheBetriebe zurückgebracht werden, in Betriebe, welche sich im Zustande heftigsterKonkurrenz mit dem Auslandskapital befinden werden. Das heißt also, dass eine schroffeVerschlechterung der Lage der Arbeiterklasse eintreten wird. Auf dem Lande wird der Kampfder armen und mittleren Bauernschaft gegen das Kulakentum wieder aufleben. Und darumwird, um sich zu behaupten, eine feste Macht notwendig sein, unabhängig davon, durchwelche Formen das verschleiert wird.
Wenn Sie eine historische Analyse ziehen wollen,so nehmen Sie die Analyse mit der Macht Napoleon I. und durchdenken Sie diese Analogie.Napoleon I. bedeutete keine Restauration - die Restauration kam später -, das war derVersuch, die Haupterrungenschaften der Revolution zu erhalten, was von der Revolutionerhalten werden konnte. Das war das Neue. Trotzki legte sich Rechenschaft darüber ab,dass der Faschismus, dank welchem der Block an die Macht gelangen kann, Herr der Lagesein wird, und zwar einerseits der deutsche Faschismus und anderseits derMilitärfaschismus eines anderen, fernöstlichen Landes.
Das Neue an den praktischenSchlussfolgerungen bestand darin, dass speziell diese Tätigkeit, nämlich dieSchädlingsarbeit, mit dem Partner verabredet werden musste, mit dessen Hilfe der Blockeinzig und allein an die Macht gelangen konnte.
Schließlich bestand das Neue darin -das war aber nicht das Wesentliche, sondern nur ein Deckmantel - die Aufstellung einersolchen Perspektive, dass man auf alles werde eingehen müssen, dass es aber, wenn wir amLeben und an der Macht bleiben, dank dem Sieg dieser zwei Länder, dank dem. was siezusammenrauben und zusammenraffen werden, zwischen ihnen und den anderen zu einerKeilerei kommen werde - und dann werde unsere neue Entwicklung, unsere Revancheeinsetzen. Das war aber jedoch eine rein literarische Perspektive. Das ist das Wesendieser ersten Direktive.
Es war noch etwas sehr Wichtiges in dieser Direktive,nämlich die Formulierung, dass die Angleichung der sozialen Ordnung der UdSSR an jene derfaschistischen Siegerländer unausbleiblich ist, wenn wir uns überhaupt behaupten wollen.Eben dieser Gedanke der Angleichung, der ein Pseudonym für die Restauration desKapitalismus war, war das spezifisch Neue, das uns sofort in die Augen sprang, als wirdiese Direktive erhielten.
WYSCHINSKI: Wenn wir also den Inhalt dieses Briefes kurzzusammenfassen, worauf laufen dann die Hauptpunkte hinaus?
RADEK: Wir verharrten aufdem Standpunkt von 1934, dass die Niederlage unausbleiblich ist.
WYSCHINSKI: Und wasfür eine Schlussfolgerung wurde daraus gezogen?
RADEK: Die Schlussfolgerung ausdieser unausbleiblichen Niederlage ist, dass jetzt klar die Frage der Restauration desKapitalismus vor uns aufgerollt wurde.
WYSCHINSKI: Das bedeutet also, dass dieseRestauration des Kapitalismus, die von Trotzki als Angleichung der sozialen Ordnung derUdSSR an die anderen kapitalistischen Länder bezeichnet wurde, als unausbleiblichesResultat eines Abkommens mit ausländischen Staaten gedacht war.
RADEK: Alsunausbleibliches Resultat der Niederlage der UdSSR, ihrer sozialen Folgen sowie des aufder Grundlage dieser Niederlage zu treffenden Abkommens.
WYSCHINSKI: Weiter?
RADEK: Die dritte Bedingung war für uns die neueste, nämlich an Stelle derSowjetmacht das aufzurichten, was er die bonapartistische Macht nannte. Für uns war esklar, dass das der Faschismus ohne eigenes Finanzkapital ist, der einem fremdenFinanzkapital dient.
WYSCHINSKI: Die vierte Bedingung?
RADEK: Die vierteBedingung besteht in der Aufteilung des Landes. Die Ukraine sollte an Deutschlandabgegeben werden; an Japan das „Primorje“-Gebiet und das „Priamurje“-Gebiet.
WYSCHINSKI: War damals von irgendwelchen anderen wirtschaftlichen Zugeständnissen dieRede?
RADEK: Ja, es wurden jene Entscheidungen erweitert, von denen ich bereitssprach. Die Bezahlung einer Kontribution in Form von Lebensmittel-, Rohstoff- undFettlieferungen auf lange Jahre hinaus. Ferner sollte den Siegerländern ein bestimmterProzentsatz ihres Anteils am Sowjetimport gesichert werden, wobei Trotzki ursprünglichkeine Ziffern nannte, sich aber später bestimmter darüber äußerte. All das zusammenbedeutete eine vollkommene Unterjochung des Landes.
WYSCHINSKI: War von demSachalin-Erdöl die Rede?
RADEK: Was Japan anbetrifft, so wurde darüber gesagt, dassman ihm nicht nur das Sachaliner Erdöl geben solle, sondern es für den Kriegsfall mit denVereinigten Staaten von Amerika mit Erdöl versorgen müsse. Es wurde auch auf dieNotwendigkeit hingewiesen, der Eroberung Chinas durch den japanischen Imperialismuskeinerlei Hindernisse in den Weg zu stellen.
WYSCHINSKI: Und hinsichtlich derDonauländer?
RADEK: Über die Donau- und Balkanländer schrieb Trotzki in seinem Brief,dass eine Expansion des deutschen Faschismus stattfinde und dass wir dieser Tatsachenichts in den Weg stellen sollten. Es handelte sich natürlich um den Abbruch unserersämtlichen Beziehungen zur Tschechoslowakei, die diesem Lande einen Schutz gewährenkönnten.
WYSCHINSKI: In diesen sechs Bedingungen bestand also der ganze Inhalt diesesBriefes vom Jahre 1935?
RADEK: Ja.