@vincent Das ist eine gute erste Frage.
Meiner Meinung nach sollte man die Leute unter MIgranten einordnen, die eine nichtdeutsche kulturelle Identität haben (was natürlich mit selbstverständnis zu tun hat und nichts ist, was man so einfach und strikt von außen zuweisen kann).
Das ist eine meiner meinung nach in diesem zusammenhang sinnvolle definition, die sich aber von der herkömmlichen definition des wortes migrant unterscheidet.
Natürlich ist z.b. jemand, dessen eltern beide Polen sind und hierher kamen, bevor er geboren wurde, ebenfalls ein migrant und hat vielleicht auch einige eigenheiten verinnerlicht, die seine eltern Herkunftsbedingt hatten (z.b. die Sprache).
Allerdings würde ich ihn nicht unter der Linse migrant betrachten, wenn das Ganze für ihn nicht mehr als 'da komm ich halt her und hab noch so ein gewisses Heimatgefühl' ist.
Es ist irgendwo im kopf, aber nichts wirklich Identitätsstiftendes.
Bei einem Türken genauso natürlich.
Das kann aber bei jemanden, der selbst in dritter generation hier ist, anders sein. Ich würde definition jemand als Migrant zählen, dessen selbstverständnis es beinhaltet, eben irgendein 'wir sind halt anders als die' gegenüber der Gesellschaft anzustreben welches er mit ethnischer Herkunft begründet.
Wenn ich z.b. die 'bei uns italienern ist das halt so, dass Frauen zu Hause bleiben' Karte spiele, und das mehr als nur ein blöder witz ist sondern ernstgemeint, dann habe ich eine Identität in mir drin die mich unterscheidet von der Mehrheitsgesellschaft.
Die muss nichts uwangsläufig als Problem wahrgenommen werden, aber oft, gerade wenn sie stark ausgeprägt ist, wird sie es.
Diese Identität kann sogar ganz anders als oben erwähnt sein. Wenn ich z.b. unzufrieden mit ihr bin und damit hadere.
Der Punkt ist, dass ich jemanden als Migrant zähle, der eine selbst verinnerlichte Migrationsidentität hat, die stärker als 'ich hab mal woanders gewohnt wo ich mich auch beheimatet fühle' ist.
Vllt wäre es für diese Definition sogar besser, ein anderes Wort als Migrant zu wählen, aber ich finde es passend. Schließlich zählen wir irgendwann ja auch keine Leute mehr als Migrant mit ganz offensichtlich durch migrationsgeschichte geprägte namen.
Der Punkt ist, dass ich denke, dass es einige toxische Migrationsidentitäten gibt, wo negative Aspekte der echten (oder imaginären) heimatkultur mitgeführt werden und auch tradiert werden.
Ich denke, dass bei der Kriminalitätsbelastung, die manche Migrantengruppen haben, diese toxischen Aspekte eine ausschlaggebende rolle spielen und auch bei anderen problemen, die es mit Migranten gibt.
Ein großes Problem ist, dass ich finde, dass der Dialog über solche Aspekte sehr unehrlich verläuft und zu Schreiwettbewerben verkommt, wo die einen rufen 'DER TÜRKE HAUT SEINE FRAU!' und die anderen 'JA ABER ER KANN NICHTS DAFÜR UND DU BIST NAZI!'.
Das will ich nicht. Es geht weder um Verurteilung, noch geht es um Beschönigung.
Ein beispiel: Wir wissen aus Statistiken (oder richtiger, wie immer bei Statistiken: Wir können stark genug vermuten um davon auszugehen), dass Türken in Deutschland auffällig häufiger ihre Frauen und auch Kinder schlagen, als die Gesamtbevölkerung das tut. Hier muss ich auch wieder spezifizieren, damit mich nicht sofort einer von der Seite zerreissen will, auch wenn ich denke, dass ich das bei dir nicht brauche: Natürlich ist die formulierung 'ihre frauen' sexistisch, natürlich meine ich mit 'türken' Menschen mit türkischer Migrationsidentät. Natürlich kann man daraus nicht folgern, dass alle türken ihre Frauen schlagen, blablablubb.
Das Problem ist, dass ich es eigentlich trotzdem gar nicht sagen darf. Da wird dann erst nach der Quelle gefragt, ich such sie dann raus, dann wird die quelle angezweifelt und sowieso kenn ich ja die dunkelziffer gar nicht.
Dann werden irgendwelche abstrusen dinge in's felde geführt und abgewiegelt, weil schließlich schlagen deutsche ihre frauen auch und sowieso oktoberfest und die katholische kirche und früher war kinderschlagen auch noch erlaubt und christen fanden es gut.
Was dabei auf der strecke bleibt ist die diskussion über das eigentliche Thema. Ich will ja gar nicht darauf hinaus, dass man alle türken verurteilen soll. Ich will, das sman sich über Lösungen des Problems unterhält, wie man dafür sorgen kann, dasses in dieser migrantengruppe (und natürlich anderen, wo es auffällig häufig ist), weniger häusliche gewalt bekommen kann.
Man wird mir vorwerfen, dass es einfach ganz normal mehr gewaltprävention und aufklärung usw. geben muss und man allgemein gegen sexismus vorgehen muss.
Das halte ich aber für Quatsch, weil ich eben denke, dass die Auffälligkeit hier nicht allein damit erklärt werden kann, wie die Belastungsfaktoren von Türken als Gruppe sind (wie mancher argumentieren würde), sondern die Migrationsidentität (zu der sowohl das kulturelle verständnis als türke als auch als muslim gehört, sofern die person sich als muslim sieht, weil der Islam eben auch eine identitätsstiftende kulturelle Seite hat die meiner Meinung nach in das selbstverständnis und die kulturelle Identität mit reinspielt) ein ausschlaggebender faktor ist.
Um hier zu vermitteln, Prävention und Hilfe zu leisten und bestenfalls die jüngere generation in eine andere richtung zu lenken, muss man meiner Meinung nach diesen faktor verstehen und ihn nutzen können.
Wenn man mit allgemeinen Blabla versucht ein spezifisches Problem zu lösen, was anders funktioniert als das, worauf die normale Arbeit bei häuslicher gewalt hinausläuft, dann funktioniert es weniger oft (sowohl bei opfern als auch bei tätern).
Und deswegen finde ich das abwiegeln und wegdiskutieren des Problems sehr hinderlich dabei, das problem zu lösen.
Und je länger man sowas schleifen lässt, desto eklatanter wird es.