Muselführer der deutschen Musels schickaniert Alevitenvertreter der deutsch-türkischenAleviten:
"Koordinierungsrat ist verlogen"
Statt um Religion gehe es dem neuenBündnis vor allem um politische Ideologie, kritisiert Ali Toprak, Generalsekretär derliberalen Alevitischen Gemeinde Deutschland
taz: Herr Toprak, in dieser Wochekonnte die Islamkonferenz als bisher einziges Ergebnis verkünden: Wir machen weiter. Istdas nicht ein bisschen mager?
Ali Toprak: Ganze 40 Jahre hat man nicht miteinandergeredet. Deswegen brauchen wir Zeit, um auch untereinander Vorurteile, Misstrauen undDiskriminierung abzubauen.
Es gibt auch unter den Muslimen Vorurteile?
Dasist ein Punkt, von dem die deutsche Öffentlichkeit kaum etwas weiß. Auch in dermuslimischen Gemeinde gibt es sehr unterschiedliche Strömungen. Wir Aleviten kämpfen seitJahrhunderten gegen Diskriminierung und Ausgrenzung im islamischen Kulturraum. Über dieseSituation und die Diskriminierung der Aleviten und der anderen religiösen Minderheitensind die islamischen Verbände in Deutschland ausreichend informiert. Doch wenn es darumgeht, die gleiche Religionsfreiheit, die sie in Deutschland genießen wollen, auch fürAleviten und andere Glaubensgemeinschaften in der Türkei einzufordern und diese offen zuunterstützen, schweigen diese Organisationen und ihre Mitglieder.
Sie müssen aberin der Islamkonferenz mit dem neu gegründeten Koordinationsrat der Muslime in Deutschlandzusammenarbeiten. Gibt es große Meinungsverschiedenheiten?
Ja, denn wir Alevitenwerden vom Koordinierungsrat als nicht koscher angesehen, weil wir eine andere religiöseAuslegung, eine andere Theologie vertreten als die Sunniten und Schiiten. Deswegen wolleneinige Teilnehmer nicht, dass wir für die Muslime sprechen. Vorneweg der Vertreter desIslamrats, Herr Kizilkaya. Er und der Koordinierungsrat sollen sich entspannen. Wirvertreten nur die Interessen der Aleviten. Aber es ist interessant, dass Herr Kizilkayaund die im Koordinierungsrat vertretenen Verbände die große Anzahl der Aleviten zu derZahl der Muslime immer dann dazurechnen, wenn es ihnen passt. Nämlich um die Anzahl derMuslime in Deutschland so groß wie möglich darzustellen. Daran zeigt sich, wie verlogender Koordinierungsrat ist.
Gibt es weitere Beispiele für diese Verlogenheit, wieSie es nennen?
Erst unmittelbar vor dem Beginn der Pressekonferenz hatInnenminister Wolfgang Schäuble bekanntgegeben, wer mit ihm auf das öffentliche Podiumdarf. Daraufhin hat Herr Kizilkaya dagegen protestiert, dass ich auch dabei bin. SeinHauptargument ist, dass ich als Vertreter der Aleviten nicht für Muslime sprechen dürfe.Er und die anderen Herren des Koordinierungsrats haben auch im Fahrstuhl und auf dem Wegzur Pressekonferenz keine Ruhe gegeben. Sie haben allen Ernstes versucht, mir zwischenTür und Angel ein Glaubensbekenntnis zum Islam abzuverlangen. Wer keinen Respektgegenüber anderen Religionsgemeinschaften zeigt, verdient selbst keinen Respekt und keineAnerkennung.
Aber das ist doch einer der Streitpunkte bei der Islamkonferenz: Werdarf für die Muslime sprechen? Bisher kann das niemand für sich beanspruchen - weder Sienoch Herr Kizilkaya.
Das ist ja gerade das Lächerliche. Denn auch er vertritt mitdem Islamrat und dem Koordinierungsrat nur eine Minderheit der Muslime in Deutschland.Aber im Vergleich zu Herrn Kizilkaya und dem Koordinierungsrat behaupte ich zumindestnicht, dass ich für alle Muslime spreche.
Entschuldigen Sie, aber worum geht eshier eigentlich genau? Können die Aleviten die Konservativen nicht einfach akzeptieren,wie sie sind - und umgekehrt genauso?
Es geht nicht um Eifersüchteleien, es gehthier um ideologische und politische Angelegenheiten. Denn der Koordinierungsrat ist einpolitisches Bündnis, das von der türkischen Regierung und deren islamistischenVerbündeten beherrscht wird. Es wäre gefährlich, ihnen die alleinige Vertretung allerMuslime in Deutschland zu überlassen.
Übertreiben Sie nicht?
Nein, meinEinwand gegen den Koordinationsrat ist, dass er eher politisch-islamische Ideologienvertritt, als dass er eine Religionsgemeinschaft darstellen könnte. Hier ist eine von derTürkei kontrollierte Organisation, die Ditib, mit drei anderen, teilweise islamistischenOrganisationen zusammengekommen. Und dieser illustre Bund soll in Deutschland für alleMuslime sprechen dürfen? Wollen wir das wirklich? Diese Frage stelle ich besondersmanchem naiven Kommentator und Politiker, der diese Wirklichkeit nicht sehen will - auchin linken Parteien.
INTERVIEW: CIGDEM AKYOL
taz vom 5.5.2007, S. 6, 147 Z.(Interview), CIGDEM AKYOL
http://www.taz.de/dx/2007/05/05/a0189.1/text.ges,1