Absehbare Reaktionen. Jetzt feiert man die Speckschwarte als den starken Mann, der Auschwitz trotzt und das Ende der "Leisetreterei" einläutet - nun lässt man sich von den Juden nichts mehr gefallen. 70 Jahre sind ja wohl genug. Und verraten die doch auch die Werte, die Deutschland so gerne hochhält. Oder auch nicht. Beim Großreinemachen im kollektiven deutschen Seelenhaushalt geben die üblichen verdächtigen Medien die Scharfmacher, die mit Gabriel instinktiv einig darin sind, die niedersten Bedürfnisse in diesem Land anzustacheln. Der Schulzzug dürfte jetzt nochmal an Fahrt aufnehmen.
Dabei besteht der Affront in Wirklichkeit darin, dass ein deutscher Außenminister fundamentaloppositionellen Vereinigungen unbedingt seine Aufwartung machen wollte. So etwas tun westliche Diplomaten normalerweise nur, wenn sie Autokratien, Despotien oder Diktaturen bereisen. Und deutsche Minister tun es meist nicht einmal dann. Oder hat Sigmar Gabriel etwa Regimekritiker getroffen, als er in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsminister in den Iran flog? Hat er auch mit palästinensischen Menschenrechtlern gesprochen, als er seinen Freund Abbas besuchte? Nein, hat er nicht – aber in Israel musste er dringend mit Organisationen zusammenkommen, die den jüdischen Staat und seine Armee schwerster Verbrechen beschuldigen. Und das war genauso wohlkalkuliert wie die Möglichkeit, dass Netanjahu dann von einem Treffen Abstand nehmen könnte. Schließlich wusste Gabriel, dass er dafür zu Hause rauschenden Beifall bekommen würde, sowohl von potenziellen Wählern als auch von wichtigen Medien. In der Süddeutschen Zeitung applaudierte Peter Münch dem Sozialdemokraten dann auch begeistert und stellte den israelischen Premierminister allen Ernstes auf eine Stufe mit den Autokraten Putin und Erdogan, indem er ihn in „Wladimir Tayyip Netanjahu“ umbenannte. Alexandra Föderl-Schmid vom österreichischen Standard gefiel Münchs Artikel offensichtlich so gut, dass sie Teile daraus gleich wortwörtlich übernahm. Die taz feierte das „Ende der Leisetreterei“, auf Spiegel Online hieß es: „Die historische Schuld kann nicht dazu führen, dass Deutschland es akzeptiert, wenn die israelische Regierung sich immer weiter von jenen Werten entfernt, die wir bisher für gemeinsame gehalten haben.“ Der Tenor war eindeutig und entsprang einem sehr deutschen Bedürfnis: Endlich hat ein starker Mann aus Deutschland die Vergangenheit hinter sich gelassen und ist den Juden und ihrem Staat mit harter Hand begegnet.http://www.mena-watch.com/mena-analysen-beitraege/sigmar-gabriels-gewollter-eklat/@canales Im Europaparlament gab es auch Standing Ovations für Abbas antisemitische Brunnenvergifterpropaganda. Man beschwört zwar bei sich jeder bietenden Gelegenheit, wie zentral NS und Holocaust für den europäischen Einigungsprozess wären, aber den Abgeordneten fällt noch nicht einmal der abgefeimteste Antisemitismus auf, geschweige denn seine modernen und israelbezogenen Varianten. Die EU als Gütesiegel anzuführen verdeckt das Problem bloss, zumal sie hinter ihre eigene Antisemitismusdefinition zurückfällt, unter die die Dämonisierung Israels fällt. Und genau das tun Organisationen wie BtS und B'tselem.
Abbas' Lüge stammt ursprünglich aus der BtS-Führungsriege und begann als Märchen über Siedler, die palästinensische Brunnen vergiften, indem sie Hühnerkadaver reinschmeissen würden; die Palästinenser haben dann später noch einen Rabbi dazugedichtet, der alles abgesegnet hätte. Die Arbeitsweise von BtS ist suspekt und verschleiernd, schwerwiegende Vorwürfe werden erhoben, aber nicht belegt; im Gegenteil hat die rare Offenlegung einiger Quellen ergeben, das die Vorfälle entweder schlicht erlogen oder ausgeschmückt worden. Trotzdem sind sie Zuarbeiter der UNO, die auf der Grundlage ihrer Behauptungen Berichte verfasst, in denen Israel verurteilt wird. Zusammenarbeit mit den Behörden verweigern sie, an Aufklärung und notfalls Strafverfolgung ist man also nicht interessiert.
B'tselem setzt Israel mit dem Südafrika der Rassentrennung und dem NS gleich. Das ist keine Kritik, sondern Dämonisierung die der Delegitimierung dienen soll: ein Staat, der auf Rassismus und Nazismus gründet, hat schliesslich kein Existenzrecht verdient. Gegen den Vergleich mit der Apartheid gehen immer mehr Südafrikaner vor, weil er ihre real erlebte Rassentrennung bagatellisiert, und der NS-vergleich ist a) Bullshit und b) vor dem Hintergrund des geschichtlichen Kontextes Israels pervers. Mitglieder haben den Holocaust geleugnet und sind mit einem Komplott aufgeflogen, welches Palästinenser, die Land an Juden verkaufen, als Kollaborateure an die PA ausliefert, worauf die Todesstrafe steht.
Beide Organisationen brechen den Konflikt auf ein manichäisches Schwarz-Weiss-Bild runter, in dem die Täter und Opferrollen klar verteilt sind. Die Israelis sind die brutalen, erbarmungslosen und rassistischen Täter, während die Palästinenser als Unschuld vom Lande herkommen, die jeden Missstand in ihrer Gesellschaft auf Israel schieben und deren Antisemitismus erst gar keine Rolle spielt. Ihre Praktiken sind kritikabel und ihre Einlassugen mehr als krude. Die kann man natürlich mit Floskeln wie "regierungskritisch" oder "Nestbeschmutzer" und einem wertlosen EU-Gütesiegel aufwerten und sich selbst das wohlige Gefühl geben, man tue das "Richtige" und unterstütze die "Guten". Bei Licht und ohne Scheuklappen betrachtet bleiben die Truppen aber dubios.